Kurzzeitig erhältliche Billigklingen für Mach3-Rasierer stießen auf Verbraucherinteresse. Gillette als Marke ist stark, hat aber diesen einen wunden Punkt.
Neulich stand ich an der Kasse bei Rossmann mit einem Ersatzpaket an Rasierklingen für meinen Gillette Mach3-Nassrasierer. Da legte mir die nette Kassiererin eine kostenlose Probepackung bei mit der Aussage „Probieren Sie doch diese mal, die sind genauso gut.“ Ich war verdutzt und meine erste gelernte Reaktion war: „Wie, dürfen die das denn?“ Schließlich prangte - so glaube ich mich zu erinnern - sogar das Mach3-Logo auf der Packung, mit dem Hinweis, dass die Ersatzklingen hierauf passen. Ich sah vor meinem geistigen Auge schon attraktive Ersparnisse in der nächsten Zeit, doch wurde ich leider eines Besseren belehrt. Schließlich verlief mein Test daheim leider nicht erfolgreich und ich musste schnell wieder auf die gefühlt besseren Originalklingen zurückwechseln. Die dann eh kurze Zeit später aus dem Verkauf genommen wurden...
Der Mach3 steht bei Gillette im Zentrum, das wird auch dem Besucher auf der Firmenwebsite schnell klar. Der seit fast 20 Jahren erhältliche Rasierer ist Dauerbrenner und Umsatzbringer. Als kürzlich Wilkinson die erwähnten günstigen Ersatzklingen auf den Markt brachte, bedrohten diese jenes Geschäftsmodell von Gillette. Ein Gericht stoppte den Verkauf der Klingen, die unter den jeweiligen Eigenmarken bei insgesamt fünf Drogeriemarkt-Ketten erhältlich waren, also nicht nur bei Rossmann wie in meinem geschilderten Fall. Es stellt sich also die Frage, ob solche Alternativ-Angebote unter allen männlichen Verbrauchern zur Gefahr für die Marke Gillette werden können. Oder ob Käufer der Marke so treu sind, dass es schwierig wird, sie abzuwerben. Selbst ich konnte ja erst einmal gar fassen, dass es passende Klingen für den Mach3 von einem anderen Hersteller gab.
Der Markenmonitor BrandIndex von YouGov liefert belastbare Zahlen zum Image von Gillette und Wilkinson aus der Sicht von Verbrauchern. Grundsätzlich steht Gillette hier bei den Deutschen gut da. Insbesondere Männer zeigen sich zufrieden - der Indexwert mit sehr guten +34 Punkten reicht für den vierten Platz in der Rangliste der beliebtesten Pflege- und Kosmetikmarken. Der Wert kann zwischen -100 und +100 Punkten liegen und ist ein zusammenfassendes Maß über 6 Bewertungsdimensionen hinweg für das Image einer Marke. Auf einen besseren Wert kommen bei Männern nur Balea sowie mit großem Abstand noch Nivea Men und Nivea. Wilkinson hingegen liegt unter 32 Marken, die wir in diesem Kontext insgesamt erheben, eher im Mittelfeld mit seinen +20 Indexpunkten.
Plötzliches Interesse für Wilkinson
Wie solide die Marktposition von Gillette ist, zeigen Verbraucherantworten auf die Frage, welche Marke sie beim Einkauf in die engere Wahl nehmen würden. Gillette nennen 28 Prozent der Männer, Wilkinson weniger als halb so viele. Nennenswerte Verschiebungen gab es dabei zuletzt auch nicht.
Anders sieht es allerdings aus, wenn wir nur Männer befragen, die Gillette in die engere Wahl nehmen. Dann messen wir ein deutlich gestiegenes Interesse für Wilkinson in der letzten Zeit. Die Marke stieß Ende Juni, Anfang Juli unter den „Gillette-Freunden“ auf so viel Kaufinteresse wie noch nie in den vergangenen vier Jahren, für die Werte im BrandIndex vorliegen. Etwa seit der Vertrieb der alternativen Mach3-Klingen verboten wurde, ebbte das Kundeninteresse dann auch wieder ab. Gillette dürfte die neue Konkurrenz also unmittelbar zu spüren bekommen haben. Der Schritt, eine einstweilige Verfügung zu erstreiten, wird damit umso nachvollziehbarer.
Männer sind Gillette treu
Als Marke verfügt Gillette unbestritten über starke Werte. Außer am Preis-Leistungs-Verhältnis haben Verbraucher wenig an ihr auszusetzen. Wer männlich ist und die Marke Gillette kennt, der schätzt ihre Qualität, spricht so positiv über sie wie über fast keine andere Pflege-Produkte-Marke und ist bereit, sie weiterzuempfehlen. Im Vergleich dazu zeigen sich Männer, die Wilkinson kennen, viel weniger begeistert von Wilkinson – sogar hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Zudem sind Gillette-Kunden relativ treu: Nur etwa einer von sechs Männern, die uns gegenüber im vergangenen halben Jahr angegeben haben, Gillette-Kunde zu sein und regelmäßig Rasierklingen zu kaufen, würde überhaupt in Betracht ziehen, ein Wilkinson-Produkt zu kaufen.
Doch Wilkinson will vor Gericht in die nächste Runde gehen. Und das Patent, auf welches Gillette sich im Rechtsstreit beruft, läuft wohl im kommenden Frühjahr aus. Dann könnten Mach3-kompatible Billig-Klingen also endgültig zur Bedrohung werden, da sie die Marke in ihrem einzigen wunden Punkt treffen. Bei mir war der Preisvorteil am Ende dennoch nicht ausschlaggebend, das konkrete Produkterlebnis konnte mich letztlich schlicht nicht überzeugen. Wir werden demnach vielleicht bald wissen, bei wie vielen Männern dies anders aussieht, sofern es die billigeren Ersatzklingen doch wieder in den Verkauf schaffen.
So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.
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