Das erste YouGov Schweiz Stimmungsbarometer zu den eidgenössischen Abstimmungen am 30. November
YouGov Schweiz präsentiert die Ergebnisse der ersten Umfrage zu den bevorstehenden Abstimmungen. Dafür wurden im Zeitraum vom 6. bis 20. Oktober 3'401 Personen aus dem Online-Panel von YouGov Schweiz befragt. Die frühe Momentaufnahme zeigt, wie die beiden Initiativen aktuell von der Bevölkerung bewertet werden.
Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze – Summary
Zum aktuellen Zeitpunkt würden beide Initiativen die nötige Mehrheit zur Annahme deutlich verfehlen. Würden die Abstimmungen schon jetzt stattfinden, käme die Service-Citoyen-Initiative auf 31 Prozent Zustimmung und die Initiative für eine Zukunft auf einen Ja-Anteil von 29 Prozent.
Auch die kantonalen Stimmungsbilder zeigen:
- In allen Kanton würde zum aktuellen Zeitpunkt die Zustimmung zur Service-Citoyen-Initiative unter der 50%-Marke bleiben. Die Ja-Anteile liegen zwischen einem Viertel und einem Drittel der Stimmen.
- Die Initiative für eine Zukunft findet die vergleichsweise grösste Zustimmung in Basel-Stadt und den Westschweizer Kantonen. Doch auch dort liegen die Ja-Anteile gegenwärtig deutlich unter der 50%-Grenze.
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Ausführliche Ergebnisse
Um was geht es in den nächsten Abstimmungen?
Am Sonntag, den 30. November 2025, entscheiden die stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer über die Einführung eines verpflichtenden Dienstes zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt (Service-Citoyen-Initiative) sowie über die Einführung einer neuen Erbschafts- und Schenkungssteuer (Initiative für eine Zukunft).
Der «Service-Citoyen» soll von jungen Schweizer Männern und Frauen im Militär, im Zivilschutz oder in Form eines gleichwertigen Milizdienstes erbracht werden. Die Initiative für eine Zukunft fordert eine neue Steuer auf Nachlässe und Schenkungen von über 50 Millionen Franken. Die Einnahmen sollen laut Initiative für die Bekämpfung der Klimakrise und die dafür notwendige wirtschaftliche Transformation verwendet werden.
Wie ist das aktuelle Stimmungsbild in der Bevölkerung?
Noch bevor die Kampagnen Fahrt aufnehmen, liefert das aktuelle Stimmungsbarometer von YouGov Schweiz erste Einblicke in die Stimmungslage der Bevölkerung. Eine detaillierte Beschreibung der verwendeten Modellierungsmethode (MRP – Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation), auf der unsere Schätzungen basieren findet sich im Abschnitt Methodische Erläuterungen.
Service-Citoyen-Initiative: Nein-Lager grösser als Ja-Lager
Würde heute schon abgestimmt, läge die Zustimmung zur Service-Citoyen-Initiative laut unserer Modellierung der Umfragedaten bei 31Prozent, der Nein-Anteil läge bei 46 Prozent. Dies zeigt einerseits, dass zum aktuellen Zeitpunkt die Ablehnung der Initiative deutlich wahrscheinlicher ist als die Annahme. Andererseits zeigen die Resultate jedoch auch, dass knapp ein Viertel der Stimmbevölkerung noch unentschlossen ist. 23 Prozent können oder möchten sich aktuell nicht festlegen, wie sie abstimmen würden.
Initiative für eine Zukunft: Mehrheit ist dagegen
Ähnlich sieht die Stimmungslage bezüglich der Initiative für eine Zukunft aus, wo gemäss Modellschätzung zum jetzigen Zeitpunkt noch 18 Prozent unentschlossen sind. Die Nein-Stimmen kämen im Moment jedoch auf knapp 53 Prozent, das Ja-Lager auf 29 Prozent. Auch wenn sich ebenfalls ein signifikanter Teil der Stimmbevölkerung noch nicht gegenüber der Initiative für eine Zukunft positionieren kann oder möchte, würde die Initiative aktuell jedoch eindeutig abgelehnt.


