So schräg hat Hornbach wahrscheinlich noch nie geworben: Der Spot zur Kampagne "Schwitz es raus" wartet mit verwirrenden Szenen und teilweise verstörenden Bildern auf. Offensichtlich fühlen sich die Zuschauer davon überfordert: Wie der Yougov-Werbecheck zeigt, bekommt die visualisierte Stressentsorgung im Spot vom Publikum überwiegend negative Bewertungen. Warum das so ist, erklärt Yougov-Marketer Philipp Schneider in seiner Kolumne für HORIZONT Online.
Die Sonne scheint, die Vöglein zwitschern und der Frühling ist bereits in vollem Gange. Jetzt heißt es ab nach draußen! Der Garten ruft – und ganz besonders laut die Hobbygärtner und Heimwerker, die sich nun wieder kräftig austoben und ihre Projekte mit Tatendrang vorantreiben können. Denn: es gibt immer was zu tun!
Passend zur Jahreszeit startet die Frühlingskampagne des Baumarkt-Giganten Hornbach zusammen mit der Berliner Werbeagentur Heimat unter dem Motto "Schwitz es raus". Das Thema: die Bekämpfung des Alltagsstresses durch Gartenarbeit. Stressauslösende Faktoren – vom aufgebrachten Chef über den sich an Extreme-Metal versuchenden Sohn hin zu schrillen Weckern, piepsenden Handys und allgemeiner Reizüberflutung – werden von einer Bande "Rubber Cowboys" abgebaut und schließlich in Form von tropfendem Schweiß wieder ausgeschieden.
Der surreale, kafkaeske Werbespot reiht sich dabei nahtlos in die außergewöhnlichen und polarisierenden Werbespots ein, für die Hornbach bekannt ist. Ob er aber auch beim Publikum gut ankommt, zeigt unser YouGov Reel Werbecheck.
Zuschauer bleiben zu lange im Dunkeln
Das erste Bauchgefühl bestätigt sich bereits bei der Analyse der Reel-Kurve. Die Echtzeitbewertung sinkt gleich zu Beginn unter die neutrale Mittellinie und befindet sich bis etwa zum letzten Drittel in einem stetigen Abfall. Damit landet sie bei einem selten erreichten Tiefst-Score von 38. Das Blatt wendet sich erst mit dem von der Stirn perlenden Schweiß und damit mit der Auflösung der Story. Ein Anstieg der Bewertungskurve ist hier vor allem beim Hornbach-Branding zu sehen, was auf ein stark positiv besetztes Markenbild hindeutet.
Ein Blick in unseren Markenmonitor BrandIndex bestätigt dies, findet sich Hornbach hier doch gegenwärtig unter den Top 5 der getrackten Baumärkte. Zurück zur Reel-Kurve: Auch die Auflösung und die Markenstärke kann die Gesamt-Spotbewertung nicht mehr retten. So liegt der durchschnittliche Reel-Score mit 43 deutlich unter dem Benchmark.
Mehr Arthouse als Werbung
Die gestützte Abfrage zur Einschätzung verschiedener Spot-Dimensionen zeigt ebenfalls, dass der Hornbach Werbespot die Zuschauer auf die Probe stellt. Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) bewerten den Spot als schlecht oder mittelmäßig. Ausgezeichnet oder gut finden ihn hingegen nur 12 Prozent, wobei Männer den Spot deutlich besser bewerten als Frauen (17 Prozent zu 8 Prozent). Mehrheitlich negativ werden zudem die abgefragten Gestaltungsdimensionen, darunter Musik, Darsteller sowie gesprochene Inhalte und Handlung/Story wahrgenommen.
Dass sich Hornbach mit dem Spot keinen Dienst erwiesen hat, zeigt auch die Frage nach der Auswirkung des Gesehenen auf die Markenwahrnehmung. Ein Viertel (25 Prozent) der Zuschauer gibt an, das Markenbild habe sich verschlechtert. Ebenfalls geben nur 26 Prozent an, nun angeregt zu sein sich näher über die Marke zu informieren. Niedrig bewertet wird der Spot zudem auf mehreren für die Markenbindung wichtigen Dimensionen wie Glaubwürdigkeit (41 Prozent), Marken-Fit (51 Prozent) und Produktkategorie-Fit (46 Prozent).
