44 Prozent der deutschen Wahlberechtigen sprechen sich für die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat aus

Lea KönigshofenSenior Research Executive
Frieder SchmidAccount Director Political Research Germany
September 23, 2025, 6:40 vorm. GMT+0

YouGov-Daten aus verschiedenen internationalen Befragungen zum Thema Krieg in Gaza

In dieser Woche findet in New York die UN-Vollversammlung statt, in deren Rahmen Frankreich, Großbritannien und weitere Staaten Palästina als Staat anerkennen wollen. Für die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung und dem damit verbundenen Ende der Hamas-Herrschaft hatte sich in den letzten Wochen auch die UN-Generalversammlung mit einer breiten Mehrheit ausgesprochen. Deutschland hatte im Rahmen der UN-Generalversammlung zwar für diese Forderung gestimmt – die Anerkennung eines Staates Palästina lehnt die Bundesregierung aber nach wie vor ab.

Deutsche Wahlberechtige unterstützen zwar mehrheitlich die Forderung der Anerkennung, gleichzeitig wird jedoch eine große Unsicherheit bei dieser Frage deutlich: Während sich mit 44 Prozent zwar ein größerer Teil der Befragten für eine Anerkennung Palästinas als Staat ausspricht (Mai 2025: 41 Prozent, Juni 2024: 40 Prozent) und nur 23 Prozent der Befragten gegen die Anerkennung sind (Mai 2025 20 Prozent, Juni 2024: 27 Prozent), gibt immerhin ein Drittel der Befragten keine eindeutige Antwort (33 Prozent „Weiß nicht“). Im Vergleich: Im Mai 2025 lag der Anteil derer, die bei dieser Frage “Weiß nicht” ausgewählt haben bei 39 Prozent, im Juni 2024 bei 33 Prozent.

Am größten ist die Zustimmung zur Anerkennung Palästinas als Staat aktuell unter Wählerinnen und Wählern der Grünen (61 Prozent), der Linken (58 Prozent) und der SPD (53 Prozent). Deutlich zurückhaltender sind die Wählerinnen und Wähler der Union, nur zwei von fünf Befragten (40 Prozent) dieser Wählergruppe sprechen sich für die Anerkennung aus. Erwartungsgemäß gering fällt die Zustimmung unter Wählerinnen und Wählern der AfD aus. Als einzige Wählergruppe ist hier die Ablehnung mit 37 Prozent sogar größer als die Zustimmung mit 32 Prozent. Die Wählergruppen des BSW und der FDP wurden aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht ausgewertet.

Großbritannien: 44 Prozent der Befragten fordern Anerkennung Palästinas als Staat

In Großbritannien sprechen sich im September ebenfalls 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dafür aus, dass ihr Land Palästina als Staat anerkennen sollte. Nur 18 Prozent sind gegen die Anerkennung. Allerdings ist in Großbritannien der Anteil der Menschen, die keine Meinung äußern noch deutlich größer: 37 Prozent der Befragten möchten oder können sich bei dieser Frage nicht festlegen. In Großbritannien ist die Zustimmung zur Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat damit eher rückläufig: Im Juni 2024 hatten sich noch 47 Prozent für die Anerkennung ausgesprochen, im Juli dieses Jahres waren es 45 Prozent. Die aktuellen Ergebnisse stammen aus einer YouGov Umfrage vom 17.-18.09.2025.

Die Mehrheit der deutschen Wahlberechtigten würde von Völkermord im Gazastreifen sprechen 

Seit Monaten debattieren Politikerinnen und Politiker, Medien und die Öffentlichkeit darüber, ob Israels Krieg im Gazastreifen einen Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung darstellt. Nun kam eine unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrat in einem Bericht, der am 16. September veröffentlicht wurde, zu dem Schluss, dass Israel Genozid im Gazastreifen begehe. Der UN-Bericht bezieht sich auf die Geschehnisse seit dem 7. Oktober 2023 und stellt fest, dass Israel seit fast zwei Jahren eine völkermörderische Kampagne inszeniert, um die radikal-islamische Hamas in Gaza zu vernichten.

