Stabile Parteipräferenzen: Die Zustimmungswerte der Schweizer Parteien

Dr. Fabian BergmannResearch Consultant - Social Research
Dr. Verena MackDirector Social Research, Real Estate & Industries
Dezember 18, 2025, 10:35 vorm. GMT+0

Das YouGov Stimmungsbarometer zu den aktuellen Parteipräferenzen in der Schweiz

Das Jahr 2025 neigt sich seinem Ende zu und die Schweiz hat mittlerweile etwas mehr als die Hälfte der laufenden Legislaturperiode des nationalen Parlaments hinter sich. Die letzten Nationalratswahlen fanden am 22. Oktober 2023 statt, die nächsten sind auf den 24. Oktober 2027 terminiert. Ein guter Zeitpunkt also, um Bilanz zu ziehen, wie sich die Parteipräferenzen innerhalb der Bevölkerung entwickelt haben.

Das YouGov Stimmungsbarometer zeigt, dass die aktuellen Parteipräferenzen der wahlberechtigten Bevölkerung weitgehend mit den Wahlentscheidungen von 2023 übereinstimmen. Dennoch gab es seit der letzten Nationalratswahl interessante Entwicklungen in den Zusammensetzungen der Parteianhängerschaften, die durch das Stimmungsbarometer sichtbar werden. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus Umfragen, die wir seit Mai 2024 jeweils im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen im Online-Panel von YouGov Schweiz durchgeführt haben. Dabei wurden die Teilnehmenden unter anderem gefragt, welche Partei sie am ehesten Wählen würden, wenn am nächsten Sonntag in der Schweiz Wahlen wären.

Um die Ergebnisse des Stimmungsbarometers richtig einzuordnen, ist es wichtig zu betonen, dass es sich um statistische Schätzungen der Zustimmungswerte für einzelne Parteien zum jeweiligen Erhebungszeitpunkt handelt. Das bedeutet, es wird geschätzt, wie die Stimmanteile ausfielen, wenn zu diesem Zeitpunkt gewählt würde und eine ähnliche Wählerschaft wie bei der Wahl 2023 teilnähme. Weitergehende Informationen zum verwendeten Schätzmodell finden sich im Abschnitt «Methodik».

Die Lage zum Jahresende 2025: SVP mit deutlichem Abstand vorne, Grüne und GLP unter 10 Prozent und nun gleichauf

Aktuell liegt die SVP mit 28 Prozent an erster Stelle, gefolgt von der SP mit 18 Prozent. Die Mitte liegt in der Gunst der Wahlbevölkerung aktuell bei knapp 15 Prozent, die FDP bei etwa 14 Prozent. Aufgrund der statistischen Unsicherheit der Schätzung kann jedoch nicht eindeutig bestimmt werden, welche der beiden Parteien aktuell mehr Zuspruch erhält. Ähnlich verhält es sich bei den Präferenzen für die Grünen und die GLP, die beide aktuell bei gut 8 Prozent liegen.

Viel Stabilität im Zeitverlauf

Die Parteienpräferenzen der Stimmberechtigten zeigen sich über einen längeren Zeitraum hinweg ausgesprochen stabil. In den vergangenen rund eineinhalb Jahren sind lediglich geringe Verschiebungen in der Parteipräferenz zu beobachten, die sich meist im Bereich von wenigen Prozentpunkten bewegen.

So lag die SVP über längere Zeit bei Zustimmungswerten von rund 26 Prozent. Über die Herbstmonate hinweg konnte sie ihre Präferenzwerte bis in den Oktober hinein leicht auf etwa 29 Prozent steigern. Nach aktuellem Stand war diese jedoch eher temporär: Bereits im November ist ein leichter Rückgang auf 28 Prozent festzustellen. Damit liegt die SVP aktuell wieder auf einem Niveau, das dem Resultat der Nationalratswahl 2023 entspricht.

Noch konstanter präsentieren sich die Werte der SP. Mit einer Parteienpräferenz von rund 18 Prozent erreicht sie das Ergebnis der letzten Nationalratswahl. Über die vergangenen eineinhalb Jahre hinweg kam es lediglich zu sehr geringen Schwankungen von etwa einem Prozentpunkt.

Ein vergleichbares Bild zeigt sich auch bei der Mitte und bei der FDP. Die Mitte verzeichnet über die Zeit Schwankungen von rund einem Prozentpunkt und liegt aktuell bei etwa 15 Prozent Zustimmung. Die FDP bewegt sich mit rund 14 Prozent in einem etwas breiteren, aber ebenfalls moderaten Schwankungsbereich von rund zwei Prozentpunkten. Beide Parteien unterscheiden sich damit kaum vom jeweiligen Resultat der Nationalratswahl 2023 und weisen eine hohe Stabilität auf.

Die stärksten Veränderungen im Vergleich zur Nationalratswahl 2023 lassen sich bei den Grünen und der GLP feststellen. Auch diese belaufen sich jedoch lediglich auf rund einen Prozentpunkt: Während die Grünen verlieren, kann die GLP hinzugewinnen. Damit liegen die Präferenzwerte von Grünen und GLP derzeit auf einem sehr ähnlichen Niveau.

