Wie Corona-Kampagnen bei den Zuschauern ankommen

Aktuell steht das gesamte gesellschaftliche Leben Kopf. Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, viele Wohn- oder Schlafzimmer und Küchen sind vor lauter Home Office nicht wiederzuerkennen. Auch was die Werbung betrifft, hat sich innerhalb kürzester Zeit einiges verändert. An die Stelle klassischer verkaufsorientierter Produkt- und Dienstleistungskommunikation mit mehr oder minder deutlichem "Jetzt kaufen!" Call-to-Action sind Brand-Building-Kampagnen getreten, die Solidarität und Miteinander in den Vordergrund stellen. Wie Corona-Kampagnen bei den Zuschauern ankommen und ob es Marken schaffen, sich positiv zu platzieren, hat Yougov in seinem Reel Werbecheck exklusiv für HORIZONT Online exemplarisch an Spots von Vodafone, Edeka, Otto, Schwäbisch Hall und Mercedes getestet.

Marken positionieren sich aktuell als verlässliche Partner und besonnene Akteure in schweren Zeiten. Und wenn das Produkt-Portfolio doch eine inhaltliche Rolle spielt, so wird häufig unaufgeregt dessen Mehrwert in diesen kritischen Zeiten thematisiert. Eine richtige Entscheidung der Kommunikationsabteilungen, wie auch unsere Daten zeigen. Und mit fortschreitender Normalisierung des Alltags wird sich die Stärkung der Marke wohl auch monetär für viele Unternehmen lohnen – vorausgesetzt ihre Message wird von der Zielgruppe gehört und bleibt im Kopf.

Edeka tanzt mit uns durch die Krise

Den offiziellen TV-Spot von Edeka können Sie sich auf Youtube ansehen

Für Supermärkte ist die Corona-Krise eine bizarre Situation. Einerseits machen sie Umsatz wie sonst nur kurz vor Weihnachten, andererseits stellen sie nun fest, welche Produkte uns Deutschen anscheinend am wichtigsten sind. Es gibt wohl kaum jemanden, der in den letzten Wochen an Toilettenpapier-, Nudel- oder Mehl-Memes vorbeigekommen ist. Edeka aber lenkt unseren Blick von den Regalen auf die Füße. In der aktuellen Kampagne "Jeder eurer Schritte" geht es um die täglichen Tanzschritte, die wir alle beim Einkaufen einlegen, wenn wir uns zwischen nun nicht mehr ganz so leeren Nudel-Regalen, bei der Einkaufswagenschlange oder an der Kasse in einer noch nie dagewesenen Choreographie aneinander vorbeidrücken. Der Takt dabei: Ein Schritt zurück füreinander, drei Schritte mehr fürs Miteinander.

Damit trifft Edeka ziemlich genau den Puls der Zeit und schafft es, das aktuelle Motto unserer Gesellschaft komplett in den Supermarkt zu projizieren: Abstand halten, um Solidarität zu zeigen. Und das kommt an. Die heiteren Bilder, die Szenen, die wir uns alle nur allzu gut vorstellen können, weil wir das genauso erst beim letzten Einkauf selbst erlebt haben und die positiven Gefühle durch das Betonen von Solidarität und Miteinander. Die kontinuierlich und schnell steigende Reel-Kurve zeigt, dass Edeka mit diesem Spot in dieser Zeit wirklich alles richtig gemacht hat. Bei dem gegen Ende des Spots geäußerten Dank, der sich an alle richtet, die sich solidarisch zeigen, steigt die Bewertungskurve sogar über den Benchmark hinaus und erreicht dann beim Branding einen Wert von 64. Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 58 liefert Edeka damit in unserem Werbecheck den besten Spot und sichert sich einen Platz im oberen Benchmark-Bereich.

Otto versorgt uns mit dem Nötigsten

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Otto gewährt uns in #WIRBLEIBENZUHAUSE einen kurzen Blick in das Wohnzimmer eines Familien-Papas, bevor die Kamera herauszoomt und wir erkennen, dass die Wohnung eine von vielen in einem großen Wohnhaus inmitten von vielen ist. Otto meint das offensichtlich symbolisch: Ihr seid nicht allein, überall um euch herum sind Leute, denen geht es gerade ganz genauso wie euch. Die Botschaft des Versandhändlers lautet dabei: Wir schicken euch alles, was ihr für's zu Hause bleiben gerade so braucht. Otto versorgt uns also mit dem Nötigsten – und das meinen wir jetzt auch im übertragenen Sinne – sowohl im Spot als auch im echten Leben beim zu Hause bleiben. Simpel, aber es funktioniert. Die Kurve verläuft zwar ruhig, steigt aber wieder während der positiven Message deutlich an. Mit einem Durchschnitts-Score von 56 landet der Spot genau in der Benchmark.

