YouGov-Umfrage unter deutschen Wahlberechtigten zur Linkspartei und einer möglichen Wagenknecht-Partei
Die Linke hat bei der Bundestagswahl 2021 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreicht und damit knapp die Fünf-Prozenthürde verpasst. Die Partei konnte nur Dank drei gewonnener Direktmandate Einzug in den Bundestag halten. In Umfragen zur Wahlabsicht erhält die Linke seither durchschnittlich um die 5 Prozent der Stimmen. Immer wieder hört man aus der Partei von Richtungsstreitigkeiten und einer möglichen Parteineugründung rund um die Politikerin Sahra Wagenknecht.
In einer aktuellen Umfrage der internationalen Data & Analytics Group YouGov wurden 2.134 wahlberechtigte Personen ab 18 Jahren vom 15. bis 20. September 2023 bevölkerungsrepresentativ zu Themen rund um die Linke befragt. Die Ergebnisse spiegeln den öffenlichkeitswirksamen Richtungsstreit zwischen dem soziokonservativen Flügel um Sahra Wagenknecht und den anderen Parteimitgliedern wider. Demnach halten lediglich 19 Prozent die Partei für geschlossen, während fast zwei Drittel der Wahlbevölkerung (63 Prozent) sie für gespalten halten. Dies ist deutlich mehr als beispielsweise bei den Regierungsparteien SPD (46 Prozent „Eher gespalten“ und „Sehr gespalten“), FDP (36 Prozent), oder den Grünen (47 Prozent). Dabei geben knapp drei Viertel (72 Prozent) der deutschen Wahlbevölkerung an, unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung zu sein. Weiterhin hält eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hierzulande die Linke für eine eher schwache oder sehr schwache Partei (63 Prozent), 35 Prozent halten sie dabei für sehr schwach. Dies ist mit Abstand der höchste Wert im Vergleich zu den anderen im Bundestag vertretenen Parteien: Bündnis 90/die Grünen (20 Prozent „sehr schwach“), SPD (19 Prozent), FDP (17 Prozent), CDU/CSU (10 Prozent), AfD (12 Prozent).
Ein gutes Drittel (36 Prozent) der deutschen Wahlberechtigten finden es eher oder sehr wichtig, dass die Linke im Bundestag vertreten ist. Mit Ausname der AfD (31 Prozent) wird die Vertretung aller anderen Parteien als wichtiger empfunden: SPD (61 Prozent), CDU/CSU (65 Prozent), FDP (46 Prozent), die Grünen (45 Prozent). Hier zeigen sich große Unterschiede zwischen den Wählerinnen und Wählern der Parteien. So hält es über die Hälfte (53 Prozent) der Wählerinnen und Wähler der Grünen für wichtig, dass die Linke im Parlament vertreten ist, unter SPD Wählerinnen und Wählern sind es vier von zehn (41 Prozent). In der FDP Wählerschaft sind es hingegen nur 24 Prozent und unter AfD Wählerinnen und Wählern sind es 15 Prozent.
Fragt man vor diesem Hintergrund danach, ob es die deutsche Wahlbevölkerung eher bevorzugen würde, wenn Sahra Wagenknecht eine eigne Partei gründen würde oder wenn die Linke einen gemeinsamen Weg finden würde, sprechen sich 34 Prozent für die Parteigründung Sahra Wagenknechts aus, während 29 Prozent einen gemeinsamen Weg der Partei bevorzugen würden. Bei dieser Frage ist der „Weiß nicht“-Anteil vergleichsweise hoch und liegt bei 37 Prozent.
Einfluss auf den Zuspruch für die Gründung einer „Wagenknecht-Partei“ dürfte die Popularität Sahra Wagenknechts haben: Sahra Wagenknecht ist, unter allen abgefragen Politikerinnen und Politikern der Linkspartei, die Bekannteste. Nur 4 Prozent geben an sie nicht zu kennen. Zusätzlich ist sie auch eine der beliebtesten Politikerinnen und Politiker der Linkspartei. Andere Politikerinnen und Politiker der Linken, wie der Co-Vorsitzende Martin Schirdewan ist der Hälfte der Wahlbevölkerung nicht bekannt (50 Prozent), auch Co-Vorsitzende Janine Wissler (31 Prozent), Dietmar Bartsch (25 Prozent), Amira Mohamed Ali (35 Prozent), oder Bodo Ramelow (16 Prozent) sind großen Teilen unbekannt. Gregor Gysi hat mit 8 Prozent ähnliche Bekanntheitswerte wie Sahra Wagenknecht.
