Arzneimittel online verkaufen: Gute Chancen für Amazon

Philipp SchneiderHead of Marketing
Februar 10, 2020, 2:02 nachm. GMT+0

Amazon könnte bald zur Online-Apotheke werden. In Deutschland stehen die Marktchancen gut: Amazon-Kunden sind besonders aufgeschlossen für Online-Infos über Arzneimittel.

Der Gesundheitsbereich gilt als milliardenschwerer Markt, und Amazon will vom Kuchen ein Stück abhaben. Nennenswerte Aktivitäten von Amazon waren hier unter anderem die Übernahme der US-amerikanischen Online-Apotheke PillPack im Jahr 2018 und die vor kurzem durchgeführte Umbenennung in „PillPack by Amazon Pharmacy“. PillPack war unter anderem dadurch bekannt geworden, einzelne Pillen-Dosen mit Datum und Uhrzeit zu versehen, sodass die Patienten genau wissen, ob sie die Tabletten zum entsprechenden Zeitpunkt schon eingenommen haben oder nicht.

Nicht nur, dass Amazon jetzt ein Unternehmen mit Apotheken-Lizenz gehört, zeigt das Engagement des Online-Händlers im Gesundheitsbereich. Es gehört nicht viel dazu, zu prophezeien, dass Amazon eine erfolgreiche Geschäftsstrategie schnell vom Heimatmarkt USA auf die ganze Welt übertragen wird. Und Deutschland wäre vermutlich auch kein schlechter Standort. Darauf weisen einige Indizien hin.

Viele suchen online nach Informationen zu Arzneimitteln

Generell nutzen schon viele Deutsche Online-Apotheken. So geben im YouGov-Markenmonitor BrandIndex mindestens acht Prozent der Deutschen an, seit Beginn 2020 bei den Online-Apotheken shop-apotheke.com oder DocMorris eingekauft zu haben. Dass das Prinzip „Online-Apotheke“ funktioniert, muss also nicht erst Amazon zeigen. Davon abgesehen verkaufen manche Apotheken schon Arzneimittel über den Amazon Marketplace.

Das Zielgruppen-Analyse-Tool YouGov Profiles zeigt, dass noch mehr Deutsche der Verbindung „Arzneimittel“ und „Online“ aufgeschlossen sind. 23 Prozent geben an, sich über rezeptfreie Medikamente bei Google und anderen Suchmaschinen zu informieren. 18 Prozent nennen Online-Apotheken als Informationsquelle, 13 Prozent Gesundheitsportale.

Was Amazon besonders freuen dürfte: Amazon-Kunden nutzen diese Online-Angebote noch häufiger als die Gesamtbevölkerung. Das zeigt, dass die Affinität zum Online-Shopping nicht auf Elektrogeräte und Bücher beschränkt ist, sondern sich durchaus auch auf den Gesundheitsbereich ausweiten lässt.

Amazon-Kunden kaufen häufiger Erkältungsmittel und Co.

Ein weiterer für Amazon günstiger Umstand dürfte sein, dass Amazon-Kunden im Schnitt häufiger rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke und in Drogerien kaufen als die Gesamtbevölkerung. Sie haben auch eher einen Vorrat zuhause. Das dürfte weniger dem Umstand geschuldet sein, dass diese Menschen bei Amazon kaufen, sondern dass sie bestimmte demografische Eigenschaften aufweisen: Amazon-Kunden haben im Schnitt ein höheres Haushaltseinkommen, sind etwas häufiger verheiratet und häufiger zwischen 35 und 54 Jahre alt als die Gesamtbevölkerung. Und das ist in etwa auch die Kernzielgruppe von rezeptfreien Medikamenten.

Langfristig will Amazon auch bei verschreibungspflichtigen Medikamenten verdienen. Der Weg über die Rezeptfreien könnte in Deutschland und in anderen Ländern der Einstieg in den Markt sein. Und wie bei fast allen neuen Märkten fängt Amazon im Gegensatz zu manch anderen Unternehmen nicht bei null an: Ein eigenes Logistik-Netzwerk ist vorhanden, Amazon hat Geld und kann viele Dinge einfach mal ausprobieren.

Chance für Amazon: Online-Werbung

Hinzu kommt Amazons große Digital-Kompetenz. Die kann, ganz simpel, zum Beispiel bei der Online-Werbung für Arzneimittel zum Einsatz kommen – und zwar zielgerichtet. In YouGov-Profiles gibt eine Gruppe besonders häufig an, auf Online-Werbung und auf Werbung, die auf einen persönlich zugeschnitten ist, zu reagieren: Nämlich die, die sich online über rezeptfreie Arzneimittel informiert – zum Beispiel bei einer Online-Apotheke selbst. Für Amazon dürfte das eine Chance sein, genau jene Menschen zu erreichen, die beim Thema Online-Kauf von Arzneimitteln schon mal nicht die ganz Falschen sind.

So erschienen in der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche

Foto: dpa

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