Schwäbisch Halls Liebeserklärung an Daheim

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"Lacht, weint, streitet, spielt, chattet" – in einer Art Liebeserklärung an Zuhause fordert uns Schwäbisch Hall auf, all unsere liebsten Dinge weiterhin zu tun. Nur eben momentan von zu Hause aus, dem – egal ob Wohnung, Haus oder Bungalow – "wichtigsten Ort der Welt". Mit verschiedenen Alltags-Szenen in Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer und Garten zeichnet Schwäbisch Hall das Bild vom Zuhause als Rückzugsort, an dem wir es auch in Krisenzeiten gut aushalten.

Besonders sympathisch kommt dabei die Nähe zur Realität daher, die vermutlich viele gerade genauso erleben. Arbeiten, während das Kind den Hund mit Unterlagen füttert, genervte Mitbewohner/Geschwister/Eltern, kreative Wege um den Kontakt zu Freunden, Nachbarn und Familie zu halten. Das Leben geht weiter, aber, so der Appell: "Bleibt zu Hause". Bei den Zuschauern kommt das gut an. Die Kurve steigt während des gesamten Spots konstant, und beim Branding wird sie sogar noch ein wenig steiler. Letztendlich erzielt der Spot einen guten Durchschnitts-Score von 55 und landet damit genau in der Benchmark. Damit beweist die Bausparkasse, dass es möglich ist, die Corona-Krise gekonnt und sensibel zu thematisieren und den eigenen Markenclaim erfolgreich mit positiven Bildern und solidarischen Botschaften zu verbinden.

Mercedes steht still und fährt damit gut

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Im Mercedes-Spot "Danke an alle, die ihr Bestes geben" steht nicht nur das geparkte Auto still, auch sonst passiert auf der Bildebene nicht besonders viel. Allerdings mag das erstens dem Tempo, mit dem Mercedes als einer der ersten auf die besondere Lage reagiert hat, geschuldet sein. Zweitens lässt der Solidaritätsgedanke und der Dank an die systemrelevanten Berufsgruppen wie Kassierer, Pflegekräfte und Feuerwehr die Monotonie des Spots aber leicht verzeihen. Die Quintessenz: Danke an alle, die Wichtiges für die Gesellschaft leisten und daher nicht stillstehen und danke an jene, die sich an die Vorgaben halten und wie der geparkte Mercedes einfach zuhause bleiben. Leicht irritierend mag vielleicht der Umstand wirken, dass die Anfangseinstellung eine Szene bei Nacht ist. Wäre es nicht noch wichtiger zu betonen, dass alle, die nichts Dringendes zu tun haben, am Tag daheim bleiben?

Vielleicht hat sich das der ein oder andere Zuschauer auch gefragt, immerhin bleibt die Kurve während dieser Sequenz konstant im unteren Benchmarkbereich. Der Gesamtbewertung tut dies jedoch keinen Abbruch: Direkt mit Beginn der Danksagung an die verschiedenen Berufsgruppen nimmt die Reel-Kurve rasant an Fahrt auf, steigt sogar über die neutrale Benchmark-Linie und beweist damit die große Zustimmung der Zuschauer. Obwohl einfach gehalten, wird der Effekt der persönlichen Betroffenheit der Zuschauer und der Emotionalität des Themas damit unter den hier getesteten Spots am deutlichsten. Am Ende erzielt der Mercedes-Spot einen soliden Durchschnitts-Score von 56.

