Ganz nach dem Motto „Damit rechnet keiner“ sticht TEDi mit einem unerwarteten Weihnachtsspot heraus

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Dezember 21, 2017, 8:37 vorm. GMT+0

Weihnachtszeit, Werbezeit – in kaum einer anderen Jahreszeit versuchen sich Marken und ihre Kreativagenturen auf zeitlich so engem Raum mit immer neuen Iterationen der Themen Familie, Besinnlichkeit, Einsamkeit, Streit und Freude zu sanften Glockentönen gegenseitig zu überbieten. Und zu kaum einem anderen Zeitpunkt im Jahr sticht ins Auge, wie erfolgreich diese Themen immer wieder neu aufgegriffen und erzählt werden können. Dabei ist es jedes Mal aufs Neue spannend, wenn Marken mit Spots aufwarten, die auf den ersten Blick nicht direkt zu ihnen passen wollen. So wie der Nonfood-Händler TEDi mit seinem Online-Film #DekorierenistLiebe aus dem Hause Serviceplan Campaign. Im Spot wird die Geschichte einer Seniorenheim-Bewohnerin erzählt, die in Erinnerungen versunken und mit traurigem Gesicht auf ein altes Foto eines Hauses blickt. Zu sanfter Musik nimmt sich eine Pflegerin ein Herz und macht der alten Dame mit einem Ausflug zu ihrem ehemaligen nun weihnachtlich geschmückten Haus eine Freude. Wie der Werbeclip für das Dekorationsangebot von TEDi bei den Zuschauern ankommt und wie er sich im Reel-Echtzeitbewertungs-Vergleich mit Spots von OTTO, Kaufland, Amazon und TK Maxx schlägt, haben wir uns in diesem Werbecheck-Weihnachtsspecial einmal genauer angeschaut.

Die Vielfalt der Weihnachtsgeschichten auf dem Prüfstand

Am meisten begeistern kann die Kurzversion des Spots der Weihnachtskampagne „Gemeinsam wird's Weihnachten“ von OTTO. Unterstützt von großformatigen Landschaftsaufnahmen, gut gesetzten Close-Ups und dem Evergreen „Feliz Navidad“ von Jose Feliciando, schwingt sich der Clip in einer ständig steigenden Bewertungskurve zu einem überdurchschnittlichen PeakScore von 72 auf. Hierbei fällt auf, dass der Spot im Gegensatz zur großen Mehrheit der restlichen Weihnachtswerbung ganz ohne Klischees funktioniert. In der Geschichte rücken Reisende nach einem Erdrutsch in den Bergen Boliviens enger zusammen und verbringen das Weihnachtsfest miteinander. Auch das Branding ist gut zum Zeitpunkt des Bewertungspeaks gesetzt, so dass der Spot einen hervorragenden ReelScore@Branding von 71 erreicht. Entsprechend gut ist auch der Durchschnitts-Score von 66, womit der OTTO-Spot unter den getesteten Weihnachtswerbungen im ReelScore-Vergleich den ersten Platz belegt.

Im Mittelfeld der getesteten Spots findet sich Amazon wieder. Die Geschichte rund um Versand und Zustellung der singenden Pakete des Online-Retailers verläuft ähnlich wie jene des TEDi-Spots. Die Bewertungskurve liegt im Durchschnitt bei einem guten Wert von 59. Der PeakScore und das sehr kurz gesetzte Branding zum Schluss fallen hier bei einem Wert von 65 zusammen. Interessant: Das Branding führt nicht, wie häufig zu beobachten, zu einer schlechteren Bewertung. Dies deutet zum einen auf eine stark positiv besetzte Marke hin. Zudem ist die Marke während des gesamten Spots präsent, so dass die zu Amazon passende Story über die gesamte Zeitspanne hinweg vom Zuschauer mit der Marke verknüpft werden kann. Wollte man den Spot verbessern, so bietet die Reise der Pakete Kürzungspotenzial, wohingegen die Freude der jungen Empfängerin deutlicher herausgestellt werden könnte. Auch ein weihnachtliches Setting am Ende sowie eine Bezugnahme auf die Versenderin in den Eingangsszenen könnte den Spot noch etwas abrunden.

Harmonie und Besinnlichkeit an der Festtagstafel ist das Thema des Kaufland-Spots „Wer gut isst, streitet nicht“. Hier sitzen sich gegensätzliche Charaktere wie beispielsweise Rotkäppchen und der böse Wolf, ein Rocker und ein Anzugträger aber auch Fleisch und Gemüse am Tisch gegenüber, die durch das festliche Mahl vereint werden. Schaut man auf die Reel-Kurve und den durchschnittlichen ReelScore von 50, trifft die Spot-Komposition nicht ganz den Geschmack der Zuschauer. Der Grund dafür dürfte sein, dass der Witz nicht von Jedem unmittelbar verstanden wird. Die Bewertung befindet sich praktisch von Beginn an in einem ständigen Abwärtstrend synchron zum Einblenden der Kontrahenten. Kurze Bilder der festlichen Speisen können den Abfall etwas abbremsen, jedoch fällt die Bewertung bereits ab der Mitte des Spots konstant unter die neutrale Bewertung von 50. Die Botschaft „Wer gut isst, streitet nicht“ am Ende kommt dagegen gut an, was sich in einem leichten Kurvenanstieg vor dem Branding zeigt. Der ReelScore@Branding schafft es trotzdem nur noch auf einen unterdurchschnittlichen Wert von 46. Hier hätte eine frühere und deutlichere Darstellung der Kernbotschaft unterstützt von weniger abstrakten Charakteren helfen können, die Zuschauer besser abzuholen.