Insgesamt zeichnen sich die Präferenzen in der Parteienlandschaft derzeit durch eine solide Basis und eine bemerkenswerte Stabilität aus. Aktuell gibt es keine Anzeichen für grundlegende Verschiebungen im Hinblick auf die Nationalratswahl 2027.

Verschiebungen zwischen den Anhängerschaften

Trotz der grossen Konstanz in den Parteipräferenzen seit den letzten Nationalratswahlen lassen sich interessante Dynamiken in den Anhängerschaften der Parteien ausmachen. Beispielsweise profitiert die GLP nicht direkt von den Verlusten der Grünen. Von denjenigen, die noch 2023 die Grünen wählten, präferieren stattdessen aktuell 10 Prozent die SP (siehe Abbildung «Aktuelle Parteipräferenzen nach Wahlentscheidung 2023»). Die GLP zieht dagegen momentan sowohl Wählerinnen und Wähler an, die 2023 für die SP stimmten, als auch ehemalige FDP- und Mitte-Wählerinnen und Wähler (jeweils rund 5 bis 6 Prozent derjenigen, die aktuell GLP präferieren).

Auch unter der aktuellen SVP-Anhängerschaft finden sich einige vormalige Wählerinnen und Wähler von FDP und Mitte. 6 Prozent derjenigen, die 2023 die Mitte wählten und 3 Prozent derjenigen, die damals die FDP wählten, präferieren momentan die SVP. Gleichzeitig würden jedoch 4 Prozent derjenigen, die 2023 die SVP wählten, aktuell eine der kleineren Parteien (Übrige) wählen.

Unterschiedliche Präferenzen in verschiedenen Gesellschaftsgruppen

Gesamthaft betrachtet scheint die momentane Lage eindeutig: Die SVP erhält mit Abstand am meisten Zuspruch, gefolgt von einem engen Feld, das SP, FDP und Mitte unter sich ausmachen, bevor GLP und Grüne nahezu gleichauf den Abschluss der grossen Parteien bilden. Innerhalb der verschiedenen Gesellschaftsgruppen zeigen sich jedoch spannende Verschiebungen des Gesamtbilds.

Differenziert nach Altersgruppen zeigt sich beispielsweise, dass die aktuellen Präferenzen der 18- bis 29-Jährigen deutlich von denen der älteren Wahlbevölkerung abweichen. Hier liegen SVP und SP mit etwa 21 Prozent nahezu gleichauf, während die Grünen mit 13 Prozent in dieser Altersgruppe ihre höchsten Beliebtheitswerte verzeichnen können. Die SVP hingegen wird besonders in den Altersgruppen 30 bis 44 und 45 bis 59 präferiert und erreicht dort jeweils Werte von etwa 30 Prozent. Auch in der Gruppe 60+ gibt es mit 28 Prozent noch viel Zuspruch für die SVP, hier schneidet jedoch insbesondere die Mitte mit 17 Prozent stärker ab als im Gesamtergebnis. Die Grünen hingegen sind mit 6 Prozent deutlich abgeschlagen unter den Präferenzen der ältesten Bevölkerungsgruppe.

Ein Vergleich zwischen den Geschlechtern zeigt, dass die SP eindeutig höheren Zuspruch von Frauen erfährt. Hier liegt sie aktuell bei 21 Prozent. Auch die Grünen schneiden beim weiblichen Teil der Wahlberechtigten stärker ab. Unter den Männern gibt es deutlich stärkere Präferenzen für die SVP und leicht stärkere für die FDP. Bei der Mitte und der GLP finden sich hingegen kaum Geschlechterunterschiede.

Noch deutlicher als zwischen Frauen und Männern unterscheiden sich die aktuellen Parteipräferenzen jedoch hinsichtlich der höchsten abgeschlossenen Bildungsstufe. Zwar ist die SVP auch in der Gruppe der Wahlbevölkerung, die über einen tertiären Bildungsabschluss (Hochschulabschluss oder vergleichbares) verfügt, noch die beliebteste Partei, landet mit 20 Prozent jedoch nur noch knapp vor der SP. In der Gruppe ohne tertiären Bildungsabschluss kommt die SVP dagegen auf gut 34 Prozent, während die Präferenzen für Grüne, GLP und auch für die FDP hier deutlich schwächer ausgeprägt sind als unter Akademikerinnen und Akademikern.

Insgesamt bestätigt sich durch diese Differenzierungen das Bild, dass Parteien aus dem linken und grünen Spektrum ihr grösstes Potenzial an Wählerinnen und Wählern innerhalb der jungen und weiblichen Bevölkerung mit hoher formaler Bildung finden. Die Präferenzen für Parteien der politischen Mitte unterscheiden sich hingegen weniger stark zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen. Die SVP wiederum hat ihre grösste Anhängerschaft innerhalb der Wahlbevölkerung ohne Hochschulabschluss, mittleren Alters und bei den Männern.

