YouGov-Umfrage im Nachgang der Europawahl 2024
Die Ergebnisse der Europawahl haben in vielerlei Hinsicht für Gesprächsstoff gesorgt: Alle an der Regierungskoalition beteiligten Parteien schnitten vergleichsweise schlecht ab, während die Oppositionsführerin CDU/CSU als klare Wahlgewinnerin hervorging. Außerdem erlangte die AfD ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl und das erst im Januar gegründete BSW erreichte ganze 6 Prozent der Stimmen.
Ergebnisse einer aktuellen YouGov-Umfrage zeigen, wie die Deutschen die Ergebnisse der Wahl bewerten, wie sie in die Zukunft blicken und welche Themen welchen Wählergruppen besonders wichtig sind.
Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) gibt an, (eher) unzufrieden mit dem Ergebnis der Europawahl zu sein. Zwei von fünf Befragten (40 Prozent) sind dagegen (eher) zufrieden. Außerdem zeigt sich mehr als die Hälfte der Befragten (eher) (54 Prozent) über das Ergebnis besorgt, während rund ein Drittel (36 Prozent) angibt, darüber (eher) nicht besorgt zu sein.
Besonders unter jüngeren Befragten häufen sich die negativen Bewertungen: Nur 34 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sind mit dem Ergebnis (eher) zufrieden – das sind 6 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung. Auch die Besorgnis ist in der jungen Altersgruppe mit 60 Prozent am stärksten ausgeprägt und liegt ebenfalls 6 Prozentpunkte höher als in der Gesamtbevölkerung.
Wie viele Medien nach dem Wahltag berichteten, unterscheiden sich die Wahlergebnisse zwischen West- und Ostdeutschland deutlich. Trotz des unterschiedlichen Wahlverhaltens sind jedoch keine deutlichen Unterschiede bei der Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis zu erkennen. Die Zufriedenheit mit dem Ausgang der Wahl liegt unter Befragten aus Westdeutschland bei 40 Prozent, unter Befragten aus Ostdeutschland bei 42 Prozent (vs. Unzufriedenheit West: 50 Prozent, Ost: 50 Prozent)
Mehrheit nicht überrascht über den Ausgang der Europawahl
Trotz der hohen Unzufriedenheit und Besorgnis kam das Wahlergebnis dennoch nur für etwas mehr als jeden dritten Deutschen (36 Prozent) (sehr stark oder etwas) überraschend. 57 Prozent der Befragten geben dagegen an, wenig oder überhaupt nicht überrascht über das Ergebnis zu sein.
Auch hier unterscheiden sich die jüngeren Befragten zwischen 18 und 29 Jahren deutlich von der Gesamtbevölkerung: Der Anteil derer, die angeben, dass sie das Ergebnis (sehr stark oder etwas) überrascht hat, liegt mit 47 Prozent um 11 Prozentpunkte höher als der Anteil in der Gesamtbevölkerung. Unter Befragten der Altersgruppe 50 bis 59 Jahre geben fast zwei Drittel der Befragten an, wenig oder überhaupt nicht über das Ergebnis überrascht zu sein.
Ein Drittel der Wähler traf Wahlentscheidung aus Enttäuschung über andere Parteien
Danach gefragt, ob die Wahlentscheidung aus Überzeugung für eine bestimmte Partei oder aber aus Enttäuschung über andere Parteien getroffen wurde, wählte etwa ein Drittel der Befragten (32 Prozent) die Option „Enttäuschung über andere Parteien“. Der Großteil der Befragten (59 Prozent) gab dagegen an, aus Überzeugung für die jeweilig gewählte Partei gestimmt zu haben.
Drei Viertel (75 Prozent) der Wählerinnen und Wähler der Grünen geben an, aus Überzeugung für die Partei gestimmt zu haben, dies ist unter allen betrachteten Wähler-Gruppen der höchste Wert. Besonders niedrig ist der Wert unter Wählerinnen und Wählern des BSW (47 Prozent) – was wenig überrascht angesichts der Neugründung der Partei im Januar dieses Jahres. Zum Vergleich: Die Grünen aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt zu haben, geben nur 16 Prozent der Befragten an, während dieser Wert beim BSW bei 42 Prozent liegt.
