Europa und die USA: Beziehungskrise mit Trennungsschmerz?

YouGov
Juli 03, 2018, 7:17 vorm. GMT+0

Die aktuelle internationale YouGov-Befragung in Kooperation mit dem Handelsblatt zeigt, wie sich die transatlantischen Beziehungen seit Trumps Präsidentschaft entwickelt haben.

Die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten im November 2016 stellt eine Zäsur für die Beziehungen zwischen den USA und den europäischen Staaten dar. Bereits sechs Monate nach Trumps Wahlsieg stellte Angela Merkel unter dem Eindruck von Trumps America First-Politik eine wachsende Distanz zwischen den USA und Europa fest: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ Seitdem haben sich die transatlantischen Beziehungen u.a. wegen der gegenseitigen Verhängung von Strafzöllen, der Diskussion um die Finanzierung der NATO und der Aufkündigung des Iran-Deals durch die USA stetig verschlechtert.

Deutsche und Franzosen nehmen die USA negativ wahr

YouGov erhebt in Kooperation mit dem Handelsblatt seit September 2016 weltweit, wie Bürger andere Länder bewerten. Die Daten zeigen, dass sich die politischen Turbulenzen auch auf die Wahrnehmungen in der Bevölkerung diesseits des Atlantiks trüben. Im Juni 2018 bewerten die Mehrheit der Deutschen und der Franzosen die USA negativ: 59 Prozent der Deutschen und 51 Prozent der Franzosen geben an, eine negative Meinung von den USA zu haben. Dem stehen in Deutschland nur 29 Prozent und in Frankreich 36 Prozent gegenüber, die die USA positiv bewerten. Nur in Großbritannien bewerten mehr Bürger die USA positiv (48 Prozent) als negativ (39 Prozent). Diese Wahrnehmungen werden in den USA nicht gespiegelt: Hier hat eine deutliche Mehrheit eine positive Sicht auf die einstmals engen Partner in Europa (Deutschland: 59 Prozent, Frankreich: 66 Prozent, Großbritannien: 70 Prozent). Weniger als ein Fünftel der US-Amerikaner bewertet die drei europäischen Länder negativ.

Das Ansehen der USA in Europa hat unter Trump Schaden genommen

Noch dramatischer werden diesen Ergebnisse vor dem Hintergrund ihrer zeitlichen Entwicklung. Im September 2016 – unmittelbar vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl – bewertete eine Mehrheit der der Deutschen (52 Prozent) und der Franzosen (56 Prozent) die USA positiv. Nur rund ein Drittel der Deutschen (36 Prozent) und der Franzosen (34 Prozent) äußerte eine negative Sicht auf die USA. Seitdem hat sich die Wahrnehmung der USA in beiden Ländern stetig verschlechtert. Und selbst die auf den ersten Blick positive Sicht der Briten auf die USA muss relativiert werden: Zwar dominieren in Großbritannien weiterhin positive Bewertungen, allerdings ist deren Anteil von 61 Prozent im September 2016 deutlich und stetig auf 48 Prozent im Juni 2018 abgefallen. Währenddessen haben negative Bewertungen der USA in Großbritannien von nur 26 Prozent im September 2016 auf 39 Prozent im Juni 2018 zugenommen. Der Trend deutet auch in Großbritannien darauf hin, dass sich die Wahrnehmung der USA ins Negative umkehren könnte.

Europäer und US-Amerikaner zeigen Zeichen von Trennungsschmerz

Ist die Beziehung zwischen den USA und den (west-) europäischen Staaten also gänzlich erkaltet? Nicht ganz – Bürger diesseits und jenseits des Atlantiks wünschen sich zunehmend ein engeres Verhältnis zwischen den USA und der EU. In Deutschland ist der Anteil derer, die sich eine engere Beziehung wünschen, von 26 Prozent im November 2017 auf 35 Prozent im Juni 2018 angestiegen. Diese Entwicklung lässt sich auch in Frankreich (28 Prozent im November 2017, 32 Prozent im Juni 2018) und in Großbritannien (22 Prozent im November 2017, 29 Prozent im Juni 2018) beobachten. Und auch in den USA äußern aktuell (41 Prozent) mehr Bürger als im November 2017 (34 Prozent) das Bedürfnis nach intensiveren transatlantischen Beziehungen. Offensichtlich nehmen die Bürger in Europa und in den USA die wachsenden Konflikte auf politischer Ebene wahr. Europäer scheinen die USA klar als Verursacher dieser Konflikte wahrzunehmen, entsprechend trübt sich ihre Sicht auf die USA negativ ein. Trotz aller Spannungen haben Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks weiterhin das Bedürfnis an einer engen Kooperation zwischen den USA und Europa.

Auf Basis des YouGov Omnibus wurden pro Land mindestens 1000 Personen ab 18 Jahren vom 01. – 11.06.2018 repräsentativ befragt.