So schlagen sich Postbank, Aldi, Handwerk, Zoll und Bahn im „War for Talents“

Philipp SchneiderHead of Marketing
Mai 06, 2019, 12:39 nachm. GMT+0

Der Kampf um qualifizierte Nachwuchskräfte ist allgegenwärtig. Das lässt sich auch in den TV-Werbeblöcken, auf Kinoleinwänden und im Social Web verfolgen. Immer mehr Unternehmen werben mit aufwändig produzierten Spots um junge Leute. Yougov wollte wissen, was potenzielle Bewerber von den Werbefilmen halten - und hat die Arbeitgeberspots von der Postbank, Aldi, Das Handwerk, dem deutschen Zoll und der Deutschen Bahn unter die Lupe genommen. Welche Kampagnen bei Young Professionals den besten Eindruck hinterlassen, verrät Yougov-Marketingchef Philipp Schneider in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online.

Wir befinden uns im Krieg, manche von uns schon seit Jahren. Auch wenn diese plakative Aussage beim Blick auf den Bildschirm nebst der Tasse Kaffee aus dem DeLuxe-Büro-Vollautomaten auf dem Schreibtisch weit hergeholt scheint: Die gerne auch martialisch als „War for Talent“ bezeichnete Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Unternehmen branchenübergreifend im Griff. Vielfältig sind die Bemühungen der Arbeitgeber, on- und offline auf sich aufmerksam zu machen. Und nicht nur Unternehmen aus der Privatwirtschaft, sondern auch Behörden, Institutionen und Interessensvereinigungen setzen neben dem Stellenmarkt in der Tageszeitung und Online-Portalen gekonnt Bewegtbild in TV und Social Media für die Mitarbeiterwerbung ein. Exemplarisch haben wir für HORIZONT Online aktuelle Arbeitgeberspots von der Postbank, Aldi, Das Handwerk, dem deutschen Zoll und der Deutschen Bahn mit YouGov Reel unter die Lupe genommen.

1. Postbank: Rohrkrepierer mit Zielgruppensprengkraft

Anders als das Image der Postbank, welches unter Markenkennern in unserem YouGov BrandIndex seit Anfang des Jahres einen dynamischen Aufwärtstrend zeigt, deutet die Reel-Echtzeitbewertungskurve auf den ersten Blick auf einen Flatliner hin. Ohne Höhen und Tiefen dümpelt die Bewertung um einen Score von 50, und somit am unteren Rand des Benchmarks, herum. Und mit einem Reel-Score@Branding von 51 ist der Spot eher ein Rohrkrepierer, als ein Anwärter für die Top-Spots des Jahres. Dynamisch ist anders, da hilft auch ein gekonnt gekickter Fußball nicht – außer vielleicht bei den 18- bis 29-Jährigen.

Ein Blick in die Altersgruppen zeigt, dass der Spot bei der potenziellen Zielgruppe durchaus funktionieren kann. So bewerten die Jüngeren den Spot deutlich besser und die Kurve nimmt einen stetigen Anstieg über den Benchmark hinaus mit einem sehr guten Peak-Score von 64 während der Treppenszene. Dabei kann die gute Bewertung bis zum Branding, welches in der jungen Zielgruppe bei einem Reel-Score@Branding von 63 erfolgt, gehalten werden.

2. Aldi: Kollateralerfolg

Der Spot von Aldi mag für einen Job in der IT-Abteilung des Unternehmens werben, doch trifft er, wohl unbeabsichtigt, auch in die Herzen einer anderen Zielgruppe: Ein Spot, der mit Prozentangaben arbeitet – wie gemacht für Marktforscher! Leider teilen nicht alle Zuschauer dessen Humor und auch wenn einzelne Szenen durchaus für den Anstieg der Reel-Kurve sorgen, beispielsweise die Schwangerschaftstest-Szene (Reel-Score 57) oder die Szene mit dem Job-Interview (Reel-Score 56), reißt der Spot zunächst nicht vom Hocker.