Unter deutschen Wahlberechtigten sind rund drei von fünf Befragten (62 Prozent) der Meinung, dass man Israels Vorgehen in Gaza als Völkermord bezeichnen kann. 17 Prozent sprechen sich dagegen aus und finden, dass das israelische Vorgehen nicht als Genozid bezeichnet werden kann. Jeder fünfte Befragte (21 Prozent) möchte sich bei dieser Frage nicht äußern.

Vor allem Wählerinnen und Wähler der SPD (71 Prozent), der Grünen (71 Prozent) und der Linken (79 Prozent) sind der Meinung, dass die aktuellen Geschehnisse im Gazastreifen als Genozid bezeichnet werden können. Wählerinnen und Wähler der Union teilen zwar ebenfalls mehrheitlich diese Meinung, allerdings weniger stark ausgeprägt: Drei von fünf Personen (60 Prozent) aus dieser Wählergruppe würden das israelische Vorgehen als Völkermord bezeichnen, während 18 Prozent dies nicht tun würden. In dieser Gruppe ist außerdem der Anteil derer, die sich zu der Frage nicht positionieren wollen (22 Prozent) deutlich größer als unter Wählerinnen und Wählern der SPD (14 Prozent), Grünen (18 Prozent) und Linken (16 Prozent). Die hohen Anteile auf der Ausweichkategorie „Weiß nicht“ deuten allgemein auch hier auf eine große Verunsicherung bei dem Thema hin.

Unter Wählerinnen und Wählern der AfD würde rund jede und jeder Zweite (56 Prozent) das Vorgehen als Genozid bezeichnen, während ein Viertel dieser Wählergruppe (24 Prozent) – im Parteienvergleich der größte Anteil – dies nicht tun würde. 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler der AfD haben sich bei dieser Frage nicht geäußert.

USA: 43 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind der Meinung, Israel begehe Genozid an der palästinensischen Bevölkerung

Zwar hat Präsident Trump bisher keine eindeutige Einschätzung zur Lage im Gazastreifen abgegeben. Allerdings haben die USA kürzlich gemeinsam mit Israel in der UN-Generalversammlung gegen die Erklärung zur Zwei-Staaten-Lösung gestimmt, und darüber hinaus erneut eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat verhindert. Die amerikanische Bevölkerung teilt das Vorgehen der amerikanischen Regierung dabei nicht uneingeschränkt: Immerhin 43 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind der Meinung, dass Israel einen Genozid gegen die palästinensische Bevölkerung verübt. 28 Prozent teilen diese Aussage nicht, 29 Prozent geben an, sich nicht sicher zu sein. Diese Ergebnisse stammen aus einer YouGov-Umfrage aus den USA von August 2025. Im Zeitvergleich ist diese Einschätzung der amerikanischen Bevölkerung deutlich angestiegen: Im Oktober 2024 war nur knapp ein Drittel (32 Prozent) der Meinung, Israel verübe einen Völkermord im Gazastreifen.

In Großbritannien gaben im Juni diesen Jahres in einer YouGov-Befragung 55 Prozent der Bevölkerung an, das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen abzulehnen. 15 Prozent hatten angegeben, das Vorgehen (eher) zu befürworten, 30 Prozent gaben bei der Frage keine Antwort. Von den Personen, die Israels Vorgehen im Gaza-Streifen kritisierten, gaben zudem vier von fünf Befragten an (82 Prozent), dass Israels Vorgehen in Gaza Genozid an der palästinensischen Bevölkerung darstellt.

