Innovationen im Gesundheitswesen sind unerlässlich, um den stetig wachsenden Herausforderungen in der medizinischen Versorgung gerecht zu werden. Ein Bereich, der besonders im Fokus steht, ist die Entlastung von Ärztinnen und Ärzten, insbesondere angesichts des bevorstehenden Ärztemangels in der Schweiz. Ein aktueller Report von YouGov Schweiz betrachtet diese Frage aus Patientenperspektive und diskutiert verschiedene Ansätze, um die Brücke zwischen neuen Technologien und der Schweizer Bevölkerung zu schlagen.
Laut Daten des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) besteht bereits heute ein Mangel an Hausärzten, und dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich verstärken. Das klassische Hausarzt-Modell erfreut sich in der Schweiz jedoch weiterhin grosser Beliebtheit. Während herkömmliche Lösungsansätze meist mittel- oder langfristig wirken, werden daher aktuell neue (digitale) Lösungsansätze entwickelt, um den Versorgungsengpass kurzfristig abzufedern.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung grundsätzlich sehr zufrieden mit ihren Hausärzten ist. Entsprechend macht es die hohe Zufriedenheit mit dem Status Quo schwieriger, Menschen zu Veränderungen zu bewegen.
Ärztemangel wird erwartet – Folgeprobleme ebenso
Mehr als die Hälfte der Befragten erwarten einen Mangel an Ärzten in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Der Mangel und die Probleme werden für die gesamte Schweiz signifikant stärker eingeschätzt als für die eigene Gemeinde (sowohl für die Stadt- als auch für die Landbevölkerung). Somit tendieren viele Personen dazu, die Gefahr eines Versorgungsengpasses für andere etwas stärker einzuschätzen als für sich selbst. Auf eine ähnliche Weise zeigen die Daten, dass sich Personen, welche die Gesundheitsversorgung öfter in Anspruch nehmen, des Problems eher bewusst sind: Personen, die angeben weniger gesund zu sein, sowie Menschen in höherem Alter erwarten den Ärztemangel eher. Dies trifft auch für Frauen, Menschen mit höherem Haushaltseinkommen sowie Personen, die mit der aktuellen Gesundheitsversorgung unzufriedener sind, zu.
Die Schweizer Bevölkerung zeigt zudem grundsätzlich eine gewisse Offenheit für potenziell entlastende Lösungen, insbesondere dann, wenn es um bereits etabliertere Kontaktoptionen wie die Online-Terminvereinbarung oder Telekonsultationen geht. Die Anwendungsbereitschaft variiert jedoch je nach Art der Lösung; gerade Lösungen, die in Verbindung mit künstlicher Intelligenz stehen, werden aktuell eher abgelehnt. Immerhin etwa ein Drittel der Befragten wäre offen gegenüber unterschiedlichen Ansätzen, die den Menschen mehr Eigenverantwortung geben würden.
Insgesamt zeigt sich, dass Menschen, die den Ärztemangel erwarten, sowie Personen, die mit der aktuellen Gesundheitsversorgung zufriedener sind, sich auch eher zu neuen Lösungen bereit erklären. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Ältere und weniger gesunde Personen sind alternative Lösungen gegenüber weniger offen. Dies ist insofern ein Dilemma, da diese Zielgruppen einen hohen Anteil der Nachfrage der Gesundheitsversorgung ausmachen und bereits über ein vergleichsweise hohes Bewusstsein für das Problem verfügen. Die Ergebnisse der Studie sprechen also dafür, dass aktuelle Lösungen nicht die Bedürfnisse dieser Zielgruppen abdecken.
Gewidmete Zeit beim Arztbesuch wichtiger als Praktikabilität
Wie aber sehen die Bedürfnisse der Bevölkerung bei einem Arztbesuch aus? Es zeigt sich, dass gerade zwischenmenschliche Kompetenzen wie Vertrauen, Freundlichkeit und genügend Zeit für die Patienten von grösster Bedeutung sind. Nur einem kleinen Segment ist es wichtig, Arzttermine schnell und effizient von zuhause aus abwickeln zu können. Das grosse Potential von entlastenden Lösungen ist demnach selten die Technologie an sich, sondern die Zeit, die diese Ärzten verschafft, um sich an den entscheidenden Stellen intensiver mit den Patienten auseinanderzusetzen.
Dies sind Ergebnisse einer Umfrage im Rahmen von YouGov Surveys. Der Report wurde in Kooperation mit NZZ Connect anlässlich der Future Health Basel 2024 erstellt. Die Befragung wurde im aktiv rekrutierten und verifizierten Schweizer Onlinepanel von YouGov durchgeführt. Es wurden 1’216 in der Schweiz wohnhafte Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren (repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Sprachregion verteilt, jeweils auf Deutsch, Französisch oder Italienisch) befragt. Die Umfrage fand vom 09. bis 20. Februar 2024 statt.
Weitere Ergebnisse finden Sie im vollständigen Report, der über untenstehenden Link heruntergeladen werden kann.