Gefangen in den Themenwelten

YouGov
Dezember 14, 2015, 4:05 nachm. GMT+0

Der Spargelkochtopf im April, die Thermo-Socken im Herbst und einen Monat vor Weihnachten Dessous und Schmuck für die Frauen: Das Geschäft mit den Themenwelten machte Tchibo zu dem Unternehmen, dass es alleine durch den Verkauf von Kaffee wohl nie geworden wäre. Doch der Markt scheint zunehmend schwieriger für die Kaffeeröster zu werden: Im ersten Geschäftsbericht des Jahres 2014 begründete Tchibo die nicht ganz nach Wunsch verlaufende Umsatzentwicklung mit dem „zunehmenden Wettbewerb im Non-Food-Markt“. Auch Aldi und Lidl bieten seit längerem Themenwelten. Und auch der YouGov-Markenmonitor BrandIndex zeigt, dass die Tendenz für Tchibo derzeit eher ein negatives Vorzeichen hat – wobei die Marke insgesamt immer noch sehr solide dasteht.

So geben zurzeit 36 Prozent aller derjenigen, die die Marke Tchibo kennen, an, sie würden Tchibo beim nächsten Einkauf in Betracht ziehen. Das ist kein schlechter Wert – allerdings war er vor zwei Jahren um fünf Prozentpunkte höher. Dass dies kein genereller Trend im stationären Einzelhandel ist, zeigen z.B. Marken wie dm, Media-Markt und Saturn, aber eben auch die Discounter Lidl und Aldi. Sie haben seitdem dazu gewonnen oder konnten ihre Werte zumindest auf nahezu identischem Level halten.

Mögliche Gründe für diese Entwicklung liefert der BrandIndex ebenfalls: Die Kenner von Tchibo nehmen heute vor allem die Qualität der Marke als schlechter wahr als noch vor zwei Jahren. Der entsprechende Wert ist in dieser Zeit um sechs Punkte gefallen (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkte). Die gesunkene Qualitätswahrnehmung könnte dazu beigetragen haben, dass Verbraucher den Einzelhändler heute jedenfalls seltener weiterempfehlen als noch vor zwei Jahren.

Das beste Image hat Tchibo bei denen, die 51 Jahre und älter sind, dann folgen die 31- bis 50-Jährigen, am wenigsten beliebt ist die Marke bei den Unter-30-Jährigen. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht verändert. Allerdings ist in allen Altersgruppen der Index-Wert, der mehrere Kategorien wie Allgemeiner Eindruck und Preis-Leistungs-Verhältnis zusammenfasst, gleichermaßen gesunken. Ähnlich zeigt sich die Entwicklung bei der Frage, welche Marke bei einem anstehenden Einkauf in die engere Wahl gezogen wird: Verbraucher aller Altersklassen nennen Tchibo heute seltener als noch vor zwei Jahren. Die Kunden verlieren tendenziell ihr Interesse am Kaffeehändler, der seit vielen Jahren mit interessanten und stets wechselnden Produkten punkten konnte. Irgendwann hat eben jeder den Spargelkochtopf in seinem Schrank stehen. Und auch der Trend zur Individualisierung von Produkten spricht zurzeit gegen Tchibo: Statt dem TCM-Einheitslook suchen Konsumenten mittlerweile individuellere Produkte. Besonders stark fällt der Rückgang in der wichtigen Zielgruppe der 51 und älteren aus.

Der Online-Shop tchibo.de versucht den Erfolg der Themenwelten aus den Tchibo-Filialen ins Internet zu adaptieren. Die Themenwelten gibt es dort auch – ergänzt allerdings mit dauerhaften Angeboten aus Kategorien wie Mode, Technik, Möbel, Sport, Freizeit, Garten und Haushalt. Dass Tchibo online aktiv sein muss, liegt auf der Hand. Doch im Online-Geschäft ist die Konkurrenz besonders groß. Tchibo steht im Wettbewerb zu dutzenden Allround-Shops (Amazon, Otto) und noch mehr spezialisierten (Media-Markt, notebooksbilliger.de, Zalando). Dass besonders online Tchibo das Alleinstellungsmerkmal fehlt, könnte mit eine Erklärung dafür sein, dass die Marke bei den Jüngeren zehn Index-Punkte weniger beliebt ist als bei den älteren Verbrauchern.

Geringere Qualitätswahrnehmung, gesunkene Bereitschaft die Marke weiterzuempfehlen, weniger Verbraucher, die Tchibo in die engere Wahl ziehen – das sind Herausforderungen, mit denen Tchibo umgehen muss. Aber die Marke hat auch eine gute Ausgangslage: Fast jeder vierte Deutsche ist aktuell Kunde, 40 Prozent der Markenkenner haben Werbung von Tchibo wahrgenommen, zudem ist die Zufriedenheit der Kunden beachtlich hoch – höher als die bei eBay, Globetrotter oder Galeria Kaufhof.

Die Deutschen mögen Tchibo, allerdings scheint dem Einzelhändler das Gefühl dafür abhandengekommen zu sein, den Kunden etwas zu bieten, das sie woanders nicht finden. Und Produkte anbieten, die überraschen wie in der Vergangenheit ein Einfamilienhaus oder ein Ultraleichtflugzeug. Die langsam aber stetig fallenden Werte deuten auf eine Marke hin, der ein Innovationsschub gut tun könnte.

Die vollständige Kolumne lesen Sie hier.

Bild:dpa