„Jedes Johr em Sommer jeit dat Spillche widder loss“ singt die Kölner Mundart-Band Bläck Fööss im Spanienlied, einem ihrer bekanntesten Songs. Und auch für uns stellt sich zur Mitte des Jahres jedes Mal die Frage: Welcher der im Rahmen des YouGov Werbechecks in den letzten zwölf Monaten mit YouGov Reel getesteten Spots wird Sieger im diesjährigen Reel-Score-Ranking?
Für das Ranking vergleichen wir die durchschnittlichen Reel-Scores von rund 50 getesteten Werbespots miteinander. In diesem Jahr hat der Siegerspot dabei nicht nur im Jahresvergleich den ersten Platz belegt, sondern auch eine neue Marke für den höchsten Score aller je gemessenen Spots gesetzt: Samsungs fliegender „Ostrich“ landet mit einem Score von 70 sicher auf Platz eins. An zweiter Stelle findet sich mit 66 Score-Punkten das TV-Werbedebüt von ALDI mit dem Spot „Einfach ist mehr“ zur Kampagne aus 2016. Ganz knapp dahinter landet mit einem Score von 65 der Spot „Beste Freunde“, der eine Kooperation zwischen NIVEA und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) begleitet. Natürlich interessieren wir uns nicht nur für das Abschneiden der Spots untereinander, sondern auch dafür, was die gut bewerteten Spots im Hinblick auf Themen, Stilmittel, Bildsprache, Setting und vieles mehr von den schlechter bewerteten Spots unterscheidet. So haben wir uns auf die Suche nach den magischen Zutaten begeben, die einen Spot zu einem Top-Spot machen. Gefunden haben wir vor allem das Element, das die Zutaten bindet. Was wir bei dieser Suche gefunden haben, zeigt der Werbecheck anhand der drei Reel-Top-Spots 2017.
Tiere und atemberaubende Landschaften gehen immer
Schon beim Schreiben des Werbechecks für Samsungs „Ostrich“ vor einigen Wochen war abzusehen, dass es sich hier um einen der am besten bewerteten Spots der letzten Monate handelt. Ein Vergleich mit dem Ranking aus 2016 zeigt, dass der fliegende Strauß, der mit Hilfe der VR-Brille von Samsung das Unmögliche schafft, sogar den im letzten Jahr am besten bewerteten Spot von Garnier um ein paar Score-Punkte hinter sich lässt. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg beim Zuschauer sind für „Ostrich“ die auch im Garnier-Spot gezeigten hochqualitativen, atemberaubenden Landschaftsaufnahmen, in denen sich der Zuschauer verlieren kann. Die Spot-Analysen mit Reel zeigen regelmäßig, dass Clips mit entsprechenden Landschaftsaufnahmen beim Zuschauer sehr gut abschneiden.
Hinzu kommt die alte Regel: Tiere gehen fast immer. Allerdings handelt es sich hier nicht um die klassischen Katzen wie beispielsweise beim Netto-Spot von Jung von Matt oder Hunde wie beim Pedigree-Trockenfutter-Spot, der letztjährig zu den drei am besten bewerteten Spots gehörte. Vielmehr gelingt es, dass sich die Zuschauer mit einem, zumindest für die mitteleuropäische Werbelandschaft ungewöhnlichen Vogel Strauß identifizieren und dessen Leid und Freude mitempfinden. Die Verbindung ist so eng, dass sich die Befragten trotz des zu Beginn des Spots eingeblendeten Hinweises auf eine Simulation der Bilder Sorgen um die Gesundheit des Strauß nach dem Sturz machen: „Dass der Strauß erst mal auf den Boden fällt, tut mir ein bisschen leid…“. Der Strauß, der mit seinem Flug die Spotbewertung mit in die Lüfte nimmt, stiehlt allerdings Samsung etwas die Show. Durch den fehlenden Produktbezug zu Gunsten der guten Story wird Aufmerksamkeitspotenzial verschenkt, wie die vergleichsweise geringe Spoterinnerung zeigt. Auch nach der Kernbotschaft gefragt, fällt es einigen Zuschauern schwer einen Bezug zwischen dem gesehen Spot und Samsung herzustellen. Als Element der Entschleunigung fungiert in diesem Spot der Elton John Song „Rocket Man“, immerhin ein Oldie aus dem Jahr 1972, der das hypermoderne Gadget der VR-Brille erdet und wahrhaftig macht.
