Nestlés Übernahme von Ankerkraut versetzt dessen Markenwahrnehmung einen deutlichen Dämpfer, doch mit dem internationalen Konzern im Rücken könnten sich dem deutschen Gewürz-Start-up auch neue Chancen erschließen.
Das Gewürz-Start-up Ankerkraut gehört seit kurzem zum Lebensmittelkonzern Nestlé. Die Übernahme löste eine Flutwelle von Reaktionen unter den Verbrauchern aus – inklusive Social-Media-Shitstorm und Abwendung einiger reichweitenstarker Influencer. In YouGovs Marken-Tracking-Tool BrandIndex zeichnete sich Ankerkraut bisher durch eine sehr positive Markenwahrnehmung aus. Doch seit der Übernahme leidet die Wahrnehmung der Marke unter deren Kennern. Mithilfe unseres Zielgruppen-Segmentierungs-Tools YouGov Profiles analysieren wir, wie und ob sich die Einstellungen der Verbraucher zu Ankerkraut verändert haben und werfen einen Blick in die mögliche Zukunft des Unternehmens, sowie des Mitbewerbers Just Spices.
Markenimage angekratzt
Es könnte sein, dass gerade eine der Stärken der Marke Ankerkraut dazu beiträgt, dass die Übernahme durch den bei den Verbrauchern nicht immer wohlgelittenen neuen Mutterkonzern größere Wellen schlägt, als es die Übernahme von Mitbewerber Just Spices durch Kraft Heinz Ende letzten Jahres getan hat: Ankerkraut ist eine unter Verbrauchern sehr bekannte Marke – mehr als die Hälfte der Deutschen kennt den Gewürzproduzenten. Zum Vergleich liegt die Markenbekanntheit von Just Spices in der Bevölkerung aktuell bei rund 30 Prozent. Zudem steht Ankerkraut unter Kennern für sehr gute Qualität und genießt eine hohe Reputation. Doch seit der Übernahme durch Nestlé fällt das von YouGov gemessene Image der Marke deutlich ab. Die Verbraucher scheinen sich vor den Kopf gestoßen zu fühlen, was sich nicht nur an der online geäußerten Kritik an dem Deal zeigt. Der Anteil der Markenkenner, die Ankerkraut in Betracht ziehen, hat sich fast halbiert und auch die Weiterempfehlungsbereitschaft leidet, gerade bei den Jüngeren.
Eine Chance für den Wettbewerb
Die Übernahme könnte – zumindest kurzfristig – Ankerkrauts Position auf dem Markt in Frage stellen und eine Gelegenheit für die Konkurrenz, wie etwa Just Spices, bieten. Zwar war Ankerkraut seit der Aufnahme beider Marken in unser Tracking bisher im direkten Vergleich die bekanntere und von den Verbrauchern besser wahrgenommene Marke, doch bietet die aktuelle Situation für den Wettbewerber die Chance, Boden gut zu machen. Etwa durch die gezielte Ansprache bisheriger Ankerkraut-Kunden. Dass hierfür die Kommunikation nicht komplett umgestellt werden muss, zeigt ein kurzer Blick in unsere Zielgruppen-Analyse-Lösung YouGov Profiles. Die Käuferzielgruppen beider Unternehmen überschneiden sich in vielen Punkten, wobei Just Spices aktuell eher jüngere Kunden unter 35 Jahren erreicht, die sehr an Fitness interessiert sind und viel Zeit online verbringen, während Ankerkrauts Zielgruppe älter und familienorientierter ist.
Beide Kundenstämme legen außerordentlich viel Wert auf regional und ethisch produzierte qualitativ hochwertige Produkte, hergestellt in Deutschland. Da die Wahrnehmung der Marke Ankerkraut in Bezug auf einige dieser Erwartungen leidet, bietet sich Just Spices die Möglichkeit, bisherige Ankerkraut-Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Einen ersten Hinweis hierzu gibt es bereits: Seit dem Bekanntwerden der Übernahme von Ankerkraut durch Nestlé steigt nicht nur unter Verbrauchern, sondern auch unter Ankerkraut-Kunden die Kaufabsicht für Just-Spices-Produkte.
Durch die Hervorhebung der Werte des Unternehmens und die Betonung auf regionale, qualitativ hochwertige Produkte könnte das Unternehmen diesen Trend weiter vorantreiben. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Einbahnstraße von Ankerkraut zu Just Spices: Just-Spices-Kunden ziehen nämlich auch weiterhin Ankerkraut in Betracht. Somit könnte die Marke mit den richtigen Schritten nicht nur Kunden zurückgewinnen, sondern auch Just-Spices-Kunden ansprechen. Die langfristige Bewahrung von Ankerkrauts Werten, Image und Authentizität dürften hierbei ausschlaggebend sein.
Entwicklung offen
Es bleibt abzuwarten, welche Richtung Ankerkraut in den nächsten Monaten einschlägt, doch trotz der momentanen Situation kann sich das Gewürz-Start-up auf eine solide Marken-Basis stützten und hat das Potenzial, sich künftig zu einer noch breiter etablierten Marke zu entwickeln. Aber auch Just Spices hat gute Chancen, im Markt weiter zu wachsen. Noch ist nicht abzusehen, welches Unternehmen von der aktuellen Situation am meisten profitiert und wie lange es dauert, bis Ankerkraut wieder in ruhigeren Gewässern schifft. Eine Analyse des Marktes in einigen Monaten könnte interessante Ergebnisse liefern. Die Lage bleibt also spannend.
So erschienen in der WirtschaftsWoche.