Was denkt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften und das E-ID-Gesetz?

Dr. Verena MackDirector Real Estate & Industries
Dr. Fabian BergmannResearch Consultant - Social Research
Michèle KaufmannSenior Research Consultant
Juli 21, 2025, 1:53 nachm. GMT+0

Das YouGov Schweiz Stimmungsbarometer zu den eidgenössischen Abstimmungen am 28. September

Am Sonntag, den 28. September, entscheiden die stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer über die Einführung der kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften und des E-ID-Gesetzes. Ersteres ist Teil einer Verfassungsreform zur Besteuerung von Wohneigentum, die es Kantonen ermöglichen würde, eine neue Objektsteuer auf Zweitwohnungen zu erheben. Die Abstimmung ist mit der geplanten Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft – wird der Bundesbeschluss abgelehnt, fällt die gesamte Reform. Das E-ID-Gesetz sieht die Einführung einer staatlich herausgegebenen elektronischen Identität (E-ID) vor, die es ermöglichen soll, sich online auszuweisen – etwa bei Behördengängen, Bankgeschäften oder anderen digitalen Diensten.

Noch bevor die Kampagnen richtig Fahrt aufnehmen, liefert das aktuelle Stimmungsbarometer von YouGov Schweiz erste Einblicke in die Stimmungslage der Bevölkerung. Wie stehen die Schweizer Stimmberechtigten zu den geplanten Liegenschaftssteuern auf Zweitwohnungen und zur Einführung der E-ID? Zwischen dem 8. und 14. Juli wurden 1'232 Personen aus dem Online-Panel von YouGov befragt – eine frühe Momentaufnahme, die Hinweise darauf gibt, wie umkämpft die beiden Vorlagen für den 28. September sein könnten.

Potenzial für doppelte Annahme vorhanden - höhere Zustimmung zur E-ID als zu Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften

YouGov Schweiz wollte von den Befragten wissen, wie sie sich aktuell bei den beiden Vorlagen entscheiden und wie sie ihre Entscheidungen begründen würden. Mithilfe eines eigens entwickelten MRP-Modells (Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation) wurde auf Basis dieser Antworten der Abstimmungsausgang zum jetzigen Zeitpunkt geschätzt - wenn also die Schweizerinnen und Schweizer bereits jetzt ihre Stimme abgeben würden.

Aktuell zeichnet sich eine Mehrheit für die Annahme des Bundesbeschlusses zu den Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften ab. Laut der MRP-Modellierung von YouGov Schweiz würden derzeit 58 Prozent dafür und 25 Prozent dagegen stimmen. Geschätzte 17 Prozent sind zu diesem frühen Zeitpunkt noch unentschlossen oder möchten dazu keine Aussage treffen.

Im Vergleich dazu erfährt das E-ID-Gesetz etwas höhere Zustimmungswerte. Momentan würden 63 Prozent für und 26 Prozent gegen die Annahme des Gesetzes stimmen, während 11 Prozent noch unsicher sind, respektive sich nicht äussern möchten.

Wichtig ist jedoch: Die Ergebnisse spiegeln eine Momentaufnahme wider. Die Stimmungslage kann sich im Verlauf der Abstimmungskampagnen noch deutlich verschieben. Eine detaillierte Beschreibung der verwendeten Modellierungsmethode findet sich im Abschnitt Methodische Erläuterungen.

Pro und contra: Welche Argumente überzeugen?

Noch bevor die heisse Phase der Abstimmungskampagnen beginnt, zeigen sich bereits erste Tendenzen in der öffentlichen Wahrnehmung der beiden Vorlagen und in den Argumenten, welche die Bevölkerung überzeugend findet. So haben wir im YouGov Schweiz Stimmungsbarometer die Teilnehmenden nach ihrer Zustimmung zu je sechs Argumenten pro Abstimmungsthema befragt, die in den bisherigen öffentlichen Debatten immer wieder vorkamen. Die Zustimmung konnte jeweils auf einer Skala von 0 («überhaupt nicht einverstanden») bis 10 («voll und ganz einverstanden») angegeben werden.

Im Hinblick auf die Liegenschaftssteuern erhält das Argument, dass die neue Steuer sicherstellen solle, «dass auch nach Abschaffung des Eigenmietwerts Zweitwohnungsbesitzer einen Beitrag ans Gemeinwesen leisten» die meiste Zustimmung mit 46 Prozent (Werte zwischen 7 und 10).

