Im Zweifel lieber Landschaftsbilder: Testimonials und ihre Wirkung im Spot

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
September 05, 2016, 9:58 vorm. GMT+0

Testimonials sind ein fester Bestandteil der Produkt- und Markenwerbung. Und das nicht erst seit Erfindung des Fernsehens. Testimonial-Werbung kann für Marke und Fürsprecher hervorragend funktionieren, wie es bei Gottschalk und Haribo der Fall war. Diese Liaison kann als das Paradestück einer gelungenen, langjährigen Testimonialkampagne, die sowohl der Marke, als auch dem Fürsprecher dienlich waren, gelten. Eine enge Beziehung zwischen Werbendem und Beworbenem birgt allerdings auch immer wieder Gefahren. So z.B., wenn sich das positive Image des Werbegesichts, nicht selten aufgrund persönlichen Fehlverhaltens, ins Negative kehrt und auf die Marke oder das Produkt abstrahlt. Oder wenn der Werbende ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, wie beispielsweise beim Fall Telekom vs. Testimonial Manfred Krug.

Eine Analyse mit unserem Connected-Data-Tool YouGov Profiles zeigt, dass weniger als ein Drittel der Deutschen (29 Prozent) gerne Fernsehwerbung mit ihren Lieblingsstars schauen. Das zeigt schon, dass die gerne angewandte Formel „beliebter Promi = beliebter Spot = guter Absatz“ kein Selbstläufer ist. Für den aktuellen Werbecheck haben wir alle TV-Spots mit Testimonial-Beteiligung analysiert, die wir im Rahmen der bisherigen YouGov Reel Werbechecks für die Horizont in den letzten zwei Jahren getestet haben. Das waren immerhin 23 Spots. Zu wenig, um Allgemeingültigkeiten zu formulieren. Aber genug um Hypothesen aufzustellen. Im Nachfolgenden werden einige der hervorstechenden Spots exemplarisch dargestellt.

Die Werbespots wurden jeweils mit YouGov Reel in Echtzeit bewertet. Ausgewählte Befragte (in der Regel eine Stichprobe von 200 Befragten) bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So lässt sich auch analysieren, inwiefern das Auftreten von Testimonials den Kurvenverlauf und damit das Spotgefallen beeinflusst. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen.

Polarisierende Testimonials und schlechter Spot: Keine gute Kombi

Ein Beispiel, in dem sehr bekannte, aber in der Bevölkerung polarisierende Testimonials dem Spot keinen Gefallen tun, kommt vom Vergleichsportal Verivox.de. Als Testimonial tritt das Trash-TV-Millionärs-Paar Carmen und Robert Geiss auf. Mit dem Auftreten der Beiden im Spot sinkt der Reel-Score schlagartig ab und verbleibt mit einer durchschnittlichen Bewertung von 37 sehr deutlich unter dem Benchmark. Erst als es am Ende des Spots um die eigentliche Produktbewerbung geht, steigt die Kurve wieder in der Gunst der Zuschauer.

Ein Zusammenhang mit der Beliebtheit der beiden Hauptdarsteller liegt hier auf der Hand. YouGov Profiles zeigt, dass die Beliebtheit von Robert Geiss in der Gesamtbevölkerung bei 13 Prozent liegt, jene von Carmen bei 17 Prozent. Vor diesem Hintergrund war es eine richtige Entscheidung der Marke, die neue Werbekampagne ohne die Geissens zu starten.

Beliebtheit alleine ist kein Garant

Dass ein beliebtes Testimonial im Spot aber nicht automatisch auch gut ankommt, zeigt ein Clip aus Opels „Umparken im Kopf“-Kampagne. Joachim Król, einer der im Spot auftretenden Protagonisten neben Fahri Yardım, Karoline Herfurth, Jürgen Klopp und anderen, bringt es laut YouGov Profiles auf eine Beliebtheit von 56 Prozent. Dennoch handelt es sich bei dem Spot mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 55 eher um einen soliden, denn einen herausragenden Vertreter der Zunft. Insbesondere die Auftritte von Joachim Król bewirken Knicke der Bewertungskurve nach unten.

Möglicherweise ist es die träge Art, wie Król im Spot rüberkommt. Oder es ist fehlende Marken- und Produktpassung. Im direkten Vergleich wirken die anderen, laut YouGov Profiles ähnlich beliebten, Promis des Opel-Spots jünger, dynamischer – eben mehr so, wie Opel sich in diesem Spot auch gesehen haben möchte.