Vodafone punktet mit Vernetzung, konkreter Produktbezug sorgt für kleinen Dämpfer

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Vodafone - #WeKeepYouGoing

Last but not least –#WeKeepYouGoing von Vodafone. Wie schon einige der anderen Testspots setzt auch Vodafone als Einstieg auf verschiedene Szenen rund um die Corona-Krise, in die sich die Zuschauer gut hineinversetzen können. Gezeigt werden kleine Szenen aus dem Arbeitsalltag im Homeoffice, vom Kinoabend auf der Couch und von Besuchen bei den Großeltern, die jetzt eben digital stattfinden. Zwar steht die Welt gerade still, aber zu Hause geht das Leben weiter. Klingt irgendwie bekannt? Ja, aber Vodafone setzt dabei den Fokus nicht so stark auf das Motiv Zuhause, sondern eher aufs Vernetzen und in Verbindung bleiben und packt damit das Thema optimal zur Marke passend an. Tatsächlich wird der Spot auch als überdurchschnittlich gut zur Marke sowie zur Produktkategorie passend wahrgenommen. Zwar wirkt er wenig aktivierend und hat das Markenbild weder verbessert noch verschlechtert, aber er wird als besonders glaubwürdig, modern und international empfunden.

Die Zweiteilung des Spots in menschelnde Szenen und der Vorstellung der Produktdetails verleiht der Kurve allerdings einen kleinen Dämpfer. Anders als in den ebenfalls getesteten Spots findet sich bei Vodafone ein direkter Bezug auf – kostenlose – Angebote, die den Kunden dabei helfen sollen, in Verbindung, bzw. produktiv zu bleiben. Die Produktversprechungen allein, wie zum Beispiel die Nutzung von Social-Media-Apps ohne Verbrauch von Datenvolumen, werden in den offenen Nennungen zwar positiv hervorgehoben – immerhin kann Vodafone so zu mehr Verbundenheit und Austausch beitragen. Allerdings gefällt die Aufmachung des Spots nicht immer, der starke Einsatz der Farbe Rot wirkt teilweise zu aufdringlich und erinnert vermutlich zu sehr an die klassische Produktwerbung der Marke. Durch diesen visuellen Bruch verliert der Spot den Image-Fokus und dämpft den positiven Effekt der Kernbotschaft leicht. Dennoch kommt der Spot bei der Mehrheit der Zuschauer gut an. Wieder steigt die Reel-Kurve während der emotionalen Zuhause-Szenen deutlich, um dann bei den Produktdetails auf einem konstant guten Niveau zu bleiben. Auch Vodafone kann somit mit der Message punkten und sichert sich mit einem Durchschnitts-Score von 56 einen Platz in der guten mittleren Benchmark.

Aufgreifen von Selbstisolierungsstrategie und Solidaritätsgedanke funktioniert

Den in unserem Spot-Test analysierten Unternehmen ist es durch die Bank gelungen, positive Bilder zu skizzieren und damit in dieser unsicheren und verwirrenden Zeit positive Gefühle, Solidarität und vielleicht sogar kurze Momente der Unterhaltung zu erzeugen. Dass das eine gute Idee war, hat sich ausnahmslos in allen Kurven gezeigt: Jedes Mal ist gleichzeitig mit der positiven Message ein starker Anstieg der Kurve zu beobachten. Das spiegelt stark die emotionale Verbundenheit der Zuschauer mit dem Thema wider.

Unsere Daten zeigen auch, dass emotionale, relevante Botschaften Verbraucher in den letzten Wochen noch direkter ansprechen und auf positives Feedback treffen. Jeweils neun von zehn Deutschen finden es gut, wenn Unternehmen sich für Solidarität bedanken und während der Corona-Krise eine klare Haltung zeigen. Drei Viertel der Verbraucher befürworten es, wenn Unternehmen die aktuelle Situation rund um das Coronavirus in ihrer Werbung aufgreifen.

Dass es dabei auch Fallstricke gibt, zeigt ein genauerer Blick auf das Beispiel Vodafone. Trotz kostenloser Angebote kann eine zu werbliche Aufmachung das Bild unter Umständen trüben und kommunikativen Impact kosten. Auch wenn Unternehmen aktuell gut daran tun, nicht in Funkstille zu verfallen, sondern kreativ und möglichst authentisch mit der Situation umzugehen, dürfen Sensibilität und Fingerspitzengefühl nicht fehlen, damit die Inhalte auf das Brand-Image einzahlen und die Marke in der aktuellen Situation stärken.

METHODE

Die Analyse der Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 03. bis 06. April 2020 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 1006 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot von Vodafone wurde im Umfeld mit Werbe-Spots für Edeka, Otto, Schwäbisch Hall und Mercedes getestet.

So erschienen auf Horizont Online.

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