Bezüglich der E-ID gibt es zwei Argumente, mit denen ein grosser Teil der Befragten einverstanden ist. Interessanterweise handelt es sich dabei sowohl um ein Argument für die Einführung als auch um ein Argument dagegen. 57 Prozent stimmen der Aussage zu (Werte zwischen 7 und 10) «die E-ID erleichtert alltägliche Prozesse wie Behördengänge und amtliche Geschäfte. Das ist insbesondere auch ein Vorteil für Menschen in Randregionen oder mit eingeschränkter Mobilität». Gleichzeitig stimmen allerdings auch insgesamt 58 Prozent der Aussage zu, «obwohl die E-ID freiwillig sein soll, entsteht langfristig faktisch ein Zwang, wenn immer mehr Dienste nur noch digital verfügbar werden». Dieses Argument scheint nicht nur Befragte zu überzeugen, die aktuell angeben (eher) gegen die Einführung der E-ID zu stimmen. Auch unter denjenigen, die im Moment (eher) mit Ja stimmen würden, stimmen immerhin 54 Prozent diesem Argument zu (Werte zwischen 7 und 10). Das von den Gegnerinnen und Gegnern der E-ID häufig vorgebrachte Argument, die freiwillige Nutzung werde mittelfristig obligatorisch, scheint somit vielen Befürworterinnen und Befürwortern zwar schlüssig, es stellt für sie jedoch eher keinen Grund dar, das Gesetz abzulehnen.

E-ID wird als wichtiger und weniger komplex im Vergleich zu Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften wahrgenommen

Auch wenn sich bei beiden Vorlagen bereits erste Meinungstendenzen abzeichnen, bleibt ein relevanter Teil der Bevölkerung noch unentschlossen – bei der E-ID etwas weniger stark ausgeprägt als bei den Liegenschaftssteuern. Ein möglicher Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Wahrnehmung der beiden Themen: Die E-ID wird als wichtiger und zugleich weniger komplex eingeschätzt.

Gefragt, wie wichtig die einzelnen Abstimmungsthemen für einen persönlich sind, geben 57 Prozent der Befragten an, die E-ID sei ihnen wichtig (Werte zwischen 7 und 10 auf einer Skala von 0 = «überhaupt nicht wichtig» bis 10 = «sehr wichtig»). Bei den Liegenschaftssteuern liegt dieser Anteil deutlich tiefer – bei lediglich 38 Prozent.

Bei der Einschätzung der Komplexität zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Während nur 35 Prozent der Befragten die E-ID als komplex empfinden, sind es bei den Liegenschaftssteuern 59 Prozent.

Ein Blick auf die offenen Antworten zur Begründung der eigenen Abstimmungsabsicht zeigt zudem: Es lassen sich bislang keine übergeordneten Themen erkennen, die die Abstimmungsentscheidung dominieren. Besonders bei den Liegenschaftssteuern fällt die Vielfalt der Argumente auf – ein weiteres Indiz dafür, dass das Thema für viele Befragte erklärungsbedürftig und schwer greifbar ist.

Informationsstand der Stimmberechtigen ist bisher niedrig

Auch wenn grundlegende Argumente der Pro- und Contra-Lager bereits öffentlich gemacht wurden, ist der Informationsstand zu den Themen in der breiten Stimmbevölkerung noch recht niedrig. Rund zweieinhalb Monate vor der Abstimmung gibt eine Mehrheit an, sich bislang nur wenig mit den Themen auseinandergesetzt zu haben. So fühlen sich knapp die Hälfte der Befragten bei der Liegenschaftssteuer auf Zweitliegenschaften schlecht informiert – sie ordnen ihren Kenntnisstand auf einer Skala von 0 («überhaupt nicht informiert») bis 10 («sehr gut informiert») im unteren Bereich zwischen 0 und 3 ein. Bei der E-ID ist dieser Anteil etwas geringer: 40 Prozent der Befragten schätzen ihren Informationsstand ebenfalls als niedrig ein.

Die bisherigen Berührungspunkte der Bevölkerung mit den beiden Abstimmungsvorlagen folgen ähnlichen Mustern: Am häufigsten wurden die Themen in Medienberichte wahrgenommen (Liegenschaftssteuern mit 37 Prozent und E-ID mit 39 Prozent), gefolgt von Gesprächen im privaten Umfeld (Liegenschaftssteuern mit 21 Prozent und E-ID mit 20 Prozent). Auffällig ist jedoch, dass ein grosser Teil der Bevölkerung bislang noch gar nicht mit den Inhalten der Abstimmungen in Kontakt gekommen ist (Liegenschaftssteuern mit 41 Prozent und E-ID mit 39 Prozent).

Der aktuell niedrige Informationsstand der Stimmberechtigten ist angesichts des frühen Zeitpunkts wenig erstaunlich – mit dem Start der Kampagnen, dem näher rückenden Abstimmungswochenende und dem Versand der Abstimmungsunterlagen sollte sich das Informationsniveau im Verlauf des Augusts und Septembers noch deutlich verändern.

