Diese Hersteller überzeugen mit ihren E-Auto-Spots

Philipp SchneiderHead of Marketing
November 24, 2020, 6:58 vorm. GMT+0

Die meisten deutschen Autofahrer stehen elektrischen Fahrzeugen äußert skeptisch gegenüber. Die Hersteller und ihre Agenturen müssen daher noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Dabei treffen nicht alle Marken mit ihren Kampagnen den richtigen Ton, wie der aktuelle Yougov-Werbecheck zeigt. Yougov-Experte Philipp Schneider hat analysiert, welche E-Auto-Spots die potenziellen Kunden elektrisieren - und welche nicht.

Es ist eine Binsenweisheit, dass sich die automobile Welt ändert. Und auch, dass es zumindest so wirkt, dass die Branche hierzulande zunächst eher zäh auf die Veränderungen reagierte, statt die Transformation zur E-Mobilität aktiv mit großen Schritten und technologischen Innovationen voranzutreiben. Zwar hat sich in den letzten Monaten viel getan. Die Absatzzahlen steigen und es kommen immer mehr vollelektrische Autos oder Hybrid-Varianten auf den Markt. Doch gibt es unter deutschen Verbrauchern im internationalen Vergleich deutliche Skepsis gegenüber den Alternativen zum reinen Verbrenner, wie eine unserer aktuellen Studien zeigt.

Neben Bedenken zur Verfügbarkeit von Ladestationen, Batterielebensdauer sowie Anschaffungs- und Betriebskosten machen sich die Verbraucher auch Gedanken über die allgemeine Performance – kurz, ob man mit einem E-Auto denn überhaupt zügig vom Fleck kommt, wenn man das Pedal durchdrückt. Aufklärung und gezielte Kommunikation seitens der Automobilbauer tut also Not, um den Verbraucher zu überzeugen. Um zu schauen, wie sich die Autobranche den Herausforderungen stellt, testen wir in unserem YouGov Reel Werbecheck die neue E-Mobilitäts-Kampagne von Volkswagen "Way To Zero" gegen aktuelle E-Mobilitäts-Spots von Opel, Mazda, Skoda und Seat.

Opel verspielt Pointe

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Opel versucht sich in dem neuen Spot zum Opel Grandland X Plug-in-Hybrid an einem Spiel mit Stereotypen: Wir beobachten einen Mann dabei, wie er einem Bekannten begeistert – und auch ein wenig prahlerisch – von den Eigenschaften seines (Traum-)Autos vorschwärmt. Elektrischer Allrad-Antrieb, 300 PS, voller Fahrspaß – aber vor allem "Nicht gerade günstig". Als die beiden am Parkplatz ankommen, kommt die Pointe: Der bisher stille Zuhörer steigt mit einem lässigen: "Außer Du kaufst Dir einen Opel Grandland X", in das soeben beschriebene Fahrzeug ein und lässt seinen Kompagnon mit offenem Mund stehen.

Leider funktioniert der als netter Twist gedachte Plot bei den Zuschauern nicht so gut. Die Szene dauert den Zuschauern viel zu lang und nimmt Spannung und Geschwindigkeit aus dem Spot heraus. Als Ergebnis fällt die Reel-Kurve fast während des gesamten Spots und verläuft die meiste Zeit unterhalb der neutralen Benchmark-Linie. Zwar haucht die Pointe der Reel-Kurve noch einmal etwas Leben ein, aber trotz eines leichten Anstiegs schafft sie es nicht mehr zurück in den neutralen Benchmark-Bereich. Mit einem Reel-Score von 48 erzielt der Opel-Spot den schwächsten Score unter den fünf getesteten Spots.

Mazda nimmt den kurzen Weg

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Mazda fokussiert sich in seinem Werbespot für den voll-elektrischen MX-30 auf den Ladevorgang. Auch wenn das Fahrzeug nach eigenen Aussagen die richtige Batteriegröße für den Alltag aufweist, was uns unter dem Begriff "Rightsizing" nähergebracht wird, bräuchten die Zuschauer in diesem Fall definitiv etwas mehr Bums im Spot, was die Reel-Kurve zeigt. Die verläuft nämlich über den gesamten Spot flach, mit einem sehr kleinen Anstieg nur in der zweiten Hälfte des 20-Sekünders.

Unterm Strich landet der Mazda Spot mit einem soliden Reel-Score von 52 im unteren neutralen Benchmark-Bereich. Bei Zuschauern bis 29 Jahre kommt der Spot im Übrigen deutlich besser an: In dieser Altersgruppe erzielt er einen Durchschnittswert von 56, im Vergleich dazu in den beiden älteren Altersgruppen (30 bis 49 Jahre und 50 Jahre und älter) jeweils einen Score von 51.

Skoda – kein Auto für die Zukunft?

