"Click for Clarity?" – Wie valide Information die Qualität von Abstimmungsumfragen verbessert

Dr. Verena MackDirector Real Estate & Industries
Dr. Fabian BergmannResearch Consultant - Social Research
April 10, 2025, 6:41 vorm. GMT+0

Volksabstimmungen gehören zur politischen Routine in der Schweiz – für die Meinungsforschung sind sie dennoch alles andere als einfach. Denn Umfragen zur Abstimmungsabsicht – sogenannte pre-referendum surveys – werden oft zu einem Zeitpunkt durchgeführt, an dem sich viele Befragte noch kaum mit den Abstimmungsvorlagen auseinandergesetzt haben. Viele Stimmberechtigte treffen ihre Entscheidung erst kurz vor der Abstimmung – häufig beim Ausfüllen der Unterlagen zu Hause oder unmittelbar vor dem Urnengang.

Zudem erschwert eine institutionelle Besonderheit die Umfragepraxis: In der Schweiz gilt eine zehntägige Sperrfrist vor dem Abstimmungssonntag, während der keine Umfrageergebnisse mehr veröffentlicht werden dürfen. Dies macht es umso wichtiger dafür Sorge zu tragen, dass bereits früh erhobene Umfragedaten möglichst valide und verlässliche Rückschlüsse auf das tatsächliche Abstimmungsverhalten zulassen.

Für unsere jüngste Abstimmungsumfrage im Vorfeld der Umweltverantwortungsinitiative haben wir deshalb in einem Survey-Experiment getestet, ob und wie wir die Genauigkeit der erfragten Abstimmungsabsicht verbessern können.

Unser Ansatz: Informationen optional in der Umfrage bereitstellen

In unserem Experiment – vorgestellt auf der GOR 2025 – haben wir untersucht, ob sich die Prognosegenauigkeit von Umfragen erhöhen lässt, wenn Befragte während der Umfrage die Möglichkeit haben, auf einen Informationsbutton zu klicken, der offizielle, validierte Informationen zur jeweiligen Vorlage bereithält. Dazu zählten unter anderem Auszüge aus dem Abstimmungsbüchlein sowie Parteiparolen. Diese Informationen bilden für einen Grossteil der Schweizer Stimmbevölkerung eine wichtige Grundlage bei ihrer Abstimmungsentscheidung. Mit der Bereitstellung in der Umfrage wollten wir daher ein zentrales Element der Entscheidungsfindung simulieren und den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, bereits in der Befragung eine informierte Antwort auf die Frage nach ihrer Abstimmungsabsicht zu geben.

Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache:

  • Mehr Klarheit, weniger Unentschiedenheit: Der Anteil an „Weiss nicht“-Antworten sank, während der Nein-Anteil in der Gruppe, die Zugang zu den Informationen hatte, signifikant anstieg im Vergleich zur Kontrollgruppe, die diese Informationen nicht aufrufen konnte.

  • Bessere Prognosekraft: Die abgegebenen Stimmabsichten entsprachen stärker dem tatsächlichen Abstimmungsausgang. Dies gilt für die ungewichtete Befragungsrohdaten genauso wie für nachträgliche MRP (Multilevel regression with post-stratification) Modellierungen der Abstimmungsabsicht.

  • Zeitpunkt entscheidend: Je früher die Umfrage vor der Abstimmung durchgeführt wurde, desto grösser war der Effekt der Informationsbereitstellung. Die Abstimmungsabsicht über die Befragten hinweg konnte damit im Experiment bereits etwa 4 Wochen vor dem Abstimmungssonntag stabilisiert werden – ein Indiz dafür, dass mit gezielten, glaubwürdigen und relevanten Informationen der Meinungsbildungsprozess in der Umfrage angenähert und simuliert werden kann.

Fazit

Unsere Studie zeigt, dass die Qualität von Abstimmungsumfragen deutlich gesteigert werden kann, wenn man zentrale Elemente des realen Entscheidungsprozesses – wie den Zugang zu institutionellen Informationen – in das Umfragedesign integriert. Besonders in frühen Erhebungsphasen lohnt es sich, den Befragten die Möglichkeit zu geben, sich per Knopfdruck ein klareres Bild zu machen.

Informationen zur Studie: 

Dieses Forschungsprojekt wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Susumu Shikano und Steffen Stell von der Universität Konstanz durchgeführt.

Die Studie untersuchte die voraussichtliche Stimmabgabe zur Umweltverantwortungs-Initiative und wurde zwischen dem 9. Januar und dem 7. Februar 2025 erhoben, wobei die Abstimmung am 9. Februar stattfand. Quotiert wurde nach Sprachregion, Alter und Geschlecht im YouGov Schweiz (ehemals LINK) eigenen aktiv rekrutierten Panel. Die Stichprobengrösse umfasste 4'859 Personen.

Die Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen eingeteilt:

  • Treatmentgruppe (80%): Diese Gruppe erhielt einen optionalen Informationsbutton, über den sie zusätzliche Informationen abrufen konnten. Etwa ein Drittel dieser Gruppe nutzte diese Möglichkeit.
  • Kontrollgruppe (20%): Diese Gruppe erhielt keinen Informationsbutton.

Dieses Design ermöglichte es, den Einfluss von optional bereitgestellten Informationen auf die Entscheidungsfindung der Stimmberechtigten zu analysieren.

Weitere Informationen zu den Abstimmungsumfragen von YouGov Schweiz:

Abstimmungsumfrage zur Schweizer Volksabstimmung „Umweltverantwortungsinitiative“ – Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ist dagegen

Analyse zur Abstimmungsumfrage von YouGov Schweiz nach Schweizer Volksabstimmung „Umweltverantwortungsinitiative“

Foto: Peter Klaunzer/Keystone/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Weitere Daten und Artikel erkunden