Die Linke hat schwere Zeiten hinter sich. Besonders die Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknechts und der damit in Verbindung stehende Verlust des Status als Bundestagsfraktion haben der Partei zugesetzt. Auch die Umfragewerte im aktuell laufenden Wahlkampf sahen lange danach aus, als mündete die Talfahrt der Partei mit dem Ausscheiden der Partei aus dem deutschen Bundestag. Doch zum Ende des Wahlkampfs hin scheint sich das Blatt für die Linke zu wenden: In der aktuellen YouGov Sonntagsfrage kommt die Linke auf 9 Prozent – so viel wie noch nie während der aktuellen Legislaturperiode – und auch in der letzten Schätzung des YouGov MRP-Wahlmodells würde es der Partei gelingen, die Fünf-Prozent Hürde zu überschreiten. Eine aktuelle YouGov-Umfrage zeigt, wie sich die Wahlbereitschaft für die Partei im Wahlkampf gewandelt hat und welche Menschen mit der Partei sympathisieren.
Stabiler Trend: Linke überschreitet Fünf-Prozent-Hürde
Schon der letzte Einzug in den Bundestag im Jahr 2021 war für Die Linke knapp: Die Partei verpasste mit einem Zweitstimmenanteil von 4,9 Prozent haarscharf die Fünf-Prozenthürde und konnte nur aufgrund der Grundmandatsklausel in voller Stärke Teil des Parlaments werden. In den ersten Jahren der Legislaturperiode blieben die Umfragewerte stabil zwischen 5 und 8 Prozent. Unter die kritischen 5 Prozent fiel Die Linke bei der YouGov Sonntagsfrage erstmals Ende 2023 nach der Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Bis Ende Januar 2025 pendelt sich die Wahlabsicht für Die Linke endgültig auf einen Bereich zwischen 3 und 4 Prozent ein. Seit etwa drei Wochen zeigt sich nun allerdings wieder ein kontinuierlicher Anstieg in Richtung fünf Prozent und darüber hinaus, in der aktuellen Sonntagsfrage liegt die Partei sogar bei 9 Prozent.
Erfolgreicher Wahlkampf: Linke mobilisiert ihr Potenzial
Unsere Daten zeigen: Die Linke hat es in den letzten Wochen vor allem geschafft, die Ausschöpfung ihres Wählerpotenzials deutlich zu verbessern. Dieses Wählerpotenzial liegt aktuell bei rund 21 Prozent. Grundsätzlich kann sich jede und jeder Fünfte vorstellen, Die Linke zu wählen. Das Potenzial von Die Linke hat sich seit Anfang des Jahres erhöht, im Januar lag es noch zwischen 16 und 18 Prozent. Besonders gestiegen ist allerdings die Ausschöpfung des Potenzials: Noch Anfang des Jahres planten nur 20 Prozent jener Personen, die es sich grundsätzlich vorstellen können, die Partei zu wählen, dies bei der kommenden Bundestagswahl auch zu tun. Ende Januar ist dieser Wert allerdings sprunghaft auf 30 Prozent angestiegen, in der letzten Woche lag er bei 39 Prozent.
Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt es allerdings noch unklar, ob die momentan starken Werte für Die Linke bis zur Bundestagswahl am Sonntag Bestand haben werden: Knapp drei von zehn Anhängerinnen und Anhängern der Linken (29 Prozent) schwanken noch zwischen Die Linke und mindestens einer anderen Partei. Bei den anderen Parteien ist dies deutlich seltener (AfD: 14 Prozent, CDU/CSU: 16 Prozent, SPD: 19 Prozent, Die Grünen: 20 Prozent, BSW: 26 Prozent, zur FDP kann aufgrund der geringen Fallzahl keine Aussage getroffen werden).