Die Beliebtheitswerte der Linken Politikerinnen und Politikern unter denen, die angeben sie zu kennen, zeigen Gregor Gysi als den mit Abstand beliebtesten Linken-Politker. Unter allen Befragten, die angeben, Gregor Gysi zu kennen, findet ihn knapp die Hälfte (49 Prozent) eher oder sehr gut. Sahra Wagenknecht finden 38 Prozent eher oder sehr gut, knapp gefolgt von Bodo Ramelow (33 Prozent), gefolgt von Dietmar Bartsch (27 Prozent), Amira Mohamed Ali (21 Prozent), Janine Wissler (19 Prozent), und Martin Schirdewan (16 Prozent).
Einer von fünf Befragten (20 Prozent) gibt an sich grundsätzlich vorstellen zu können eine Wagenknecht Partei zu wählen („Ja, auf jeden Fall“ und „Eher ja“ - Hier handelt es sich nicht um eine konkrete Wahlabsicht, sondern um die grundsätzliche Vorstellbarkeit, eine Partei zu wählen, auch „Potential“ genannt. Diese Werte können nicht dazu genutzt werden, den Erfolg oder Misserfolg der Partei zu prognostizieren, insbesondere da derzeit weder Partei noch Parteiprogramm existieren). 63 Prozent würden hingegen die Wahl einer „Wagenknecht-Partei“ grundsätzlich ausschließen („Nein, auf keinen Fall“ und „Eher nein“). Dieser Wert ist im Vergleich zur Linkspartei geringer: Drei von vier Wahlberechtigten können sich grundsätzlich nicht vorstellen, die Linke zu wählen (75 Prozent).
Über die Hälfte (58 Prozent) derjenigen, die angeben bei der nächsten Bundestagswahl die Linke wählen zu wollen, können sich grundsätzlich auch vorstellen eine „Wagenknecht-Partei“ zu wählen. Unter denen, die angeben bei der nächsten Bundestagswahl AfD wählen zu wollen, sind es 37 Prozent. In dieser Gruppe können sich weitaus weniger vorstellen die Linke zu wählen (12 Prozent).
Sollte Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründen, so denken 55 Prozent der Wahlberechtigen in Deutschland, dass die Linke geschwächt wird oder sich komplett auflöst, unter Wählerinnen und Wählern der Linken liegt dieser Wert bei 56 Prozent.
Eine „Wagenknecht-Partei“ wird beim Thema Migration deutlich rechter wahrgenommen als die Linken oder Grünen
Weiterhin wurde in der Befragung untersucht, wo die deutsche Wahlbevölkerung die im Bundestag vertretenen Parteien bezüglich Migration politisch positionieren würde und wo eine mögliche „Wagenknecht-Partei“ im Vergleich positioniert würde. Befragte wurden gebeten einzuordnen wo sie Parteien auf einer 11er Skala von „Immigration hat hauptsächlich positiven Einfluss auf Deutschland“ bis „Immigration hat hauptsächlich negativen Einfluss auf Deutschland“ sehen. Auf diesem Migrations-Spektrum wird die „Wagenknecht-Partei“ mit Tendenz rechts („Immigration hat hauptsächlich negativen Einfluss auf Deutschland“) positioniert, mit einem Mittelwert von 6,5. Die Linkspartei (Mittelwert: 4,8), die SPD (Mittelwert: 4,8) und die Grünen (Mittelwert: 4,3) werden weiter links, also migrationsfreundlicher, auf dem Spektrum positioniert. Die AfD wird mit einem Mittelwert von 9.6 sehr weit rechts, also migrationskritisch, wahrgenommen. CDU/CSU (Mittelwert: 6,4) und FDP (Mittelwert 6,1) werden ähnlich wie eine „Wagenknecht-Partei“ tendenziell eher rechts eingeordnet.
Foto: Wolfgang Kumm/dpa