Der Spot von TK Maxx befindet sich mit einem durchschnittlichen ReelScore von 50 auf demselben Bewertungsniveau wie der Kaufland-Spot. Direkt zu Beginn sackt die Bewertungskurve auf 48 ab und verharrt danach auf dem Niveau zwischen 48 und 50, ohne die neutrale Bewertungslinie zu durchbrechen. Wirkliche Aufs oder Abs kann die Bewertungskurve also nicht verzeichnen. Die Zuschauer scheinen von den Sprüngen in der Story überfordert. Der ReelScore@Branding ist mit 49 wie beim Kaufland-Spot unterdurchschnittlich. Eine harmonischere Abfolge der einzelnen Ereignisse gepaart mit einer klassischeren Aufmachung hätte hier gegebenenfalls den Zuschauer stärker überzeugt.

Unerwartet aber überzeugend

Nun zu TEDi. Passend zur Story des Spots, braucht die Reel-Bewertung etwas länger, um Fahrt aufzunehmen. Dennoch verzeichnet die Kurve passend zur Verdichtung der Story einen konstanten Anstieg und beschert dem Spot so einen überdurchschnittlichen ReelScore von 61. Als die Seniorin beim Anblick des erleuchteten Hauses von Ihren Emotionen überwältigt wird, steigt die Kurve erneut an und mündet in einem Bewertungspeak von 69, während die Botschaft „Wunder passieren nicht. Du machst sie.“ eingeblendet wird. An diese schließt sich perfekt das Kampagnenmotto #DekorierenistLiebe an. Und auch das Branding von TEDi profitiert von der kontinuierlichen Steigerung hin zu einem überdurchschnittlichen ReelScore@Branding von 67.

Ein tieferer Blick auf den TEDi Spot zeigt, warum dieser untypisch aber überzeugend ist. Das wichtigste zuerst: der Spot gefällt: 31 Prozent finden ihn sehr gut oder ausgezeichnet. Auch wird er als überdurchschnittlich sympathisch, spannend und interessant bewertet. Die Bewertung zeigt auch, dass der Spot, wie eingangs erwähnt, als durchaus markenuntypisch wahrgenommen wird: Ein Drittel (33 Prozent) der Befragten ist der Ansicht, dass der Spot nicht zur Marke passt, etwa genauso vielen (35 Prozent) fehlt der Produkt-Fit. Bei beiden Werten liegt der TEDi-Spot unterhalb des Benchmarks. Trotzdem halten 69 Prozent den Spot für glaubwürdig. Zudem geben drei Viertel der Befragten an, dass das Gesehene ein positives Bild der Marke vermittelt und auch der Impact auf das Markenimage ist überdurchschnittlich positiv. Bei mehr als einem Viertel (27 Prozent) der Zuschauer hat sich das Bild der Marke verbessert. 48 Prozent der Befragten regt der Spot an, sich näher über die Marke zu informieren.

Die offene Abfrage nach Dingen, die den Zuschauern gefallen oder nicht gefallen haben, zeigt noch einmal deutlicher, dass der Spot einen Nerv getroffen hat und als rundes Werk wahrgenommen wird. Im Mittelpunkt der positiv genannten Elemente steht die rührende, emotionale Story und „dass man durch Kleinigkeiten viel erreichen kann“. Auch dass eine Seniorin im Mittelpunkt der Story steht, wird mehrfach positiv erwähnt. Etwas auf die Stimmung drücken die Spotlänge in Verbindung mit den düsteren Bildern und das zu Beginn vermittelte Gefühl von Traurigkeit. Hier besteht Kürzungspotenzial. Die Kernbotschaft wird verstanden: „Wunder passieren nicht. Wunder werden gemacht“, und das am besten mit Accessoires aus dem Hause TEDi.

Mit einer guten Geschichte zum Weihnachts-Erfolg

Insgesamt ist es TEDi gelungen, mit einem unerwarteten Weihnachts-Werbevideo die Marke positiv aufzuladen. Unser Reel-Kurven-Vergleich zeigt, dass die Kampagne sich im Wettbewerb mit den anderen Weihnachtskampagnen nicht verstecken muss. Und noch eines wird deutlich. Unabhängig davon, wie oft ein Thema schon gespielt wurde, von betrübten alten Menschen, denen eine Freude gemacht wird, über Familienfeiern hin zu Fremden, die unter widrigen Umständen zusammenfinden: Wird die Story gut erzählt, dann klappt es auch in diesem Jahr. Und im nächsten. Und im übernächsten.

In diesem Sinne: frohe Weihnachten!

Methode

Die Analyse der Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei die Werbespots kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer im Anschluss zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung eines Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurden 209 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Personen zwischen dem 27.11. und 01.12.2017 aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt.

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