Erst als im letzten Drittel konkreter wird, worum es geht („Geben Sie sich nicht mit weniger als 100% zufrieden“) und die positiv besetzte Marke Aldi als Absender genannt wird, nimmt die Kurve Fahrt auf und erreicht einen Peak-Score von 60 kurz hinter dem Branding. Der Reel-Score@Branding liegt insgesamt bei durchschnittlichen 55.

3. Das Handwerk: Der Spätzünder kommt bei den Jüngeren schnell zur Sache

Das Handwerk. Artikel. Nomen. Mehr braucht es nicht, um Assoziationen von Stabilität und Zuverlässigkeit hervorzurufen. Und der „Walz World Wide“-Spot aus der aktuellen „Ist das noch Handwerk“ -Kampagne der Deutschen Handwerkskammer ist genau das: solide. Langsam und beständig steigt die Kurve und kommt zum Ende auf einen Peak-Score von 57. Der durchschnittliche Reel-Score liegt bei 54 und damit genau im Benchmark. Das Branding erfolgt passend kurz vor dem Ende bei einem Wert von 56. So weit, so gut. Beim Blick in die Altersgruppen zeigt sich allerdings auch hier deutlich mehr Dynamik, da auch dieser Spot besonders bei den bis 29-Jährigen ankommt. Die Szene, in der ein japanisches Sprichwort zitiert wird, führt bei den Jüngeren zu einem Bewertungspeak von 62. Ein leichter Abfall zum Branding hin ist noch verschmerzbar.

Auch die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen kann der Spot erreichen. Hier zeigt sich zum Ende hin sogar noch ein steigender Trend zum Zeitpunkt von Kernbotschaft und Branding. Hier ist es also ebenfalls gelungen, die Zielgruppe der potenziell Ausbildungssuchenden gezielt zu aktivieren.

4. Der Zoll: Starke Marke, hohe Wirkkraft

Ähnlich wie der Handwerksspot ergänzt der Personalsuche-Spot des Zoll die aktuell geschaltete Out-of-Home-Kampagne. Und kommt bei den Zuschauern gut an. Die Reel-Kurve steigt bis zum Ende hin schnell und kontinuierlich, wobei Sie ihren Peak von 63 kurz nach dem Branding erreicht. Dieses erfolgt bei einem Reel-Score@Branding von 60 passend bei der Einblendung des Logos samt Slogan „Für korrekte Ware im Einsatz“. Auch der Zoll als Absender scheint positiv besetzt zu sein.

Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 57 liegt der Spot insgesamt im oberen Benchmark. Anders als bei den zuvor besprochenen Spots sind es hier jedoch nicht einzelne Altersgruppen, die von der durchschnittlichen Bewertungskurve abweichen. Vielmehr ist es so, dass der Spot bei Männern tendenziell besser ankommt als bei Frauen.

5. Deutsche Bahn: In die Breite gezielt

Last but not least, der Spot der Deutschen Bahn. Anders als die Bahn im Berufsverkehr, kommt der Spot an – und zwar auf den Punkt. Zumindest beim Branding. Dieses findet genau auf dem Peak-Score von 63 statt und ist damit perfekt gesetzt. Hochwertig und sich von den Gestaltungsmerkmalen her sehr gut an kommerzielle Werbespots anschließend, zeigt die Reel-Kurve ansonsten einen idealtypischen Verlauf mit stetigem Anstieg. Das beschert dem Arbeitgeberspot der Bahn einen am oberen Rand der Benchmark liegenden durchschnittlichen Score von 57.