Kinder gehen immer
ALDI kombiniert in seinem TV-Werbedebüt aus 2016 ebenfalls wahrhaftige Naturbilder, in diesem Fall mit einem weiteren, hinlänglich bekannten und erprobten Werbemotiv: Kinder. Getragen werden die Szenen dabei von einem Narrativ, dass die Sehnsucht nach einer kindlich entschleunigten Welt ohne das Gefühl einer andauernden, latenten oder gegebenen Überforderung durch die mannigfaltigen Anforderungen einer hochkomplexen Gesellschaft anspricht. Der Spot bietet für Sekunden eine Form des Eskapismus in die vermeintlich unschuldige Kinderwelt an und gibt den Zuschauern so die Möglichkeit, sich emotional zu involvieren. Was dem Spot nicht perfekt gelingt: Die klare Verbindung zur Marke ALDI herzustellen. Die Bewertung der Produkt- und Markenpassung in der Befragung liegt unter dem Benchmark-Durchschnitt und es konnten sich trotz der hervorragenden Bewertung nur zwei Drittel (67 Prozent) ungestützt im Anschluss überhaupt daran erinnern, einen Spot von ALDI gesehen zu haben. Und auch bei diesem Spot wird die Kernbotschaft teilweise nicht mit ALDI in Verbindung gebracht.
Entschleunigung geht aktuell gut
Ähnlich wie ALDI setzt der drittplatzierte Spot von NIVEA und DLRG auf eine kindliche Erlebniswelt, um die Verbindung zum Zuschauer aufzubauen. Hier dreht sich die Story jedoch nicht um das Thema Einfachheit, sondern die Freundschaft der beiden gezeigten Kinder. Die zunächst fröhlichen Szenen werden aus dem Off von einem Gedicht begleitet, welches den Zuschauer durch die Story führt. Diese hangelt sich (wie im Übrigen auch die anderen hier besprochenen Spots), deutlich erkennbar an der Erzählstruktur eines klassischen Dramas entlang. Der dramatische Wendepunkt ist hier, dass einer der beiden Freunde nicht schwimmen kann, die Katastrophe ist die Trennung der beiden Freunde, da der Nicht-Schwimmer seinen Freund beim Schwimmen nicht begleiten kann. Dabei ist die Geschichte dem Zuschauer so nah, dass der Spot es trotz der traurigen Wendung schafft, die hervorragende Bewertung durch die Zuschauer zu halten. Dies zeichnet den Spot aus, denn vielfach zeigt die Reel-Kurve bei traurigen Wendungen einen Abfall in der Bewertung.
Die magischen Zutaten und der Kit, der alles verbindet
Woran liegt es nun, dass diese drei Spots unter den rund 50 Clips, die wir in den letzten zwölf Monaten mit Reel getestet haben, am besten abschneiden? Was allen drei Top-Spots gemein ist: Sie setzen auf hochwertige und schöne Naturaufnahmen und wenden sich an die tiefen Sehnsüchte der Zuschauer: Freiheit, Zeit für das was uns wichtig ist und Unbeschwertheit mit einem Hauch Nostalgie. Kurz gesagt: Entschleunigung und Wahrhaftigkeit. Gekonnt verstärken musikalische Untermalung und bei ALDI sowie NIVEA & DLRG durch Kinder gesprochene und eingeblendete Texte diese Gefühlswelten und schaffen innerhalb weniger Sekunden eine Verbindung zwischen dem Zuschauer und dem Gesehenen. Alle drei setzten zudem auf altbewährte Zutaten: Kinder und Tiere. Der Kit, der alles verbindet, ist Wahrhaftigkeit und Entschleunigung. Auch die im letzten Jahr am besten bewerten Spots von Garnier & DER nutzten ähnliche Elemente für ihr Storytelling.
Aber wie so oft im Leben, gibt es DIE magischen Zutaten, mit denen jeder Spot gelingt, nicht. Die Analysen der verschiedenen Werbespots mit YouGov Reel zeigen anschaulich, dass die Wahrnehmung eines Spots von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Die magischen Zutaten alleine machen eben noch kein perfektes Gericht aus. Kompositionen, die für eine Marke oder ein Produkt hervorragend funktionieren, können bei anderen Marken, Produkten oder Spots einen schalen Beigeschmack beim Zuschauer hinterlassen. Wer einfach nur mit Naturbildern, Kindern oder Tieren wirbt, ohne den Bezug zur Marke zu schaffen, schießt am Ziel vorbei. Auch ist die richtige Dosierung der Zutaten ist entscheidend, denn zu viel Tier und zu viel Kind hat die gleichen Auswirkungen wie zu viel Salz beim Kochen. Der Einsatz von Tieren und Kindern um des Kindes- und Tieres Willens führt zu negativen Bewertungen und Kritik am Tierschutz und von Kindern in der Werbung. Allerdings macht es Sinn gesellschaftliche Trends und Sehnsüchte aufzugreifen: Im vergangenen Jahr waren das die Trends Entschleunigung und Wahrhaftigkeit, die in den drei prämierten Spots auf unterschiedliche Art und Weise, aber jeweils in die Story passend, aufgegriffen werden.
Methode
Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für die Spot-Tests werden mindestens 200 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Um eine natürliche Werbeumgebung zu simulieren, werden die Test-Spots im Umfeld von anderen aktuellen Werbeclips getestet.
Mehr Informationen zu den Top-Spots des Jahres finden Sie hier.
So erschienen auf Horziont.net
Bild: dpa