Auch ein Thomas Müller schießt mal am Ziel vorbei – nicht nur bei der EM

Aber auch wenn der Einsatz des Testimonials stimmig ist, wie im Falle von Thomas Müller und dem „Create your own Game“-Spot aus dem Hause Adidas, reicht dies nicht unbedingt für einen hervorragenden Gesamtspot. Thomas Müller gehört laut YouGov Profiles zu den beliebtesten prominenten Personen in Deutschland. Eine fast schon erschlagende Mehrheit von 87 Prozent der Deutschen mag ihn. Entsprechend steigt die Reel-Bewertungskurve jedes Mal an, wenn er in dem Adidas-Spot zu sehen ist. Zwar rettet Müller im echten Leben durch seine Torgefährlichkeit die ein oder andere Fußball-Partie (diese EM mal ausgenommen), für den Adidas-Spot reicht es dennoch nicht.

Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 45 liegt der Spot nicht nur unter dem als neutral anzusehenden Score von 50, sondern auch deutlich hinter dem Benchmark. Vielleicht lag es ja am Team, mit dem Müller gemeinsam im Spot aufläuft. Als Beispiel sei hier Lionel Messie herausgenommen. Jedes Mal, wenn Messi, der immerhin bei der Hälfte der Deutschen (47 Prozent) beliebt ist, ins Bild kommt, sinkt der Reel-Score ab. Vielleicht hätte eine für den deutschen Markt optimierte Schnittfassung mit weiteren beliebten deutschen Nationalspielern diese Bewertungsabfälle verhindern können. Dies allein hätte den Spot aber wahrscheinlich auch nicht gerettet – das Auftreten beliebter Testimonials führt eben noch nicht zu einem Top-Spot.

Top-Notch ist nicht nötig: Die Mischung macht´s

Dass auch Promis jenseits der A-Riege einen Mehrwert für einen Spot haben können, zeigt sich am Beispiel der Edeka-Werbung mit TV-Koch Steffen Henssler. Der laut YouGov Profiles mit einer Beliebtheit von 45 Prozent bei den Deutschen eher durchschnittlich ankommende Henssler versucht, als Frau verkleidet an einer Edeka Fleischtheke an das Geheimnis der Kräutermarinade für Lammlachse zu kommen. Kaum hat der um den Finger gewickelte Verkäufer die Zutaten ausgeplaudert, entschwindet die vermeintliche Kundin um eine Regalecke und entpuppt sich als Henssler.

Hier gehen Testimonial und Storytelling Hand in Hand – sein Auftreten erfolgt passend zur inhaltlichen Pointe des Spots. Ergebnis: Ein an dieser Stelle deutlich ansteigender Reel-Score, der auf den soliden Durchschnitts-Reel-Score von 57 einzahlt.

Im Zweifel lieber Landschaftsbilder – oder Katzen

Bei der Analyse der mit YouGov Reel getesteten Testimonial-Spots zeigt sich, dass die Wirkung eines Testimonials auf das Spot-Gefallen komplex ist. Häufig genug zeigt sich auch gar kein Effekt des Testimonials auf die Verlaufskurve. Die reine Verwendung eines Testimonials um des Testimonials Willen ist beileibe also nicht ausreichend. Von Bedeutung ist natürlich auch, wie eine Marke den Erfolg eines Testimonial-Einsatzes definiert und welche Ziele verfolgt werden. Eine Steigerung der Spot-Awareness, ein PR-Effekt oder ein Imagetransfer auf die Marke mögen durchaus funktionieren. Ein durchweg positiver Einfluss des Testimonial-Einsatzes auf das Spot-Gefallen zeigt sich in unseren Werbechecks jedoch nicht. Selbst bei Glücksgriffen wie Thomas Müller.

Dies ist besonders relevant, da unsere Analysen zeigen, dass die bekundete Kaufbereitschaft für ein beworbenes Produkt in hohem Maße mit dem per Reel-Score ausgedrückten Gefallen eines Werbespots zusammenhängt. Dazu passt, dass nur etwa jeder siebte Deutsche (14 Prozent) sagt, dass Werbung mit Prominenten Einfluss auf die Kaufentscheidung hat.

Viel eher noch als ein prominenter Fürsprecher ist die Story eines Spots ausschlaggebend für dessen Gefallen. Dies bestätigt ein kurzer Blick auf das Gesamtranking unserer Reel-Testspot-Datenbank: Die Top 10 der getesteten Spots kommen alle ohne Testimonial aus. In ihnen findet man eher beeindruckende Landschaftsaufnahmen, emotionale Ansprache oder humorvolle Stories. Bisweilen gehen auch Katzen und Tierbabies gut. Testimonial-Spots finden sich dagegen eher im breiten Mittelfeld oder nehmen, wie die hier analysierten Spots mit den Geissens und Messi die letzten Plätze ein.

So erschienen auf Horizont.

Bild: dpa