Unsere Analyse der frühen Stimmungslage im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmungen vom 28. September zeigt: Das Rennen ist noch offen – und hat in vielerlei Hinsicht erst begonnen. Ob es den Befürworterinnen und Befürwortern der Liegenschaftssteuern und des E-ID-Gesetzes gelingt, ihren aktuellen Vorsprung zu halten oder auszubauen, oder ob die Gegenseiten in den kommenden Wochen an Zustimmung gewinnen, bleibt abzuwarten. YouGov Schweiz wird die Entwicklung weiterhin eng begleiten und den Stimmungslage mit Hilfe seines Online-Panels und innovativer Methoden laufend erfassen.

Die Resultate früherer Abstimmungsumfragen von YouGov Schweiz finden Sie hier.

Methodische Erläuterungen

Die oben präsentierten Resultate basieren auf einer Umfrage, die die YouGov Schweiz AG (ehemals LINK Marketing Services AG) als Eigenstudie mittels Online-Interviews unter den Mitgliedern des unternehmenseigenen Schweizer YouGov Panels durchgeführt hat. Die Mitglieder des Panels sind aktiv rekrutiert und haben der Teilnahme an Online-Interviews zugestimmt. Für diese Befragung wurden im Zeitraum 8. bis 14. Juli 2025 insgesamt 1’232 Personen in einer repräsentativen Stichprobe, quotiert nach Alter, Geschlecht und Sprachregion, befragt. Die Stichprobe bildet die Grundgesamtheit der stimmberechtigten Bevölkerung der Schweiz ab 18 Jahren hinsichtlich dieser Quotenmerkmale ab. Die präsentierten Werte der aktuellen Abstimmungsabsicht wurden mittels MRP-Modellierung berechnet, alle anderen abgebildeten Daten sind gewichtete Werte. Die Gewichtung basiert auf den Variablen Alter, Geschlecht, Sprachregion, Erwerbstätigkeit und Haushaltsgrösse. Bei einer fünfprozentigen Irrtumswahrscheinlichkeit liegt der Stichprobenfehler bei ±2.79%.

MRP-Modellierung:

Die Schätzung der Abstimmungsabsichten erfolgte mit einem sogenannten Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation (MRP). [1] Dabei wird in einem statistischen Verfahren die Beziehung zwischen einer Vielzahl von Merkmalen potenzieller Abstimmungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und ihrer Präferenzen – d.h., ob sie bei einem Abstimmungsthema (aktuell eher) mit ja oder nein abstimmen würden – geschätzt. Das Modell identifiziert so unterschiedliche Gruppen der Stimmbevölkerung, für die die Wahrscheinlichkeit, mit ja oder nein zu stimmen, berechnet wird. Als Gruppen berücksichtigen wir die verschiedensten Kombinationen aus Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Parteipräferenz und Kanton.

Zunächst wird die Teilnahmewahrscheinlichkeit an den Referenden für alle kombinierten Gruppen geschätzt. Anschliessend folgt eine Schätzung des Abstimmungsverhaltens der Gruppen bei den Referenden. Für Gruppen, für die nur wenige Beobachtungen zur Verfügung stehen, kann die Mehrebenenregression die Schätzung durch die Daten von ähnlichen Gruppen verstärken. Die Vorhersage auf Gruppenebene wird mit Hilfe der bekannten Bevölkerungsanteile (Daten des BFS Schweiz) und der vorhergesagten Teilnahmewahrscheinlichkeit auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Wie bei jeder Messung mit Befragungsdaten ist die MRP-Modellierung der Abstimmungsabsicht mit Unsicherheit behaftet. Daher geben wir für die Ja-Anteile jeder Abstimmung «Konfidenzintervalle» an, denn die Ja-Anteile sind schlussendlich ausschlaggebend, ob eine Vorlage angenommen oder abgelehnt wird. Das Konfidenzintervall soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% den wahren Anteil einschliessen. Einfach ausgedrückt – wenn auch in der Sprach der frequentistischen Statistik nicht ganz exakt – ist zu beachten, dass der wahre Wert mit grösserer Wahrscheinlichkeit näher in der Mitte des Intervalls liegt als an dessen Rändern.

Mit der MRP-Modellierung der Abstimmungsabsichten möchten wir einen Beitrag zur grösseren Vielfalt und Transparenz in der Meinungsforschung leisten. Neben den inhaltlichen Erkenntnissen, die unsere Analysen der Öffentlichkeit bieten, präsentieren wir einen neuen Vergleichswert, der es ermöglicht, verschiedene Umfrageansätze und deren Ergebnisse besser einzuordnen. Wir sind uns bewusst, dass MRP-Modelle bei der Analyse von Abstimmungsumfragen in der Schweiz einen relativ neuen methodischen Ansatz darstellen. Wir arbeiten stetig daran, unsere Methoden zu prüfen und zu verbessern. Als empirisch arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen wir uns dazu verpflichtet, innovative Methoden einzusetzen und zu testen, um die Messung von politischen Präferenzen und politischer Stimmung zu verbessern und Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, die zeigen, was die Welt denkt.

Foto: Anthony Anex/KEYSTONE/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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