Barilla-Boykott: Rewe-Kunden finden höhere Preise nicht schlimm

Philipp SchneiderHead of Marketing
März 09, 2020, 1:50 nachm. GMT+0

Rewe nimmt manche Barilla-Produkte aus den Regalen, weil der Pasta-Hersteller die Preise erhöht hat. Eine Analyse zeigt: Die Kunden hätten vermutlich wenig Probleme damit, wenn Rewe die Nudeln teurer verkaufen würde.

Davon abgesehen, dass manche Nudelregale in Supermärkten durch Hamsterkäufe wegen des Coronavirus in den letzten Tagen häufiger leer geräumt sind, verschwinden in diesen Tagen auch einige Produkte des Pasta-Herstellers Barilla – zumindest in Rewe-Filialen. Rewe begründet das mit (im November angekündigten) Preiserhöhungen durch Barilla, die dem Kundeninteresse an „stabilen Preisen“ entgegenstünden.

Was wirklich im Hintergrund bei den Gesprächen um Preis- und Lieferkonditionen passiert ist und was am Ende dazu geführt hat, dass Rewe viele Produkte von Barilla nicht mehr verkaufen will, wird der Endverbraucher wohl nie erfahren. Generell ist das Interesse von Rewe an niedrigen Preisen nachvollziehbar, schließlich steht der Lebensmitteleinzelhändler in Konkurrenz zu Edeka, Lidl, Aldi und anderen Supermarktketten.

Interesse an niedrigen Preisen ist bei Lidl-Kunden größer

Allerdings besteht durchaus die Möglichkeit, dass Rewe das Interesse an „stabilen Preisen“ durch die Kunden in der externen Kommunikation überbewertet. Ein Blick in das Zielgruppen-Analyse-Tool YouGov Profiles zeigt: So wichtig sind stabile Preise den Kunden gar nicht – wobei hier „stabil“ wohl eher als „niedrig“ zu interpretieren ist. In Rewe-Supermärkten mit stabilen, dafür aber viel zu hoch angesetzten Preisen würde schließlich niemand einkaufen.

60 Prozent der Rewe-Kunden suchen beim Einkaufen gewöhnlich nach dem niedrigsten Preis – womit zu begründen wäre, warum sich Rewe generell über die Produktpreise Gedanken macht. Aber: Unter den Rewe-Kunden ist der Wunsch nach niedrigen Preisen geringer ausgeprägt als in anderen Supermarktgängen. Das Interesse daran ist zum Beispiel unter den Lidl-Kunden deutlich größer.

Ebenfalls gilt: Ähnlich viele Rewe-Kunden geben an, für hochwertige Produkte „gerne bereit“ zu sein, mehr zu zahlen. Das ist anteilig deutlich mehr als unter der Gesamtbevölkerung. Barilla dürfte im Nudel-Segment als „hochwertig“ gelten. Und: 45 Prozent der Rewe-Kunden ist der Preis bei manchen Marken egal – auch dieser Prozentsatz ist höher als etwa bei Lidl-Kunden.

Rewe mit deutlich schlechterem Preis-Leistungs-Verhältnis

Ein weiteres Pro-Barilla-Argument: 67 Prozent der Rewe-Kunden bleiben gewöhnlich ihrer Lieblingsmarken treu. Diejenigen, die bisher Barilla gekauft haben, werden nun enttäuscht. Vielleicht hätte Rewe die Barilla-Preiserhöhung kommunizieren, aber die Wahl, ob die Produkte weiterhin gekauft werden, den Kunden selbst überlassen können. Aber wie bereits erwähnt: Wer weiß, wie die Verhandlungen zwischen Rewe und Barilla wirklich verlaufen sind und welche Folgen das Akzeptieren einer Preiserhöhung für die Gesamtstrategie der Supermarktkette hätte.

Die Daten aus dem Zielgruppen-Analyse-Tool passen übrigens zum allgemeinen Image von Rewe, teurer zu sein als etwa Aldi und Lidl. Bestätigt wird das vom YouGov-Markenmonitor BrandIndex, der ein deutlich schlechteres durch die Verbraucher wahrgenommenes Preis-Leistungs-Verhältnis von Rewe zeigt als das der Discounter.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf den Rewe-Lieferservice. Dessen Kunden neigen noch stärker dazu, nicht so sehr auf jeden Euro zu gucken, als Kunden bei Rewe selbst – und dementsprechend dürfte es hier noch wahrscheinlicher sein, dass höhere Preise für Barilla-Produkte zu keinen negativen Konsequenzen für Rewe führen würden. Es geben etwa anteilig deutlich mehr Rewe-Lieferservice-Kunden an, einen „teuren Stil“ zu haben und nur Produkte von bekannten Marken zu kaufen. 40 Prozent finden sogar bekannte Marken für gewöhnlich besser als Eigenmarken des Geschäfts.

So erschienen in der Wirtschaftswoche online.

Foto: dpa

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