Eis am Stiel trifft auf Langhanteln: McFIT läuft am Zuschauer vorbei

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Februar 06, 2017, 6:00 vorm. GMT+0

Das Jahr 2017 ist erst wenige Tage alt und doch ist anzunehmen, dass viele Deutsche ihre zu Silvester getroffenen Vorsätze für das neue Jahr schon wieder gebrochen haben. Denn aus der Psychologie wissen wir, dass es kaum etwas Schwierigeres gibt, als erworbene Verhaltensweisen zu ändern. Zu den klassischen guten Vorsätzen gehört der Wunsch nach mehr Sport und weniger Körpergewicht. Das zeigt beispielsweise eine YouGov-Umfrage zum Jahreswechsel: 50 Prozent der Deutschen wollen 2017 mehr Sport treiben, 46 Prozent möchten abnehmen und 41 Prozent wollen sich gesünder ernähren. In diese Kerbe stoßen die Anbieter von Fitnesskursen, Sportutensilien und Betreiber von Fitnesscentern.

Kaum ein TV-Kanal oder Online-Auftritt und kaum eine Innen- oder Außenwerbefläche ist zu Beginn des Jahres ohne entsprechende Werbung. Auch die Fitnessmarke McFIT nimmt den Jahreswechsel und das 20-jährige Bestehen des Unternehmens zum Anlass, kräftig die Werbetrommel zu rühren. Ob der TV-Spot die Zuschauer begeistert und von der Couch reißt, oder ob sie doch lieber sitzenbleiben, haben wir in unserem Werbecheck mit YouGov Reel getestet.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Zufällig ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 17. bis 20. Januar 2017 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 205 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für ING-DiBa, IKEA, Eurowings und Adidas getestet.

Sex sells – diesmal nicht

Mit einem knapp an der neutralen Bewertung schrammenden Reel-Score von 49 zeigt sich der McFIT Spot nicht als Outperformer. Vielmehr bewegt er sich wie ein Sportanfänger beim ersten Training. Leichte Peaks werden durch den kräftigeren Mann auf dem Crosstrainer und den älteren Fahrradfahrer, also die weniger klischeebesetzten Darsteller, erzeugt. Tatsächlich führen auch die „Eis am Stiel“-Szenen für leichte Anstiege in der Reelkurve. Die schwitzigen, klebrigen Muskelpakete sorgen hingegen für einen Rückgang in der vergleichsweise niedrigen Bewertungskurve. Mit dem Einblenden des Markenlogos sinkt der Spot dann sogar auf einen Tiefstwert von 46. Das ist ungewöhnlich. In vielen Fällen, in denen Werbeclips im Check weniger gut bewertet werden, sorgt häufig der Moment des Branding für einen Anstieg der Kurve, da positive Markenassoziationen beim Zuschauer geweckt werden. Nicht so hier.

Ein Blick auf die Subgruppen zeigt: Männer fühlen sich von dem Spot stärker angesprochen als Frauen, wenngleich auch nicht so übermäßig. Vor allem die in Szene gesetzten Frauen-Popos kommen beim männlichen Geschlecht deutlich besser an. Frauen hingegen reagieren bei diesen Szenen mit Ablehnung, was sich in der abfallenden Reel-Kurve widerspiegelt. Auch insgesamt können Frauen sich mit dem Spot weniger identifizieren. Positive Peaks werden beim weiblichen Geschlecht am stärksten von den „10 Kilo weniger“ und der „wir wollen immer besser werden[den]“ Frau erzeugt.

