Eine erste Analyse der YouGov-Wahlumfragen und -Sitzprognosen im Vergleich mit dem Endergebnis der Bundestagswahl 2025
Mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vom 24. Februar 2025, 04:10 Uhr endet ein in vieler Hinsicht außergewöhnlicher Bundestagswahlkampf. Der Bundestagswahlkampf fand wegen des vorgezogenen Wahltermins unter großem Zeitdruck statt, die Parteienlandschaft hatte sich durch die Gründung des Bündnis Sahra Wagenknechts (BSW) verändert und die Änderung des Wahlrechts schuf neue Situationen für Wählerinnen und Wähler. Wir haben die Bundestagswahl mit der YouGov Sonntagsfrage und dem YouGov MRP-Wahlmodell begleitet und ziehen eine erste Bilanz, wie beide Instrumente funktioniert haben.
Die YouGov Sonntagsfrage vom 17.-20. Februar 2025 war unsere letzte Umfrage vor der Bundestagswahl. Im Vergleich zum Endergebnis ist dies die genaueste Umfrage von insgesamt 10 Umfragen unterschiedlicher Institute.
Bei AfD (0,80 Prozentpunkte) und Die Linke (0,77 Prozentpunkte) liegt die Abweichung der YouGov Sonntagsfrage vom Endergebnis unter 1 Prozentpunkt, bei CDU/CSU (0,48 Prozentpunkte), SPD (0,41 Prozentpunkte), BSW (0,03 Prozentpunkte), FDP (0,33 Prozentpunkte) und Sonstigen Parteien (0,42 Prozentpunkte) sogar bei weniger als 0,5 Prozentpunkten. Bei Bündnis 90/Die Grünen (1,39 Prozentpunkte) liegt die Abweichung immer noch unter 1,5 Prozentpunkten.
Die YouGov Sonntagsfrage war in der Lage, die wichtigen Trends und Veränderungen im Wahlkampf zur Bundestagswahl abzubilden. Die Daten der Sonntagsfrage zeigen, wie nach der Terror-Attacke von Aschaffenburg und der Migrationsdebatte im Deutschen Bundestag die Wahlabsicht für Die Linke kontinuierlich zunimmt und umgekehrt Bündnis 90/Die Grünen an Zustimmung einbüßen. Für das BSW zeigt die YouGov Sonntagsfrage den kontinuierlichen Rückgang der Wahlabsicht seit dem höchsten gemessenen Wert von 9 Prozent im Juli 2024 auf rund 5 Prozent bei der Bundestagswahl im Februar 2025.
Das YouGov MRP-Wahlmodell
Zum ersten Mal haben wir im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 erfolgreich ein MRP-Modell (Multi-Level Regression with Post-Stratification) zur Projektion der Wahlabsicht auf Wahlkreisebene eingesetzt.
Das MRP-Modell schätzt zunächst den Zusammenhang zwischen einer großen Anzahl von Merkmalen potenzieller Wählerinnen und Wähler und ihrer Wahlabsicht bei der Bundestagswahl 2025 in einem Mehrebenenmodell („Multi-Level Regression“). Anschließend projiziert das Modell die Wahlabsicht auf der Basis der Verteilung der jeweiligen Typen von Wählerinnen und Wählern, die das Mehrebenenmodell in Schritt 1 identifiziert hat, auf jeden einzelnen Wahlkreis („Post-Stratification“). YouGov hat diese Methode bereits sehr erfolgreich bei den britischen Unterhauswahlen 2017 und 2024 sowie bei den spanischen Parlamentswahlen 2023 eingesetzt.
Das finale YouGov MRP-Wahlmodell zur Bundestagswahl 2025 vom 20.02.2025 sagte in 91 Prozent aller Wahlkreise die Kandidatin bzw. den Kandidaten mit dem höchsten Erststimmenanteil vorher. Damit ist das deutsche MRP-Modell ähnlich erfolgreich wie das MRP-Modell zur britischen Unterhauswahl 2024 (92 Prozent aller Wahlkreise korrekt vorhergesagt).
Das MRP-Modell zeigte den großen Erfolg der AfD in den ostdeutschen Bundesländern und die Ausnahmen von diesem allgemeinen Trend (die Siege der Linken in „Erfurt – Weimar – Weimarer Land II“, „Leipzig II“ und der SPD in „Potsdam – Potsdam Mittelmark II – Teltow – Fläming II“). In den westdeutschen Bundesländern zeigte das MRP-Modell die Wahlkreisgewinne der CDU und CSU von der SPD im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Gleichzeitig zeigte das MRP-Modell 80 Prozent der Wahlkreise, die die SPD verteidigte, im Voraus korrekt.