Fazit

Das YouGov Stimmungsbarometer zeigt, dass die Parteipräferenzen der wahlberechtigten Schweizerinnen und Schweizer über die erste Hälfte der aktuellen Legislaturperiode des Nationalrats überwiegend stabil geblieben sind. Zwar sind innerhalb der verschiedenen Anhängerschaften einige interessante Wechsel gegenüber der Wahlentscheidung von 2023 zu verzeichnen, im Gesamtresultat erhalten die meisten Parteien aktuell jedoch in etwa so viel Zuspruch, wie sie 2023 Stimmen erhielten. Lediglich das Kräfteverhältnis zwischen den Zustimmungswerten für GLP und Grüne hat sich momentan ausgeglichen.

Bis zu den Nationalratswahlen wird es daher spannend sein weiterhin zu beobachten, ob diese Stabilität anhält, oder ob sich neue Dynamiken ergeben. War das Hoch der SVP im Herbst 2025 eher temporär oder gewinnt sie noch weiter dazu? Bleibt es beim Gleichstand zwischen Grünen und GLP? Und welcher Partei gelingt es am besten, über ihr Kernklientel hinaus an Zustimmung zu gewinnen? Um solche und viele weitere Fragen zu beantworten, wird das Stimmungsbarometer von YouGov auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die Parteipräferenzen der Schweizerinnen und Schweizer detailliert analysieren.

Methodik

Die oben präsentierten Resultate basieren auf Umfragen, die die YouGov Schweiz AG (ehemals LINK Marketing Services AG) als Eigenstudien mittels Online-Interviews unter den Mitgliedern des unternehmenseigenen Schweizer YouGov Panels durchgeführt hat. Die Mitglieder des Panels sind aktiv rekrutiert und haben der Teilnahme an Online-Interviews zugestimmt. In insgesamt 9 Erhebungen wurden Teilnehmende in repräsentativen Stichproben, quotiert nach Alter, Geschlecht und Sprachregion, befragt. Die Stichproben bildet die Grundgesamtheit der wahlberechtigten Bevölkerung der Schweiz ab 18 Jahren hinsichtlich dieser Quotenmerkmale ab.

Die Feldzeiten und Stichprobengrössen verteilen sich wie folgt:

MRP-Modellierung:

Die Schätzungen der Parteipräferenzen erfolgte mit einem sogenannten Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation (MRP). Dabei wird in einem statistischen Verfahren die Beziehung zwischen einer Vielzahl von Merkmalen der Wahlberechtigten und ihrer Präferenzen – d.h., welche Partei sie aktuell am ehesten wählen würden – geschätzt. Das Modell identifiziert so unterschiedliche Gruppen der Wahlbevölkerung, für die die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Partei am ehesten wählen zu wollen, berechnet wird. Als Gruppen berücksichtigen wir die verschiedensten Kombinationen aus Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Wahlentscheidung 2023 und Kanton.

Für Gruppen, für die nur wenige Beobachtungen zur Verfügung stehen, kann die Mehrebenenregression die Schätzung durch die Daten von ähnlichen Gruppen verstärken. Die Schätzung auf Gruppenebene wird mit Hilfe der bekannten Bevölkerungsanteile (Daten des BFS Schweiz) auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Wie bei jeder Messung mit Befragungsdaten ist die MRP-Modellierung der Parteienpräferenz mit Unsicherheit behaftet. Daher stellen wir in der Abbildung «Parteipräferenzen über die Zeit» für die Zustimmungswerte jeder Partei «Konfidenzintervalle» an. Das Konfidenzintervall soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent den wahren Anteil einschliessen. Einfach ausgedrückt – wenn auch in der Sprache der frequentistischen Statistik nicht ganz exakt – ist zu beachten, dass der wahre Wert mit grösserer Wahrscheinlichkeit näher in der Mitte des Intervalls liegt als an dessen Rändern.

Mit der MRP-Modellierung der Parteipräferenzen möchten wir einen Beitrag zur grösseren Vielfalt und Transparenz in der Meinungsforschung leisten. Neben den inhaltlichen Erkenntnissen, die unsere Analysen der Öffentlichkeit bieten, präsentieren wir einen neuen Vergleichswert, der es ermöglicht, verschiedene Umfrageansätze und deren Ergebnisse besser einzuordnen. Wir sind uns bewusst, dass MRP-Modelle bei der Analyse von Parteienpräferenzen in der Schweiz einen relativ neuen methodischen Ansatz darstellen. Wir arbeiten stetig daran, unsere Methoden zu prüfen und zu verbessern. Als empirisch arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fühlen wir uns dazu verpflichtet, innovative Methoden einzusetzen und zu testen, um die Messung von politischen Präferenzen und politischer Stimmung zu verbessern und Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, die zeigen, was die Welt denkt.

Die Grafiken können hier kostenfrei heruntergeladen werden.

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