Die häufig als Protestpartei beschriebene AfD wurde genauso häufig (60 Prozent) aus Überzeugung gewählt wie die CDU/CSU (60 Prozent). Gleichzeitig ist hier jedoch der Wert der Wählerinnen und Wähler, die aus Enttäuschung über andere Parteien für die AfD gestimmt haben, mit 36 Pozent etwas höher als bei der Union (31 Prozent).
Zudem war für knapp die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) die Bundespolitik für die Wahlentscheidung ausschlaggebend. Die Europapolitik war für 38 Prozent der Befragten wahlentscheidend. Dies deutet darauf hin, dass die Ergebnisse der Europawahl auch vor dem Hintergrund der innerdeutschen Verhältnisse und Debatten betrachtet werden müssen.
Wichtigstes Thema bei den Europawahlen eindeutig Einwanderung und Asylpolitik
Das Thema Einwanderung und Asylpolitik ist das mit Abstand am häufigsten ausgewählte wahlentscheidende Thema: Zwei von fünf Befragten (42 Prozent) wählten dieses unter sieben anderen Optionen (einschließlich der Optionen „Sonstiges“ und „Weiß nicht / keine Angabe“) als das Thema, das bei der Wahlentscheidung die größte Rolle gespielt habe, aus. Weit dahinter liegen Klima und Umwelt (13 Prozent) auf Platz zwei und Verteidigung und Sicherheit (11 Prozent) auf Platz drei.
Zwischen den verschiedenen Wählergruppen gibt es hier allerdings deutliche Unterschiede. Besonders für Wählerinnen und Wähler der AfD und der Grünen war die Wahlentscheidung stark themenabhängig. So war das Thema Einwanderung und Asylpolitik für Wählerinnen und Wählern der AfD im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch einmal deutlich wichtiger: Drei Viertel der Befragten dieser Gruppe (76 Prozent) gaben an, dass dieses Thema bei der Wahlentscheidung die größte Rolle gespielt habe. Auf dem zweiten Platz folgt für die AfD Wählerschaft das Thema Wirtschaft mit 7 Prozent. Alle anderen abgefragten Themen wurden nur von zwischen zwei und drei Prozent der Befragten ausgewählt.
In der Gruppe der Wählerinnen und Wähler der Grünen war dagegen Klima und Umwelt für die Mehrheit am relevantesten für die Wahlentscheidung, es wurde von 56 Prozent der Befragten ausgewählt. Für 22 Prozent war es das Thema Einwanderung und Asylpolitik, Verteidigung und Sicherheit landet mit 10 Prozent auf Platz drei. Keiner anderen Wählergruppe ist das Klima dabei annähernd so wichtig wie den Wählerinnen und Wählern der Grünen: AfD 3 Prozent, BSW 3 Prozent, CDU/CSU 7 Prozent, SPD 9 Prozent.
(Anmerkung: Die Gruppen der Wählerinnen und Wähler der FDP und der Linken wurden hier nicht berücksichtigt, da die jeweilige Stichprobengröße deutlich unter 100 Personen umfasste.)
Erwartete Auswirkungen der Wahlergebnisse auf Politikbereiche
Bezüglich der Auswirkungen des Wahlergebnisses auf das zentrale Thema Einwanderung und Asylpolitik sind die Befragten sehr gespalten: 39 Prozent der Befragten geben an, (eher) positive Auswirkungen zu erwarten. 38 Prozent der Befragten gehen dagegen von (eher) negativen Auswirkungen aus. Im zweitwichtigsten Bereich Klima und Umwelt sind die Erwartungen deutlich getrübter: 42 Prozent der Deutschen glauben an (eher) negative Auswirkungen, 31 Prozent sind (eher) optimistisch gestimmt. Das Gegenteil ist für den Bereich Verteidigung und Sicherheit zu beobachten, hier erwarten 43 Prozent (eher) positive und nur 31 Prozent (eher) negative Entwicklungen.
Dies sind Ergebnisse einer aktuellen YouGov Umfrage, die zwischen dem 14. und 19. Juni 2024 mittels standardisierter Online-Interviews durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind gewichtet und repräsentativ für wahlberechtigte Deutsche ab 18 Jahren.
Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP +++ dpa-Bildfunk +++