Vier von fünf Deutschen verurteilen das Vorgehen der türkischen Regierung nach dem gescheiterten Staatsstreich – zwei Drittel glauben sogar an eine Regierungsbeteiligung.
15.000 Beamte hat das türkische Bildungsministerium in den vergangenen Tagen beurlaubt, Websites werden blockiert, Sendelizenzen gekündigt und Wissenschaftlern die Ausreise verweigert. Doch auch schon die ersten Reaktionen der Erdogan-Regierung auf den versuchten Putsch am vergangenen Freitag hatten hierzulande für Kopfschütteln gesorgt. Denn die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen hielt schon die Absetzung und Festnahme tausender Militärs und Richter in den Tagen nach dem Putschversuch für unangemessen – und sieht Erdogan als „Gewinner“ der Geschehnisse.
Das ist das Ergebnis einer aktuellen YouGov-Umfrage. Demnach sagen zwei Drittel der Befragten (64 Prozent), dass sie die Festnahme mehrerer Tausend Militärs und Richter für „sehr unangemessen“ halten, weitere 18 Prozent finden sie „eher unangemessen“. Lediglich 6 bzw. 3 Prozent der Befragten sagen, die Reaktion der Erdogan-Regierung sei „eher“ oder „sehr angemessen“.
Auch aufgrund seiner Reaktionen sagen viele Beobachter im In- und Ausland, Präsident Erdogan werde gestärkt aus dem gescheiterten Putsch hervorgehen und seine Macht weiter festigen. Schließlich versammelten sich noch Freitagnacht alle Parteien im türkischen Parlament hinter der Regierung.
Und auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung (61 Prozent) ist der Überzeugung, dass Erdogan gestärkt aus der Sache hervorgehen wird. Lediglich 12 Prozent der Befragten sehen ihn geschwächt.
Dass der misslungene Staatsstreich so positiv für den Staatschef verlief, lässt natürlich Verschwörungstheorien sprießen. Noch in der Nacht von Freitag auf Samstag wurden erste Stimmen laut, die Erdogan eine Inszenierung des Putsches vorwarfen. Auch wenn das nicht nachgewiesen wurde – in der öffentlichen Meinung hat es Spuren hinterlassen – zumindest in Deutschland. Denn immerhin zwei von drei Befragten (66 Prozent) halten es für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“, dass die Regierung Erdogan etwas mit dem Putsch zu tun hatte.
Neben den politischen Folgen könnte die Situation übrigens auch einen Effekt auf den Tourismus im Land haben. Denn deutlich mehr Menschen halten die Türkei für ein gefährliches Reiseziel. Während vor einem Jahr nur jeder zehnte Befragte hierzulande (10 Prozent) die Türkei auf einer Skala von 0 („sehr sicheres Reiseziel“) bis 5 („sehr gefährlich“) auf die höchste Stufe setzte, tun dies jetzt dreimal so viele (30 Prozent). Eine verschwindende Minderheit (1 Prozent) ordnet das Land am anderen Ende der Skala ein.
Legt man – wie beim Ländervergleich vor einem Jahr – den Durchschnittswert der Anworten zu Grunde, zeigt sich die Veränderung noch eindrücklicher. Lag dieser vor einem Jahr noch bei 2,9, ist er heute mit 3,9 deutlich höher. Und dass sich die Menschen in der Wahl ihres Reiseziels durchaus von Sicherheitsbedenken leiten lassen, zeigen nicht zuletzt mehrere YouGov-Umfragen.
Auf Basis des YouGov Omnibus wurden 2137 Personen im Zeitraum vom 18. bis 20. Juli 2016 repräsentativ befragt.
Foto: Depo Photos/ABACA/PA Images