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Im Spot "Recharge Life" fragt Skoda sich und uns "Was bringt uns der ganze Fortschritt?" und beantwortet diese Frage dann im Spot für den neuen Skoda ENYAQ iV so: Skodas voll-elektrische Autos sind nicht für die Zukunft, sondern für uns. Was wohl so viel bedeuten soll wie: für das hier und jetzt. Von der Sprecherin im Spot werden wir aufgefordert, uns umzuschauen und was wir dann (angeblich) sehen, ist: "überall Techno-Gadgets, Sci-Fi Nonsens, die Zukunft". "Wo bleibt da der Spaß?", fragt Skoda, und wir fragen uns, macht Fortschritt denn keinen Spaß? Das würden die meisten vermutlich anders sehen.

Skoda will wahrscheinlich einfach darauf hinaus, dass die E-Mobilität keine abstrakte Technik sein sollte, sondern ein Mittel zum Zweck, das wir schon jetzt nutzen, um das Leben mit all seinen wundervollen Momenten zu genießen. Eigentlich eine sehr schöne Botschaft. Leider wird das im Spot nicht richtig klar und so verläuft die Reel-Kurve bis kurz vor Schluss unterhalb der neutralen Benchmark-Linie. Mit einem Reel-Score von 50 landet der Spot zwar noch so gerade eben im neutralen Bereich. Einiges an Potential ist hier jedoch möglicherweise durch das etwas unklare Storytelling liegen geblieben.

"Bad Guy" im sauberen E-Hybrid

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Seat inszeniert seinen schicken Leon e-Hybrid als Bestandteil des Images eines "Bad Guys". Mit dem gut gelaunten Fahrer steigen wir in sein voll aufgeladenes Auto ein, starten den namensgebenden Track von Grammy-Preisträgerin Billie Eilish und brausen los durch die Stadt. Das Highlight des Spots ist ohne Frage der Moment, an dem unser Bad Guy mit seinem E-Hybrid nicht etwa über Rot brettert, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern – ganz im Gegenteil – bei Grün nicht sofort losfährt. Ganz einfach, weil es in der Musik gerade eine Pause gibt. Erst im perfekten Moment, beim Wiedereinsetzen des Beats, gibt der Fahrer Gas. Passendenderweise steht auf dem Kennzeichen "DARE" - "etwas wagen".

Der kurzweilige Gute-Laune Spot, bei dem man sich leicht mitreißen lässt, zumindest mit dem Fuß im Takt zu wippen, kommt an. Zwar erzielt der Spot mit 53 nicht den höchsten Durchschnitts-Wert in diesem Werbecheck, trotzdem landet der Spot im guten Mittelfeld. Besonders die Tanzszenen bringen Punkte, die Reel-Kurve steigt deutlich ab den ersten Moves vor und im Barber-Shop und bleibt nach der hippen Tanz-Einlage vor dem Schaufenster des Elektroladens konstant auf einem guten Niveau. Beim Branding verzeichnet die Kurve zwar einen leichten Knick nach unten, trotzdem fährt Seat mit dem Bad Guy, der sich was traut, eine gute Strategie. Besonders gut kommt der Spot bei der jüngsten Altersgruppe an, hier erzielt der Spot einen signifikant besseren Reel-Score von 63 (vs. 53 bei den 30-49-Jährigen und 50 bei Zuschauern ab 50 Jahren).

Ohne schlechtes Gewissen Gas geben mit Volkswagen

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Kommen wir zu guter Letzt zu unserem Testspot "Way To Zero" über den neuen vollelektrischen ID.3 von Volkswagen. Der Automobil-Hersteller aus Wolfsburg gibt sich, ähnlich wie auch schon Skoda, zu Beginn des Spots nachdenklich. Zu ruhiger Musik und atmosphärischen Naturaufnahmen fragen die Macher des Spots "Warum jetzt ein Elektro-Auto"? Und natürlich gibt es die Antwort direkt dazu: "Weil es jetzt ein Volkswagen ist". Doch dabei bleibt es nicht – um diese Begründung zu untermauern, fährt VW so einiges an Fakten auf und thematisiert dafür beispielsweise die Reichweite. Auch das Aufladen (fast so einfach "wie bei einem Smartphone") und das Beschleunigen (ab jetzt "ohne schlechtes Gewissen möglich") werden hervorgehoben, womit auf die Verbraucherbedenken gegenüber E-Mobilität aufgegriffen werden. Tatsächlich bleiben auch genau diese Punkte bei vielen Zuschauern und Zuschauerinnen als Kernaussagen des Spots hängen. Der Kampagnen-Claim "Way To Zero" und die Aussage "Unser gemeinsamer Weg zu Null Emissionen" bleiben ebenfalls, wenn auch nicht immer im exakten Wortlaut, bei vielen im Kopf.

