Millionen Deutsche kaufen lieber Gebrauchtes als Neuware. Modehändler reagieren mit Second-Hand-Kategorien in ihren Shops. Die Zielgruppen-Ansprache gelingt aber noch nicht.
Nachhaltigkeitsgedanken verfangen allmählich in der Bevölkerung. Gleichzeitig müssen wegen der Coronakrise viele Haushalte sparen. Zusammen hat das einen Second-Hand-Trend ausgelöst, der sich von eBay-Kleinanzeigen über rasch wachsende „Buy Nothing“-Facebook-Gruppen bis hin zu spezialisierten Plattformen und Smartphone-Apps erstreckt, letztere ausgestattet mit reichlich Venture-Kapital. Die Modebranche sollte darauf Antworten finden, um sich frühzeitig bei den Verbrauchern zu positionieren. Ein Blick in unsere YouGov-Daten zeigt die Chancen und Potenziale des Second-Hand-Trends.
Etwa 14 Prozent der Verbraucher geben an, mindestens einmal im Monat Second-Hand-Kleidung zu kaufen, weitere 13 Prozent kaufen etwa alle zwei bis drei Monate etwas aus zweiter Hand. Von repräsentativen Daten aus YouGov Profiles hochgerechnet ergibt sich eine Zielgruppe von knapp 20 Millionen Deutschen, die sagen, dass sie lieber Second Hand als Neues kaufen.
Die wichtigsten Plattformen sind nach wie vor eBay und eBay Kleinanzeigen. Mehr als die Hälfte der Menschen, die Second Hand bevorzugen, hat in den vergangenen zwölf Monaten dort etwas Gebrauchtes gekauft. eBays Online-Konkurrenz findet sich in unserem Ranking erst hinter unkommerziellen Lösungen wie Flohmärkten und Garagenverkäufen oder dem Weiterreichen unter Freunden und in der Familie. Wohltätige Gebrauchtwarenläden wie Oxfam haben nur elf Prozent der Second-Hand-Fans genutzt.
Eine neue Second-Hand-Plattform ist Sellpy. In Schweden gestartet, ist das Unternehmen seit dem vergangenen Sommer auch in Deutschland aktiv. Mehr als 280.000 Artikel sind dort laut Website allein in der Kategorie Bekleidung gelistet. Was nach vier Wochen nicht verkauft ist, wird gespendet, recycelt oder an den ursprünglichen Besitzer zurückgeschickt. Sellpy gehört zu 70 Prozent der Modekette H&M. Dort hat man den Bedarf der Verbraucher offenbar früh erkannt – und die Entwicklung, dass Kunden ihren Wunsch nach einem neuen Style nicht mehr unbedingt mit der neuesten Kollektion befriedigen. Möglicherweise wäre H&M gut beraten, Sellpy enger an die Hauptmarke zu knüpfen, um sich und das Angebot in der Zielgruppe prominenter zu platzieren.
So lag, wohl auch Corona bedingt, der Anteil jener Verbraucher, für die ein Einkauf bei H&M infrage kommt, in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als zwei Prozentpunkte unter dem Wert des vorangegangenen Zwölfmonatszeitraums, wie unser YouGov-Markenmonitor BrandIndex zeigt. Dasselbe gilt zwar auch für C&A oder Deichmann und auch Esprit, New Yorker und Primark verloren signifikant an Kaufinteresse. Doch verlor H&M in der Gruppe jener Verbraucher, die Second-Hand-Ware bevorzugen, ganze sechs Prozentpunkte.
Gebrauchtes bei Zalando und About You
Deutlich prominenter haben sowohl Zalando als auch die Otto-Tochter About You Second-Hand-Ware in ihren Online-Shop integriert. „Pre-Owned“ heißt die Kategorie bei Zalando, „Second Love“ nennt sie About You und hebt den Menüpunkt mit einem neonfarbenen „Neu“-Label hervor. Mehr als 300.000 Artikel sollen verfügbar sein.
Der BrandIndex weist unterdessen Zalando und About You unter mehr als 60 von uns getrackten Modehändlern als die einzigen beiden aus, die in den vergangenen zwölf Monaten signifikant an Kaufinteresse zulegen konnten. Dies liegt allerdings gegenwärtig eher an der pandemiebedingten Rahmensituation und dem damit einhergehenden vermehrten Online-Einkauf, als an einer Marktdurchdringung in der Zielgruppe für Pre-Owned-Fashion. YouGov Profiles weist jedenfalls für diejenigen, die lieber Gebrauchtes kaufen, – noch – kein gesteigertes Interesse an Zalando oder About You aus: Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung kennen in dieser Gruppe deutlich weniger Verbraucher die Marke Zalando überhaupt.
Insofern bieten die Second-Hand-Angebote von Modehändlern auch das Potenzial, nicht nur eine bestimmte Kunden-Klientel zu halten, sondern ganz neue Kundengruppen auf sich aufmerksam zu machen, in den eigenen Shop einzuladen, und vielleicht sogar zum Kauf von Neuware zu bewegen.
So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.