Das MRP-Modell schätzte auch die Wahlabsicht für die Zweitstimme auf Bundes- und auf Landesebene. Die Projektion des MRP-Modells für die Sitzverteilung des 21. Bundestags zeigte korrekt einen Bundestag mit 6 Parteien (CDU/CSU, AfD, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, SSW).
Da das MRP-Modell die Wahlabsicht für Wahlkreise (Erststimme), Bundesländer (Zweitstimme) und Deutschland insgesamt (Zweistimme) schätzt, konnten wir auf Basis seiner Ergebnisse die Anzahl der von Zweitstimmen ungedeckten Wahlkreise schätzen. Anhand der MRP-Modellierung schätzten wir die Anzahl der nicht gedeckten Wahlkreise bundesweit auf 24 – tatsächlich sind nach der Wahl 23 Wahlkreise ungedeckt. Für die CDU schätzten wir 12 ungedeckte Wahlkreise (tatsächlich: 15), für die CSU 1 Wahlkreis (tatsächlich 3). Für die AfD schätzten die Ergebnisse des MRP-Modells 9 ungedeckte Wahlkreise (tatsächlich 4) und für die SPD 2 (tatsächlich: 1).
Aus unserer Sicht sind 3 Faktoren zentral für die genauen Ergebnisse der YouGov Sonntagsfrage und des YouGov MRP-Wahlmodells bei der Bundestagswahl 2025. Der wichtigste Grund ist die Qualität unserer Daten. Wir besitzen unser eigenes Panel und haben deshalb eine besondere Beziehung zu den Menschen, die unsere Befragungen beantworten. Weil wir langfristig im Austausch mit unseren Panel-Mitgliedern stehen, haben wir unmittelbar Einblick in die Meinungen und Ansichten von hunderttausenden von Menschen aus Deutschland. Aus diesem Grund haben wir ein grundlegendes Verständnis von der Lebenswelt dieser Menschen. Deshalb können wir statistische Modelle entwickeln und umsetzen, die ohne dieses Verständnis nicht möglich wären und mit denen wir sowohl unsere Sonntagsfrage als auch unser MRP-Modell so genau wie nur möglich durchführen können.
Der zweite Faktor ist unsere Expertise. In unserem multi-professionellen Team arbeiten Expertinnen und Experten aus Politik- und Sozialforschung, Data Science und Panel-Administration Hand in Hand.
Der dritte Faktor ist unsere Innovationskraft. Unsere wegweisende MRP-Methodik, die wir 2017 in die Industrie eingeführt haben, basiert nicht nur auf herausragender Datenqualität und Expertenwissen, sondern auch auf dem Einsatz fortschrittlicher Technologie, die uns erlaubt, diese Vorteile umfassend zu nutzen.
YouGov setzt seit fast einem Jahrzehnt MRP-Modelle ein. Wir haben einen erfolgreichen Track Record und – fast noch wichtiger – einen Ansatz entwickelt, mit dem wir unsere Technologie mit unserer Erfahrung und unserem Expertenwissen verknüpfen können. Im selben Maße, wie sich Wählerinnen und Wähler sowie Wahlen verändert haben, haben wir unsere MRP-Methodik angepasst und weiterentwickelt.
Wir arbeiten weiter daran, unseren Ansatz und unsere Methoden zu verbessern. Wir werden auch unsere Arbeit zur Bundestagswahl 2025 gründlich evaluieren und analysieren, wo und wie wir unsere Sonntagsfrage und unser MRP-Modell verbessern können und wie wir diesen Ansatz in anderen Bereichen unserer Arbeit einsetzen können. Grundlage unserer Arbeit bleibt unser Panel, seine Mitglieder und die Möglichkeit, uns fortwährend mit Menschen zu ihren Ansichten, Meinungen und Überzeugungen austauschen zu können.
Wählerinnen und Wähler haben ihr Wahlverhalten – wie fast überall in den westlichen Demokratien – verändert. Die Bundestagswahl 2025 stellte darüber hinaus ganz besondere Anforderungen an die Umfrageforschung. Deshalb sind wir besonders stolz, mit der YouGov Sonntagsfrage und dem YouGov MRP-Wahlmodell bei dieser Wahl so erfolgreich gewesen zu sein.