YouGov-Analyse: Brexit-Befürworter liegen knapp vorn – aber wie lange noch?

YouGov
Februar 25, 2016, 1:00 vorm. GMT+0

Unmittelbar nach der Terminankündigung liegt das „Leave“-Lager mit einem Prozentpunkt vorne. Doch die zugrunde liegenden Zahlen lassen auch eine andere Deutung zu.

Würden die Briten morgen ihr Referendum abhalten, ob das Vereinigte Königreich Teil der EU bleiben oder ob diese verlassen soll, würde das Lager der „Brexit“-Befürworter knapp mit 38 zu 37 Prozent der Stimmen gewinnen. Das ist das Ergebnis der aktuellsten YouGov-Umfrage, die zwischen dem 21. und 23. Februar, also kurz nach der Ankündigung David Camerons, die Abstimmung am 23. Juni abzuhalten, durchgeführt wurde. Auch stand sie im unmittelbaren Kontext der Aussagen von Londons Bürgermeister Boris Johnson, das „Leave“-Lager zu unterstützen.

In Referenden wie diesem entscheiden Menschen oft später als bei Wahlen, für was sie stimmen. Denn viele Menschen wählen immer wieder die gleiche Partei, während die Optionen bei Volksabstimmungen in der Regel einmalig sind. Loyalitäten spielen so eine niedrigere Rolle. So hatten zum Beispiel, als vor zwei Jahren über die schottische Unabhängigkeit abgestimmt wurde, die Unabhängigkeits-Befürworter kurzzeitig einen 20-Prozentpunkte-Abstand aufgeholt und im August 2014 kurzzeitig in den Prognosen geführt – nur um am Ende doch den Kürzeren zu ziehen.

Die Ankündigung David Camerons, das Referendum im Juni abzuhalten, war im Anschluss an Verhandlungen erfolgt, wie die Beziehungen zwischen Königreich und EU in Zukunft aussehen könnten. Diese werden zwar in der britischen Öffentlichkeit grundsätzlich befürwortet - insbesondere die "Notbremse" bei Vorteilen für EU-Migranten (67%) und die Begrenzung des Kindergeldes (69%) – andere Zahlen deuten allerdings auf einen Sieg der EU-Befürworter hin.

So glauben viele Briten, dass das Land, wenn es aus der EU austräte, schlechter dran wäre – wirtschaftlich wie politisch. Jeder Dritte ist zum Beispiel der Meinung, dass das Vereinigte Königreich ohne EU-Mitgliedschaft weniger Einfluss in der Welt hätte, nur 12 Prozent glauben das Gegenteil.

Grundsätzlich ist der Trend in Referenden ohnehin, dass die öffentliche Meinung sich in Richtung Beibehaltung des Status Quo bewegt. Wähler scheinen einfach risikoscheu zu sein. Und einen Brexit halten 46 Prozent für riskant, einen Verbleib in der EU 32 Prozent. Bittet man die Befragten, sich für die sicherere Option zu entscheiden, führt das „Bleiben“-Lager mit 12 Prozentpunkten.

Zusammengefasst sind Vorraussagen so lange vor einem Referendum ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Denn auch wenn derzeit die Brexit-Befürworter knapp vorne liegen, zeigen einige grundsätzlichere Fragen, dass die Befürworter einer Mitgliedschaft viele Vorteile auf ihrer Seite haben und am Ende vorne liegen könnten. Zudem kann in den vier Monaten bis zum 23. Juni noch allerhand Unvorhergesehenes passieren.

Fest steht lediglich: Die Deutschen wären weiterhin mehrheitlich gegen einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. In einer aktuellen YouGov-Umfrage für die Friedrich-Ebert-Stiftung gaben 63 Prozent der Befragten an, für einen Verbleib des Landes in der EU zu sein. Lediglich 20 Prozent sprachen sich für einen „Brexit“ aus. Das ist sogar noch etwas deutlicher als vor einem Monat, als die Frage schon einmal in einer YouGov-Umfrage gestellt wurde. Damals waren 58 Prozent für einen Verbleib der Briten, 18 Prozent für das Verlassen der EU.

Anmerkung zur Methodologie: Bei der aktuellen Umfrage in Großbritannien wurden Verfeinerungen an der Gewichtung vorgenommen. So wurde die bisher übliche Gewichtung anhand der gelesenen Zeitung fallengelassen und u.a. durch den höchsten erreichten Bildungsabschluss ersetzt. Weitere Infos (auf Englisch) bei YouGov Großbritannien – auch zu den methodischen Unterschieden zwischen den YouGov-Umfragen und jenen anderer Institute.

(Englische Version des Textes)

Foto: Virginia Mayo/AP/Press Association Images