Gemixt werden die Fakten zum neuen ID.3 mit stimmungsvollen Naturaufnahmen, wie etwa eine Serpentinen-Straße durch einen Wald von oben betrachtet, einem Strand oder einem Mohnblumenfeld. Dadurch soll die Verbundenheit zur Umwelt, die durch das eingesparte CO2 geschützt wird, deutlich werden. Und das kommt auch an: Viele Befragte heben die Natur-Szenen und die Atmosphäre des Spots in den offenen Nennungen positiv hervor. Wie schon bei Seat (wir erinnern uns an das Kennzeichen "DARE") wird auch bei VW der Mut thematisiert, den nächsten Schritt "zu wagen" und in umweltfreundlichere Technologie zu investieren. Das kann man dann vermutlich sowohl auf Hersteller- als auch auf Kunden-Seite beziehen.

Moderner Spot mit traditionellen Markenwerten

Im Vergleich zum Benchmark wirkt der Spot von Volkswagen überdurchschnittlich bodenständig und traditionell, gleichzeitig aber auch modern und stark. Dazu wirkt er besonders passend zur Produktkategorie (87 Prozent). VW schafft es also, sowohl modern zu wirken, wie auch die Brücke zu den traditionellen Markenwerten zu schlagen. Allerdings wird er als deutlich weniger humorvoll als andere Spots wahrgenommen und hebt sich auch nicht besonders von anderen Spots ab.

Alles in allem kommt der Spot aber gut an, was die Reel-Kurve beweist. Bis auf einen kurzen Einbruch relativ zu Anfang steigt die Kurve bis zum Schluss an und hält auch während des Brandings ihr gutes Niveau, was ein Indikator dafür sein kann, dass die Kampagne langfristig positiv auf das Image von Volkswagen einzahlt. Mit einem guten Reel-Score von 55 landet der Spot im oberen Mittelfeld und erzielt den höchsten Reel-Score der fünf getesteten Spots zu E-Autos. Wie schon zuvor bei den anderen Spots kommt der Clip bei den jüngeren Zuschauern (bis 29 Jahre) deutlich besser an und erzielt in dieser Altersgruppe einen Durchschnitts-Score von 60.

Der Funke springt noch nicht richtig über

Insgesamt werden alle Spots durchschnittlich bewertet. VW macht aber einiges richtig und schafft es so, sich trotzdem von den anderen Spots abzusetzen: So versteift Volkswagen sich nicht auf ein Detail, sondern geht in dem Clip etwa auf all die Aspekte ein, die Autofahrern beziehungsweise potentiellen Kunden sofort in den Kopf kommen und demnach sehr wichtig sind: Wie weit ist die Reichweite, wie leicht geht das Laden und wie viel Leistung hat das Auto. Darüber hinaus setzt Volkswagen auf schöne Landschaftsaufnahmen, in Kombination mit dem Appell an gute Werte und hohe Ziele. Beides funktioniert erfahrungsgemäß gut. VW schafft es, diese erfolgsversprechenden Stilmittel mit attraktiven Hard Facts über den neuen ID.3 zu mischen und kreiert damit eine gute Kombi.

Aber auch Seat kommt mit seiner Strategie, einfach direkt die jungen Fahrer anzusprechen gut an. Es werden explizit keine Naturaufnahmen gezeigt, dafür wird das E-Auto als cooles Accessoire nach dem sich alle umdrehen, definiert. Der mitreißende Beat, die hippen Tanz-Intermezzi und generell das urbane Setting gefallen besonders der jüngsten Altersgruppe, aber nicht nur der. Die anderen Spots haben es im Gegensatz zu VW und Seat schwerer auf- und nicht durchzufallen.

Vor ein paar Monaten haben wir schon einmal Werbespots zu alternativen Mobilitätsformen getestet. Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es noch ein wenig dauern wird, bis Elektromobilität bei den Verbrauchern salonfähig geworden ist. Auch jetzt sind wir wohl noch nicht an dem Punkt angekommen. Bemerkenswert ist jedoch, dass ausnahmslos alle fünf Spots bei jüngeren Zuschauern besser ankommen, was die altersgruppenspezifischen Reel-Scores zeigen. Die Reel-Werte und unsere Studienergebnisse verdeutlichen, dass die jüngere Generation grundsätzlich empfänglicher für alternative Mobilitäts-Strategien und im Besonderen für Elektromobilität ist, und dass wir gerade dabei sind, in das ganze Thema E-Autos hineinzuwachsen.

DIE METHODE

Die Analyse der Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 29. Oktober bis 02. November 2020 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 213 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot von VW wurde im Umfeld mit Werbe-Spots für Opel, Mazda, Skoda und Seat getestet.

So erschienen auf Horizont Online.