Die Linke auf 1: Erfolgreich bei jungen Wählerinnen und Wählern
Insbesondere bei den 18-bis 29-Jährigen ist Die Linke erfolgreich: 20 Prozent der Wahlberechtigten in dieser Gruppe wollen der Partei ihre Stimme geben. In dieser Altersgruppe ist Die Linke damit die stärkste Kraft. Die Grünen landen mit 18 Prozent knapp dahinter, auf Platz drei folgt die AfD mit 17 Prozent. In allen anderen Altersgruppen schneidet die Linke mit Werten zwischen 12 (30-bis 39-Jährige und 40- bis 49-Jährige) und 6 Prozent (über 70-Jährige) deutlich schlechter ab.
Dieser Erfolg bei jungen Leuten ist im Vergleich zum letzten Bundestagswahlkampf 2021 neu: Damals schaffte es Die Linke unter 18- bis 29-Jährigen nur auf Platz 5 (9 Prozent), während die Grünen mit 27 Prozent eindeutig stärkste Kraft wurden. Geblieben ist hingegen die räumliche Verteilung der Wählerinnen und Wähler der Linken. 2021 wie 2025 ist Die Linke etwas stärker in den ostdeutschen Bundesländern (2021: 11 Prozent, 2025: 12 Prozent) als in den westdeutschen Bundesländern (2021: 6 Prozent, 2025: 8 Prozent). Auch in städtischen Gebieten ist die Partei nach wie vor erfolgreicher als in vorstädtischen oder ländlichen Gebieten (2021: städtisch: 12 Prozent, vorstädtisch: 5 Prozent, ländlich: 6 Prozent; 2025: städtisch 11 Prozent, vorstädtisch: 7 Prozent, ländlich: 8 Prozent).
Soziale Themen stehen im Fokus
Wählerinnen und Wähler, die planen, Die Linke zu wählen, haben im Vergleich zu anderen Wählergruppen einen stärkeren Fokus auf soziale Themen. Für sie sind die Themen „Schere zwischen Arm und Reich“ (49 Prozent) und „Wohnen und Miete“ (30 Prozent) zwei der drei wichtigsten Themen, um die sich Politikerinnen und Politiker in Deutschland kümmern sollten. Das Thema „Umwelt- und Klimaschutz“, das im Ranking von Wählerinnen und Wählern der Linken mit 35 Prozent Platz zwei erreicht, ist nur Wählerinnen und Wählern der Grünen (61 Prozent) wichtiger.
Migrations- und klimafreundlich - Pro Abrüstung, Contra Waffenlieferungen
Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme der Linken geben möchten, zeichnen sich außerdem durch eine mehrheitlich migrations- und klimafreundliche Haltung aus. Hierin ähneln sie Wählerinnen und Wählern, die die Grünen wählen würden. So finden in beiden Wählergruppen nur jeweils ein Viertel (die Grünen: 26 Prozent; Die Linke: 24 Prozent), dass Migrantinnen und Migranten an den deutschen Außengrenzen abgewiesen werden sollten. Über alle Wahlberechtigten hinweg sind dagegen 59 Prozent dieser Meinung.
Und auch in Fragen des Klimaschutzes unterscheiden sich Wählerinnen und Wähler von Die Linke und den Grünen von anderen Wahlberechtigten: Während unter allen Wahlberechtigten nur 39 Prozent der Ansicht sind, Deutschland habe noch nicht genug getan, um die C0-2-Emissionen zu reduzieren, liegt der Wert bei Anhängerinnen und Anhängern von Die Linke (61 Prozent) und den Grünen (78 Prozent) deutlich höher.
Anhängerinnen und Anhänger von Die Linke und den Grünen unterscheiden sich allerdings deutlich in ihrer Einstellung zu Aufrüstung und Außenpolitik. Wählerinnen und Wähler der Linken sind deutlich häufiger als alle anderen Wählerinnen und Wähler der Meinung, Deutschland solle weniger Geld für Aufrüstung ausgeben (Die Linke: 44 Prozent, die Grünen: 10 Prozent, alle Wahlberechtigten: 19 Prozent).
Foto: Robert Michael/dpa +++ dpa-Bildfunk +++