Die Deutschen verfolgen die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP wesentlich stärker als ihre europäischen Nachbarn – und sehen die Pläne weitaus kritischer.
Das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP erhitzt die Gemüter. Die Befürworter versprechen einfachere Exporte und ein größeres Wirtschaftswachstum, die Gegner des Abkommens warnen hingegen vor „Chlorhühnchen“ und einer Aushöhlung des Rechtsstaates durch private Schiedsgerichte.
Die Deutschen stehen TTIP wesentlich negativer gegenüber als ihre europäischen Nachbarn. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage im Rahmen des YouGov Eurotrackers, der in insgesamt sieben Ländern durchgeführt wurde. Dabei gaben zwei von fünf Deutschen (43 Prozent) an, dass TTIP schlecht für Deutschland wäre. Nur jeder Vierte (26 Prozent) sagte, dass das Abkommen gut wäre.
Zwar liegt der Anteil derer, die sich durch TTIP positive Effekte erhoffen, auch in den meisten anderen Ländern nicht höher als in Deutschland. Allerdings gibt es dort auch wesentlich weniger Gegner des Abkommens. Mehr als doppelt so viele Briten (62 Prozent) wie Deutsche (30 Prozent) gaben bei der Befragung an, dass sie nicht wüssten, ob TTIP eher gut oder schlecht für ihr Land sei. Auch in Frankreich (46 Prozent), Dänemark (61 Prozent), Finnland (34 Prozent) und Norwegen (kein EU-Mitglied, 66 Prozent) lag die Anzahl der "Weiß nicht"-Angaben jeweils höher als die von "gut" oder "schlecht". Zudem glauben zum Beispiel in Dänemark mehr Menschen, dass TTIP gut für Dänemark sei (29 Prozent) als dass es schlecht sei (11 Prozent). Und auch in Schweden liegen die Befürworter vorne ("gut": 26 Prozent, "schlecht": 17 Prozent).
Ein Grund für die große Unsicherheit in vielen Ländern dürfte sein, dass nirgendwo die Verhandlungen so stark verfolgt werden wie in Deutschland. Während hierzulande gerade einmal jeder Sechste (16 Prozent) sagt, er habe nichts von TTIP mitbekommen, sagt dies in Frankreich immerhin schon jeder Dritte (33 Prozent). In Großbritannien hat sogar knapp die Hälfte (47 Prozent) gar nichts von den Verhandlungen mitbekommen.
Was genau verhandelt wird, ist aber auch in Deutschland unbekannt. Denn die Unterhändler treffen sich im Geheimen. Auch das wird insbesondere in Deutschland kritisiert. Zwei von drei Deutschen würden es lieber sehen, wenn das Abkommen öffentlich verhandelt werden würde – nur jeder siebte (14 Prozent) befürwortet die Geheimhaltung. Auch hier ist die Ablehnung des Status Quo in Deutschland größer als in den anderen Ländern.
Allgemeine Kritik an Freihandelsabkommen
Freihandelsabkommen werden zudem ganz Allgemein in Deutschland kritischer gesehen. So glauben sehr wenige Deutsche (6 Prozent), dass durch solche Abkommen der Verbraucherschutz gefördert werden könnte - die Hälfte (51 Prozent) glaubt sogar, dass er sinkt. Auch um die Höhe der Löhne macht sich ein Drittel (34 Prozent) große Sorgen. Lediglich die Unternehmen könnten nach Meinung der Deutschen von Freihandelsabkommen profitieren. Daran glauben immerhin 30 Prozent. In etwa genauso viele (27 Prozent) glauben allerdings, dass Freihandelsabkommen für die Unternehmen schlecht sind.
Andere Länder sind Freihandelsabkommen deutlich positiver eingestellt. So glaubt zum Beispiel jeder zweite Finne und jeder zweite Däne (50 Prozent), dass so etwas den Unternehmen nutzt. Und nur 18 Prozent der Briten glauben, dass ein Freihandelsabkommen schlecht für den Verbraucherschutz ist.
Für den aktuellen YouGov Eurotracker wurden insgesamt 7657 Personen vom 18. bis 25. März 2015 repräsentativ befragt: 2006 Briten, 1003 Deutsche, 1018 Franzosen, 1032 Dänen, 1025 Schweden, 983 Finnen and 590 Norweger.
Fotos: Martin Meissner/AP/Press Association Images