Spannende Momentaufnahme
Die Ergebnisse zeigen, dass beide Initiativen momentan einen schweren Stand in der Bevölkerung haben und zum jetzigen Zeitpunkt die Ablehnung beider Initiativen wahrscheinlich scheint. Es bleibt spannend zu beobachten, ob und in welche Richtungen sich die Stimmungslage ändert, wenn das Abstimmungsdatum näher rückt und die Kampagnen Fahrt aufnehmen. Das Potenzial, weitere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu überzeugen, scheint dabei für die Service-Citoyen-Initiative aktuell etwas grösser als für die Initiative für eine Zukunft.
Differenzierte Insights dank Schätzung der Abstimmungsabsichten auf kantonaler Ebene
Mithilfe des MRP-Modells können wir auch auf kantonaler Ebene schätzen, wie die Abstimmungen aktuell ausgehen würden. Dabei werden kantonale Charakteristiken berücksichtigt, gleichzeitig jedoch die Gesamtheit der Befragungsdaten genutzt, um die momentanen Abstimmungsabsichten in allen Kantonen zu schätzen. So können wir auch für Kantone mit geringer Bevölkerungsgrösse Ergebnisse ausweisen.
Wichtig ist dabei zu betonen, dass es sich um Schätzungen handelt. Das heisst, die Ergebnisse sollten nicht als exakte Prognose für jeden einzelnen Kanton missverstanden werden. Vielmehr erlauben sie, Muster zu untersuchen und aufzudecken, worin sich manche Kantone ähneln und andere unterscheiden. Wir differenzieren dabei zwischen Kantonen mit unsicherer Schätzbasis und Kantonen, bei denen die Schätzung zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt. Ersteres bedeutet, dass aufgrund der verfügbaren Datenbasis und Modelperformanz für bestimmte Kantone die Schätzung mit besonderer Vorsicht zu geniessen ist. Zweiteres hingegen bedeutet, dass in einem Kanton das geschätzte Ergebnis nicht eindeutig über oder unter der 50%-Grenze für die Annahme einer Vorlage liegt.
Ein Blick auf die kantonalen Schätzungen zur Abstimmung über die Service-Citoyen-Initiative zeigt: In den Kantonen käme das Ja-Lager aktuell auf Werte zwischen etwa einem Viertel und einem Drittel der Stimmen und bliebe damit überall eindeutig unter der 50%-Marke. Damit scheinen geografische Faktoren aktuell keine grosse Rolle bei der Entscheidung über die Service-Citoyen-Initiative zu spielen. Die grössten Ja-Stimmenanteile gäbe es laut der MRP-Schätzung aktuell in Bern und im Tessin.

Wenn es um die Initiative für eine Zukunft geht, zeigen die Ergebnisse ein nach Sprachregionen differenziertes Muster: Die niedrigste Zustimmung erhält die Initiative aktuell in der Deutschschweiz. Höhere Zustimmungswerte gibt es im Tessin sowie in den meisten Kantonen der Westschweiz. Eine deutliche Ausnahme in diesem Muster bildet Basel-Stadt, wo die Zustimmung im Moment mit rund 37 Prozent am höchsten ausfällt. Wie bei der Service-Citoyen-Initiative würde jedoch auch bei der Initiative für eine Zukunft aktuell in keinem Kanton eine Mehrheit für die Annahme stimmen.

Pro und contra: Welche Argumente überzeugen?
Noch bevor die heisse Phase der Abstimmungskampagnen beginnt, zeigen sich bereits erste Tendenzen in der öffentlichen Wahrnehmung der beiden Vorlagen und in den Argumenten, welche die Bevölkerung überzeugend findet. So haben wir im YouGov Stimmungsbarometer die Teilnehmenden nach ihrer Zustimmung zu je sechs Argumenten pro Abstimmungsthema aus den bisherigen öffentlichen Debatten befragt. Die Zustimmung konnte jeweils auf einer Skala von 0 («überhaupt nicht einverstanden») bis 10 («voll und ganz einverstanden») angegeben werden.
In der Diskussion um die Service-Citoyen-Initiative erhält das Argument, «der Dienst würde hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen» mit 44 Prozent die meiste Zustimmung (Werte zwischen 7 und 10). Auf die Frage, ob der Dienst zur Gleichstellung beiträgt, oder aber eine benachteiligende Mehrbelastung für Frauen ist, findet die Stimmbevölkerung keine eindeutige Antwort. 43 Prozent stimmen ersterem zu, 41 Prozent letzterem. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass mehr als ein Viertel (29%) derjenigen, die angegeben (eher) gegen die Initiative stimmen zu wollen, durchaus der Meinung sind, der Dienst trage zur Gleichstellung bei. Auf der anderen Seite stimmen auch 27 Prozent derjenigen, die (eher) mit Ja stimmen wollen dem Gegenargument zu, dass die Dienstpflicht Frauen aufgrund der Mehrbelastung benachteiligen würde. Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit ist also eine zentrale Kontroverse im Zusammenhang mit dem «Service Citoyen». Ob man ihn eher als Schritt in Richtung Gleichstellung oder aber als Benachteiligung von Frauen wahrnimmt, ist jedoch nicht zwangsläufig mit einem Ja, respektive einem Nein, zur Initiative verbunden.

Bezüglich der Diskussion um die Initiative für eine Zukunft erhält die Aussage, sie betreffe «nur sehr wenige, da Nachlässe und Schenkungen erst ab 50 Millionen Franken besteuert werden» mit 50 Prozent den höchsten Zustimmungswert. Gleichzeitig ist dies jedoch weder ein eindeutiges pro- noch ein klares contra-Argument, da ihm sowohl 64 Prozent derjenigen, die angeben (eher) mit Ja stimmen zu wollen, als auch 50 Prozent derjenigen, die (eher) mit Nein stimmen möchten, zustimmen. Unter den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die die Initiative (eher) ablehnen möchten, erhält dagegen das ökonomische Argument, die Initiative gefährde den Standort Schweiz, mit 72 Prozent die meiste Zustimmung. Auch knapp 22 Prozent derjenigen, die (eher) mit Ja abstimmen wollen, stimmen diesem Argument zu. Für die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative für eine Zukunft scheinen volkswirtschaftliche Bedenken jedoch nicht ausschlaggebend für ihre Abstimmungsentscheidung zu sein. Stattdessen stimmen 70 Prozent von ihnen dem Argument zu, «die Initiative stärkt die Klimagerechtigkeit, da extrem reiche Personen stärker an den Kosten der Klimakrise beteiligt werden».

