Missglückte Wiesenhof-Werbung: Ist eh wurscht

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Juli 04, 2016, 7:12 vorm. GMT+0

Wiesenhof wird für eine Grillwurst-Werbung sogar vom Werberat gerügt. Dem Unternehmen kann es eigentlich egal sein: Das Image ist seit langem im Keller. Gekauft werden die Produkte auch so.

Im YouGov-Markenmonitor BrandIndex gibt es die Rubrik „Attention“. Wer hier ganz oben in der Liste steht, kann sich in der Regel entweder freuen oder muss sich Sorgen um seinen Ruf machen. Letzteres gilt derzeit für Wiesenhof. 20 Prozent derjenigen, die angeben, die Marke zu kennen, haben von Wiesenhof aktuell etwas gehört – keine andere Marke aus dem Sektor „Lebensmittel“ ist zurzeit so präsent in der Wahrnehmung der Verbraucher.

Die starke Präsenz ist vor allem eine Spätfolge des Großbrandes Ende März, der dazu führte, dass Wiesenhof Mitarbeiter entlassen hat. Es entstand der Eindruck, dass das Unternehmen ein Unglück nutzt, um sich von Mitarbeitern zu trennen und so Kosten einzusparen. Zum anderen trägt ein umstrittenes Video aktuell zur Aufmerksamkeit bei, in dem der Comedian Atze Schröder für eine Wiesenhof-Grillwurst wirbt.

„Entwürdigend und diskriminierend“

Das ganze Werbevideo sei geschmacklos, werfen Kritiker Wiesenhof und Atze Schröder vor – es bestehe nämlich im Prinzip ausschließlich aus Anspielungen auf ein männliches Geschlechtsteil. Noch schlimmer aber sei die indirekte Erwähnung des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers Gina-Lisa Lohfink mit dem Satz: „Danach müssen Gina und Lisa erst mal in die Traumatherapie.“

Auf Twitter verbreiteten User die Forderung, den Werberat zu informieren, der anscheinend einige gefolgt sind. Das Kontrollgremium hat reagiert und am vergangenen Dienstag den Werbeclip „als Menschen entwürdigend und diskriminierend“ eingestuft.

Die gute Nachricht für Wiesenhof: Das Video hat kaum Auswirkungen auf das Ansehen der Marke. Der Buzz, der angibt inwiefern die Verbraucher die Nachrichten über eine Marke als positiv oder negativ ansehen, hat sich seit der Berichterstattung ab dem 25. Juni über das Werbevideo im Prinzip nicht verändert. Auch ziehen heute nicht weniger Verbraucher die Marke in die engere Wahl als noch vor zehn Tagen. Der Index, der die aussagekräftigste Beschreibung eines Marken-Images liefert, ist seitdem sogar leicht gestiegen.

Video taugt nicht zur Steigerung der Beliebtheit

Doch dieser Bestandsaufnahme fehlt der Kontext. Das Wurst-Video mag Wiesenhof aktuell nicht geschadet haben, was vermutlich daran liegt, dass einfach nicht sehr viele Verbraucher davon gehört haben (über den Großbrand wurde deutlich mehr berichtet, er hatte auch eine deutlich stärkere Wirkung auf den Buzz, der direkt nach dem Brand stark verliert). Doch es passt ins Bild, das die Verbraucher von Wiesenhof haben – und das ist in so gut wie allen Belangen deutlich negativ. Selbst in Kategorien wie Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kundenzufriedenheit, die noch am ehesten vom Produkt (Geflügel, Bratwurst) und weniger von der Marke (Unternehmenspolitik, Umgang mit Tieren, Werbung) abhängig sind, belegt Wiesenhof den letzten Platz im Sektor Lebensmittel.

Trotz allem: 15 Prozent derjenigen, die Wiesenhof kennen, ziehen die Marke in Betracht wenn es um Fleisch geht. Acht Prozent der Deutschen haben in den vergangenen zwei Wochen ein Wiesenhof-Produkt gekauft. Vielleicht reicht Wiesenhof das, und das Marken-Image spielt eh nur eine untergeordnete Rolle. Dass ein Werbe-Clip mit einem Promi gedreht wird, lässt anderes vermuten – mit so etwas will ein Unternehmen normalerweise ein Produkt und eine ganze Marke positiv in der Öffentlichkeit darstellen. Zur Steigerung der Beliebtheit taugt dieses Video allerdings nicht.

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.

Bild: dpa

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