Negative Meinungen gegenüber dem Staat Israel nehmen zu

Im August geben zwei Drittel (67 Prozent) der Deutschen an, eine (eher) negative Meinung gegenüber Israel zu haben. Nur knapp jede und jeder fünfte Befragte (19 Prozent) hat eine (eher) positive Meinung gegenüber Israel. Damit hat sich die öffentliche Wahrnehmung gegenüber Israel in den letzten Monaten und vor allem seit dem Hamas-Angriff auf Israel deutlich verschlechtert: Im Dezember 2023 – und damit wenige Wochen nach dem Angriff am 7. Oktober 2023 – waren nur 43 Prozent der Befragten (eher) negativ eingestellt und knapp zwei von fünf Personen (39 Prozent) (eher) positiv. Diese Zeitreihen-Daten stammen aus einer regelmäßigen Abfrage, die wir im Rahmen des YouGov-Eurotracks halbjährlich erheben.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liegt die öffentliche Meinung der deutschen Bevölkerung zu Israel auf einem ähnlichen Niveau wie in Großbritannien, Italien (jeweils 69 Prozent (eher) negativ) und Frankreich (62 Prozent).

Deutlich stärker ausgeprägt ist die Ablehnung des Staates Israels in Spanien, hier geben fast vier von fünf Befragten (78 Prozent) an, eine (eher) negative Meinung zu Israel zu haben, darunter haben 58 Prozent sogar eine sehr negative Meinung (im Vergleich Deutschland „sehr negativ“: 34 Prozent). Spanien gehört zu den Ländern in der EU, die Israel am schärfsten für das militärische Vorgehen im Gazastreifen kritisieren. Dies wurde auch am letzten Freitag (19.09.25) beim Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Madrid noch einmal deutlich, als Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez seine Zustimmung für die von der EU vorgeschlagen Wirtschaftssanktionen betonte.

Deutsche Wahlberechtigen uneins in der Bewertung über die mediale Berichterstattung über Gaza

In Bezug auf die mediale Berichterstattung in Deutschland über den Krieg in Gaza sind die deutschen Wahlberechtigten geteilter Meinung: Ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger (26 Prozent) ist der Meinung, dass die deutschen Medien eher ausgewogen berichten. Knapp jede und jeder Fünfte (18 Prozent) findet, dass die Medien eher zugunsten der Palästinenserinnen und Palästinenser berichten. Etwas mehr als ein weiteres Viertel (28 Prozent) denken, dass deutsche Medien eher zugunsten Israels berichten. 27 Prozent, also etwa wiederum ein Viertel der Befragten können oder möchten sich bei der Frage nicht festlegen.

Vor allem Wählerinnen und Wähler der Linken finden, dass die deutschen Medien nicht ausgewogen und eher zugunsten Israels berichten (41 Prozent). Unter Wählerinnen und Wählern der SPD (24 Prozent) und der Union (25 Prozent) teilen rund knapp ein Viertel der jeweiligen Wählergruppe diese Meinung, und unter Wählerinnen und Wählern der Grünen (30 Prozent) drei von zehn Befragten. Die meisten Wählerinnen und Wähler der SPD (47 Prozent), der Union (33 Prozent) und der Grünen (39 Prozent) finden dagegen, deutsche Medien berichten ausgewogen zu diesem Thema (Vergleich Linke: 20 Prozent).

Am unentschlossensten sind die Wählerinnen und Wähler der AfD: Die Mehrheit dieser Wählergruppe findet, dass die Medien nicht ausgewogen berichten (ausgewogene Berichterstattung: 9 Prozent). Allerdings sind sich die Wählerinnen und Wähler uneins, zugunsten welcher Seite die Medien veröffentlichen: 28 Prozent finden, dass sie zugunsten der Palästinenserinnen und Palästinenser berichten. Mit 32 Prozent finden jedoch beinahe ebenso viele, dass die Medien zugunsten Israels berichten. 31 Prozent möchten oder können sich bei dieser Frage nicht festlegen.

Foto: Jehad Alshrafi/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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