Insgesamt zeigen die Umfrageresultate, dass Argumente bezüglich der volkswirtschaftlichen Kosten bei beiden Initiativen im jeweiligen Nein-Lager viel Zustimmung finden. Für Befragte, die (eher) mit Ja über eine jeweilige Initiative abstimmen wollen, scheinen zudem insbesondere Gerechtigkeitsargumente relevant zu sein.
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Methodische Erläuterungen
Die oben präsentierten Resultate basieren auf einer Umfrage, die die YouGov Schweiz AG (ehemals LINK Marketing Services AG) als Eigenstudie mittels Online-Interviews unter den Mitgliedern des unternehmenseigenen Schweizer YouGov Panels durchgeführt hat. Die Mitglieder des Panels sind aktiv rekrutiert und haben der Teilnahme an Online-Interviews zugestimmt. Für diese Befragung wurden im Zeitraum 6. bis 20. Oktober 2025 insgesamt 3’401 Personen in einer repräsentativen Stichprobe, quotiert nach Alter, Geschlecht und Sprachregion, befragt. Die Stichprobe bildet die Grundgesamtheit der stimmberechtigten Bevölkerung der Schweiz ab 18 Jahren hinsichtlich dieser Quotenmerkmale ab. Die präsentierten Werte der aktuellen Abstimmungsabsicht wurden mittels MRP-Modellierung berechnet, alle anderen abgebildeten Daten sind gewichtete Werte. Die Gewichtung basiert auf den Variablen Alter, Geschlecht, Sprachregion, Erwerbstätigkeit und Haushaltsgrösse. Bei einer fünfprozentigen Irrtumswahrscheinlichkeit liegt der Stichprobenfehler bei ±1.68 Prozent.
MRP-Modellierung:
Die Schätzung der Abstimmungsabsichten erfolgte mit einem sogenannten Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation (MRP). Dabei wird in einem statistischen Verfahren die Beziehung zwischen einer Vielzahl von Merkmalen potenzieller Abstimmungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und ihrer Präferenzen – d.h., ob sie bei einem Abstimmungsthema (aktuell eher) mit ja oder nein abstimmen würden – geschätzt. Das Modell identifiziert so unterschiedliche Gruppen der Stimmbevölkerung, für die die Wahrscheinlichkeit, mit ja oder nein zu stimmen, berechnet wird. Als Gruppen berücksichtigen wir die verschiedensten Kombinationen aus Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Parteipräferenz und Kanton.
Zunächst wird die Teilnahmewahrscheinlichkeit an den Referenden für alle kombinierten Gruppen geschätzt. Anschliessend folgt eine Schätzung des Abstimmungsverhaltens der Gruppen bei den Referenden. Für Gruppen, für die nur wenige Beobachtungen zur Verfügung stehen, kann die Mehrebenenregression die Schätzung durch die Daten von ähnlichen Gruppen verstärken. Die Vorhersage auf Gruppenebene wird mit Hilfe der bekannten Bevölkerungsanteile (Daten des BFS Schweiz) und der vorhergesagten Teilnahmewahrscheinlichkeit auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.
Wie bei jeder Messung mit Befragungsdaten ist die MRP-Modellierung der Abstimmungsabsicht mit Unsicherheit behaftet. Daher geben wir für die Ja-Anteile jeder Abstimmung «Konfidenzintervalle» an, denn die Ja-Anteile sind schlussendlich ausschlaggebend, ob eine Vorlage angenommen oder abgelehnt wird. Das Konfidenzintervall soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent den wahren Anteil einschliessen. Einfach ausgedrückt – wenn auch in der Sprache der frequentistischen Statistik nicht ganz exakt – ist zu beachten, dass der wahre Wert mit grösserer Wahrscheinlichkeit näher in der Mitte des Intervalls liegt als an dessen Rändern.
Mit der MRP-Modellierung der Abstimmungsabsichten möchten wir einen Beitrag zur grösseren Vielfalt und Transparenz in der Meinungsforschung leisten. Neben den inhaltlichen Erkenntnissen, die unsere Analysen der Öffentlichkeit bieten, präsentieren wir einen neuen Vergleichswert, der es ermöglicht, verschiedene Umfrageansätze und deren Ergebnisse besser einzuordnen. Wir sind uns bewusst, dass MRP-Modelle bei der Analyse von Abstimmungsumfragen in der Schweiz einen relativ neuen methodischen Ansatz darstellen. Wir arbeiten stetig daran, unsere Methoden zu prüfen und zu verbessern. Als empirisch arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen wir uns dazu verpflichtet, innovative Methoden einzusetzen und zu testen, um die Messung von politischen Präferenzen und politischer Stimmung zu verbessern und Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, die zeigen, was die Welt denkt.