Die Zielgruppe der Gamer wird älter und vielfältiger. So spielen etwa viele Deutsche in Führungsverantwortung gerne Konsolen- oder Computerspiele. Für Werbetreibende wird das Umfeld damit interessanter.
Klischees in der breiten Masse zu überwinden ist immer schwer. Das wird sich wahrscheinlich diese Woche wieder zeigen, wenn Medien über die Gamescom berichten, als wären Videospiele immer noch etwas, mit dem sich vor allem Jüngere die Zeit vertreiben. Dabei ist, wie das Magazin Gameswirtschaft schreibt, die Gamescom eine Erwachsenen-Messe. Drei Viertel aller Privatbesucher waren im vergangenen Jahr volljährig – und ein Viertel weiblich. Und das gilt nicht nur für die Messebesucher.
Gaming ist Zeitvertreib für viele Deutsche – über Geschlechter- und Altersgrenzen hinweg. Dies scheint aber in den breiten Medien, wie auch bei den Werbebudgetplanern eher langsam anzukommen. Die Agentur Jung von Matt spricht schon von COMO(„Cost of Missing Out“). Das sind die – steigenden – Kosten, die Marken tragen müssen, wenn sie zu spät auf einen sich schon länger abzeichnenden Trend aufspringen. In-Game-Werbung und Werbung in Videospiel-Optik haben gegenwärtig primär Jüngere im Fokus. Dabei lassen sich noch ganz andere Zielgruppen auf diese Weise erreichen. Zum Beispiel Führungskräfte.
Ein Blick in das Segmentierungs-Tool YouGov Profiles zeigt deutlich das bestehende Potenzial: Filtern wir nach Befragten, die im Job Führungsverantwortung haben und angeben Konsolen- oder Computerspiele zu spielen, ergibt sich eine Zielgruppe von 5,8 Millionen Deutschen. Zwei Drittel von ihnen sind männlich, der Altersschwerpunkt liegt bei 35 bis 54 Jahren. Mehr als die Hälfte von ihnen kommt auf ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3000 Euro. Es handelt sich also um eine gaming-affine Zielgruppe, die sich in vielerlei Hinsicht vom Klischee unterscheidet.
Gamer mit Geld und Lust auf Neues
Mit einem tieferen Blick in unsere Daten gewinnen die computerspielenden Chefs weiter an Profil. So sagen 73 Prozent, dass sie mindestens einmal pro Woche Sport treiben – deutlich mehr als der Bevölkerungsschnitt von 53 Prozent. Gleichzeitig zeigen sie sich überdurchschnittlich stark offen gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln, etwa um ihre sportliche Leistung zu steigern, aber auch um ungesunde Ernährung zu kompensieren. Wie im Bevölkerungsdurchschnitt sind aktuell bei den Chefs mit Spieltrieb Coca-Cola, Hohes C und Fanta die alkoholfreien Getränke, die die meisten kaufen. Aber wir sehen auch, dass die spezielle Zielgruppe speziellere Getränke mag: Führungspersonal, das Computerspiele spielt, greift beispielsweise mehr als doppelt so oft wie Durchschnittsdeutsche zu Smoothies von Innocent. Auch Vio Bio Limo steht bei ihnen besonders hoch im Kurs. Und sie geben mehrheitlich an, gerne neue Getränke zu probieren – eine Steilvorlage für Getränkeproduzenten.
Erreichen können Werbetreibende die Gamer-Chefs gut in sozialen Netzwerken. Sie sind häufiger als der Bevölkerungsschnitt aktiv auf Twitter, Xing und Linkedin, aber auch auf Snapchat und Instagram. Auch im Gaming-Umfeld selbst wäre Werbung gut platziert. Immerhin 21 Prozent der Deutschen mit Führungsverantwortung, die Videospiele spielen, verfolgen auch E-Sports-Übertragungen. Und bleiben dabei nicht nur passiv: Sie nehmen auch häufiger an organisierten Wettbewerben teil.
Spätestens damit sollte klar sein: Gaming, ob aktiv als Spieler oder passiv als Zuschauer, ist in unserer Gesellschaft zum weitverbreiteten Zeitvertreib geworden. So weit verbreitet, dass sich in diesem Umfeld Zielgruppen erreichen lassen, die für viele Marken, die sich gegenwärtig noch nicht im Gaming-Umfeld sehen, hoch interessant sein können.
Im Rahmen der Datenanalyse für diese Ausgabe der Kolumne haben wir neben den gamenden Chefs übrigens auch weitere Zielgruppen angeschaut. Hier können Sie kostenlos Kurzprofile zu gamenden Müttern, Hundebesitzern und Gamern in einer Beziehung herunterladen.
So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.
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