Nach dem Dieselskandal war ihr Image ramponiert, aber die deutschen Autobauer haben keine Kunden verloren. Wie haben Audi, BMW, Mercedes und vor allem Volkswagen das gemacht?
Vor vier Jahren (genau: am 18. September) wurde öffentlich bekannt, dass Volkswagen eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge verwendete. Was dann begann, wurde in Deutschland der Dieselskandal genannt. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia listet ihn unter „Abgasskandal“, dessen Artikel übrigens länger ist als zum Beispiel der über das „Römische Reich“. Immer wieder kamen neue Erkenntnisse ans Licht, und am Ende waren es dutzende Modelle verschiedenster Automarken, bei denen fragwürdige oder sogar illegale Abschalteinrichtungen und Software entdeckt wurden. Doch der Dieselskandal bleibt eng mit der Marke VW verknüpft.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Nachrichten über den Abgasskandal vor vier Jahren mehrheitlich negativ wahrgenommen wurden. Im YouGov-Markenmonitor BrandIndex ist das sehr deutlich zu erkennen: Im Buzz, der genau das darstellt, fiel der Wert für Volkswagen von +15 auf -68 . Um das einzuordnen: Einen solchen Verlust in so kurzer Zeit hat es in der BrandIndex-Geschichte auf dem deutschen Markt wahrscheinlich noch nie gegeben.
Kaufinteresse für Auto von VW gesunken
Der Imageverlust von Volkswagen nahm seinen Lauf: Allgemeiner Eindruck , Qualitätswahrnehmung, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit, Beliebtheit als Arbeitgeber, Weiterempfehlungsbereitschaft – alles sank in den Keller. Und hätte man nur diese Daten zur Verfügung und wüsste man nicht, dass es sich bei der analysierten Marke um Volkswagen handelt, hätte man leicht den Eindruck gewinnen können, das entsprechende Unternehmen stehe kurz vor der Insolvenz.
Und tatsächlich: In Deutschland und mindestens auch in den USA, Großbritannien und Frankreich sank der Consideration-Wert deutlich. Dieser gibt an, wie viele Menschen bei einem möglichen Autokauf die Marke VW generell in Betracht ziehen. In Deutschland fiel der Wert um über zehn Prozentpunkte, was normalerweise einen spürbaren Verlust von Kunden bedeutet.
Warum normalerweise?
Weil die Autobranche eigene Regeln hat. Während zum Beispiel bei Elektrogeräten für den Haushalt gilt, dass ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auch viele Kunden bedeutet, ist dieser Zusammenhang bei Autos nicht erkennbar. Wäre er vorhanden, müssten aktuell mehr Menschen Skoda und Dacia kaufen als Opel und Ford. Tun sie aber nicht. Und auch die Weiterempfehlungsbereitschaft und die Qualitätswahrnehmung helfen nicht weiter: Denn demnach hätten Audi, Mercedes und BMW die meisten Kunden. Die hat jedoch: Volkswagen. Und zwar sowohl vor als auch nach dem Abgasskandal (die Zulassungsstatistik des Kraftfahrbundesamtes bestätigt die Zahlen).
Was auf den ersten Blick kurios erscheint: Volkswagen hat in Deutschland nicht nur die meisten Kunden, sondern deren Zahl ist nach dem Diesel-Skandal auch gar nicht signifikant gesunken. Rein nach Kundenzahlen heißt das: Der Dieselskandal hat für Volkswagen keine Rolle gespielt.
Audi, BMW und Mercedes: Kundenzahl ebenfalls stabil
Alles, was für Volkswagen gilt, gilt auch für Audi, Mercedes-Benz und BMW – allerdings in einer anderen Intensität. Die drei Marken haben ebenfalls an Ansehen verloren, zumal Mitte 2017 ein weiterer größerer Einbruch der Image-Werte kam, nachdem bekannt wurde, dass sich deutsche Autokonzerne über Jahre abgesprochen haben könnten.
Aber auch für Audi, Mercedes und BMW gilt: Der Dieselskandal hat keine Kunden verprellt. Mercedes verkauft aktuell sogar ein bisschen mehr als einen Monat vor dem Diesel-Gate. Audi und BMW sind nahezu unverändert.
Genauso viele Autos verkaufen bei gleichzeitig schlechterem Image – wie ist das möglich? Die Erklärung ist vermutlich vielschichtig:
• Kunden bleiben ihrer Marke treu: Mindestens 40 Prozent derjenigen, die gegenwärtig Audi, BMW, Mercedes oder VW fahren, würden sich aktuell wieder für ein Auto ihrer Marke entscheiden .
• VW und andere Marken haben in den vergangenen Jahren Treue- und andere Verkaufsprämien angeboten. So räumte VW auf manche Modelle mehrere tausend Euro Rabatt ein, wenn ein alter Diesel nachweislich verschrottet wurde.
• Ein Aspekt, der für die Verkaufszahlen relevanter ist als zum Beispiel das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis, ist Werbung. In der Werbewahrnehmung haben BMW, Mercedes-Benz und Audi zwar nicht sonderlich zugelegt, VW dagegen schon. Speziell direkt nach dem Bekanntwerden des Software-Einsatzes gaben deutlich mehr Menschen an, Werbung für VW wahrgenommen zu haben.
• Zwar ist bei einigen Automarken das Image gesunken – Mercedes-Benz, Audi und BMW belegen in diesem Wettbewerb aber immer noch die vordersten drei Plätze. Allerdings ist der Abstand zu den Verfolgern geringer geworden. Toyota fehlen auf BMW nur drei Punkte.
Ein weiterer Faktor, welcher den durch den Dieselskandal betroffenen Automobilbauern beim Gras-über-die-Sache-wachsen-lassen in die Hände spielt, ist die bevorstehende Wende weg vom Verbrenner hin zum Elektromotor. In der nächsten Woche werfen wir daher einen Blick auf das Thema Elektromobilität aus Verbrauchersicht, deren Einschätzung über die Zukunftsfähigkeit deutscher Autobauer, sowie Anforderungen an die E-Autos von morgen.
So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.
Foto: dpa