Auch die Ergebnisse der gestützten Abfrage zeigen, dass es sich um einen gut produzierten, ansprechenden Spot handelt. Mehr als drei Viertel der Befragten (77 Prozent), und damit deutlich mehr als im Benchmark, finden das Gesehene interessant. Ebenfalls hebt er sich, unter anderem, in den Punkten Verständlichkeit (89 Prozent), Glaubwürdigkeit (77 Prozent) und wahrgenommener Internationalität (67 Prozent) vom Durchschnitt ab. Und auch auf den für die Gesamtmarke wichtigen Dimensionen punktet die Bahn. Mehr als Vier von Fünf (83 Prozent) geben an, dass der Spot ein positives Bild der Bahn vermittelt. Für rund ein Viertel (24 Prozent) hat sich das Bild der Bahn im Anschluss verbessert. Und auch als Arbeitgebermarke profitiert das börsennotierte Unternehmen in Bundesbesitz. Die große Mehrheit (89 Prozent) gibt an, dass der Spot die Bahn als attraktiven Arbeitgeber darstellt. Fast genauso viele (87 Prozent) stimmen der Aussage zu, dass der Spot die große Jobvielfalt bei der Bahn zeige und ganze 92 Prozent stimmen der Aussage zu, dass der Spot zeige, dass man bei der Bahn mehr als nur Lokführer werden könne.

Ein Blick in die offenen Nennungen bestätigt ebenfalls, dass der Spot vieles richtig macht. Nicht nur, dass die Aussage „Wir brauchen Dich“ bei den Befragten gut im Gedächtnis bleibt. Auch die Tatsache, dass Quereinsteiger gesucht werden und die Information über die Vielfältigkeit des Jobangebots bleiben haften. In der direkten Abfrage positiv hervorgehoben werden die Qualität und die Gestaltungsmerkmale sowie das Erzähl-Tempo und die damit verbundene Prägnanz. Dies zeigt sich gut an der Aussage: „Kurze und prägnante Zusammenfassung über angebotene Ausbildungsmöglichkeiten“. Bemängelt wird am Spot, dass es keine Informationen über die einzelnen Jobmöglichkeiten und Arbeitgeberleistungen geben würde. Vereinzelt finden sich aber auch Aussagen wie: „Der Spot schafft es nicht, vom schlechten Image [der Bahn] abzulenken“, oder: „heuchlerischer Mist“ in den Kommentaren. Dies darf aber nicht davon ablenken, dass der Spot gut funktioniert und die Bahn durchaus zufrieden mit dem Ergebnis sein kann.

Fazit

Fünf unterschiedliche Spots für fünf unterschiedliche Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren. Einen Gewinner zu bestimmen, fällt hier sehr schwer. Betrachtet man ausschließlich den Reel-Score der fünf Arbeitgebersports, liegen diese vergleichsweise dicht beieinander: Aldi und das Handwerk befinden sich genau im, die Deutsche Bahn und der Zoll am oberen Rand und die Postbank am unteren Rand der Benchmark. Ein Blick auf die Altersgruppen zeigt ein weitaus differenzierteres Bild. Anknüpfend an das martialische Bild des „War for Talent“ vom Beginn, hat die Postbank eine hochpräzise Lenkrakete aufs Publikum abfeuert und bei der Potenzialzielgruppe genau ins Schwarze getroffen. Ähnlich punktet auch der Spot des Handwerks bei den Jüngeren. Die Spots von Aldi, des Zolls und der Deutschen Bahn sind im Vergleich eher Allrounder, da die Bewertungsunterschiede in den Altersgruppen nicht allzu ausgeprägt sind. Da vor allem die Bahn bewusst auch Quereinsteiger adressiert und diese Botschaft klar ankommt, ist das auch durchaus so gewollt.

Wer Interesse an den Reel-Kurven im Alterssplit hat, kann diese hier kostenlos herunterladen.

METHODE

Die Analyse der Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 25. bis 27. März 2019 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 208 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot der Deutschen Bahn wurde im Umfeld mit Arbeitgeber-Spots für Aldi, Postbank, Das Handwerk und dem Zoll getestet.

So erschienen auf HORIZONT Online.