Auf die Strafbank verwiesen

Bei der Betrachtung der Ergebnisse der gestützten Befragung zeigt sich, dass sich trotz der polarisierenden „Eis am Stiel“-Szenen nur 84 Prozent der Befragten überhaupt daran erinnern einen McFIT Werbespot gesehen zu haben – in einem Test-Set von nur fünf Spots. Und gerade einmal jedem Zehnten (11 Prozent) gefällt das Gesehene sehr gut oder ausgezeichnet. Damit liegen Erinnerungsleistung und Gesamtbewertung deutlich unter Benchmark-Werten. Tatsächlich findet sich im Vergleich mit dem Bewertungsdurchschnitt aller getesteten Spots hinweg kaum eine abgefragte Dimension, in der der Werbeclip besser abschneidet. Über den Benchmark kommt der Spot bei der Bewertung der Aktivität (87 Prozent), der Markenpassung (88 Prozent) und der Passung zur Produktkategorie (83 Prozent). Dem gegenüber stehen unterdurchschnittliche Bewertungen beispielsweise in den Dimensionen Sympathie (51 Prozent), Exklusivität (32 Prozent) und Uniqueness (53 Prozent). Auch sagen weniger als zwei Drittel der Befragten (61 Prozent), der Spot sei glaubwürdig. Gerade mal ein Drittel (31 Prozent) fühlt sich durch den Spot animiert, sich über die Marke zu informieren. Umgekehrt sagen immerhin 38% der Spot vermittle kein positives Bild der Marke. Angesichts der Bewertungen ist es wenig überraschend, dass 18 Prozent, und damit fast jeder fünfte Befragte, angeben, der Spot habe das Bild der Marke verschlechtert.

Billig, nicht erotisch

Das günstige Angebot von McFIT bleibt gut in den Köpfen verankert: Fitness, und das günstig – so lassen sich die meisten Antworten der Zuschauer über die Hauptaussage des Spots zusammenfassen. Positive Aspekte des Spots werden von den Betrachtern offen kaum genannt. Wenn, fällt vor allem die deutliche Nennung des günstigen Angebots den Zuschauern positiv ins Auge. Die offenen Antworten zu den negativen Aspekten lassen dagegen einen ersten Schluss zu, woran es gelegen haben kann, dass der Spot nicht besser performt: So stößt die Aussage: „Wir sind der Arsch nach dem Du Dich umdrehst“ am Anfang auf verhältnismäßig breite Ablehnung. Diese wird von vielen und besonders den weiblichen Zuschauern als sexistisch und frauenfeindlich wahrgenommen. Die Meinung eines Befragten, die Werbung wirke billig und sexistisch, statt erotisch, spiegelt den Grundtenor in den offenen Nennungen gut wider. Auch das vermittelte Körperbild steht in der Kritik. Der „normale“ Betrachter fühlt sich von den idealisierten Darstellern und Darstellerinnen nicht angesprochen, sondern vielmehr abgeschreckt: „Weniger gut hat mir die Auswahl der Darsteller gefallen, da sich die wenigsten Leute mir solchen Körpern identifizieren können.“ und „Der Fokus auf schwitzende und durchtrainierte modelartige Menschen, es ist niemand zu sehen, der sich auf dem Weg dorthin befindet.“.

Dringender Trainingsbedarf vorhanden

Zwar erreicht der Spot anlässlich des Firmenjubiläums eines der sehr wahrscheinlich von McFIT gesetzten Ziele auf jeden Fall: Die günstigen Tarife werden deutlich wahrgenommen. Doch sollte dies nicht alles sein, was ein Spot dem Zuschauer vermittelt. Wünschen würde man sich doch wahrscheinlich auch eine positive Darstellung der Marke. Betrachtet man die Ergebnisse, so ist das leider nicht gelungen. Die Zuschauer zeigen sich vom Werbespot alles andere als begeistert.

Gleichzeitig attestieren die Befragten ihm eine überdurchschnittliche Passung zur Marke. Dies lässt zusammen mit der beim Branding abnehmenden Reel-Kurve vermuten, dass die Marke McFIT selbst noch immer einen schweren Stand in Deutschland hat. Der Spot wird nicht dabei helfen, dass sich das ändert. Für die nächste Kampagne, aber auch für die Gesamtwahrnehmung der Marke sollte das im Spot kommunizierte Mantra: „Wir wollen immer besser werden“ gelten. Hierfür kann der Ansatz des Gemeinschaftsgefühls und der Motivation, besser und fitter zu werden beibehalten werden. Dieser darf aber nicht durch starke Klischees und nicht erreichbare Schönheitsideale überdeckt werden.

So erschienen auf Horizont.net.

Bild: dpa