Genau im Benchmark hingegen liegt der Spot hinsichtlich der gestützten Werbeerinnerung (91 Prozent können sich daran erinnern, ihn gesehen zu haben). Zudem wird der Spot als humorvoll (56 Prozent), spannend (40 Prozent) und aktiv (73 Prozent) wahrgenommen. Ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt er auf der Dimension Einzigartigkeit: 82 Prozent stimmen zu, dass sich der Spot von anderen abhebt. Somit kann Hornbach hinter den Wiedererkennungseffekt sein Häkchen setzen.
Da es sich bei dem Spot letztendlich aber immer noch um eine Werbung handelt und nicht um einen Arthouse-Kurzfilm, bleibt die Zweckerfüllung fraglich. Eine mögliche Erklärung für die unterdurchschnittliche Bewertung liefert die Dimension Verständlichkeit. So findet nur knapp die Hälfte (48 Prozent) den Spot verständlich, was weit unter dem Durchschnitt liegt.
Eklige Szenen, gruselige Bilder
Ein Blick auf die offenen Nennungen unterstreicht den schweren Stand des Spots bei den Befragten. So werden zwar einerseits Kernpunkte der Botschaft durchaus erfasst. Hornbach wird etwa als unterstützende Instanz zur Umsetzung eigener Projekte wahrgenommen und als Unternehmen, das beim "Selbermachen", "Projekte anpacken" und "Es-alleine-schaffen" hilft beschrieben. Andererseits wird der Zusammenhang von körperlicher Arbeit und der daraus resultierenden Verarbeitung des Alltagsstresses eher selten identifiziert. Ein Befragter ist sogar der Ansicht, "Werbung für Steine" gesehen zu haben.
Dabei wird der Spot als deutlich überzeichnet oder zu aufdringlich beschrieben und Aussagen wie "total nervig", "einfach nur schrecklich" oder "der Mittelteil war eklig und gruselig" finden sich in verschiedenen Abwandlungen am häufigsten in den Kommentaren. Auch die in den gestützten Fragen erhobene geringe Verständlichkeit findet sich in Äußerungen wie "Nonsens", "wirr" oder "aussagelos" wieder. Eine Rolle werden hier sicherlich auch die sehr schnellen und fast schon hektischen Szenenwechsel spielen, die das Verarbeiten des Gesehenen zunehmend erschweren.
Dennoch gibt es auch jene Zuschauer, die an dem Spot Gefallen finden, vielleicht gerade weil sie ihn verstehen. Zwar wird die Frage nach positiven Aspekten mehrheitlich mit "nichts" beantwortet, jedoch gibt es, wenn auch wenige, Zuschauer, die den Spot lustig und witzig fanden, weil er skurril, originell, kreativ und "außergewöhnlich, mal was Anderes" ist. An dieser Stelle wird übrigens auch die Auflösung am Ende des Spots positiv hervorgehoben.
Rubber Cowboys schießen über das Ziel hinaus
Zwischen dem aus Hornbach Werbeprospekten vorlesenden Blixa Bargeld, Frontmann der Band Einstürzende Neubauten, und Clips wie "Gothic Girl", "Herzblut" ,und "Schwitz es raus" liegt mehr als ein Jahrzehnt. Dennoch wirkt es, als zöge sich ein ungebrochener roter Faden durch die Werbeästhetik. So wird nicht erst seit kurzem das eher unsexy Thema Baumarkt auf unkonventionelle Art und Weise mit einem Hang zum avantgardistischen beworben. Damit einher geht allerdings auch immer die Gefahr der Massenuntauglichkeit, die sich nicht nur beim aktuellen Spot, sondern auch bei der Herzblut-Kampagne zeigte, die wir seinerzeit ebenfalls hier im Werbecheck unter die Lupe genommen hatten.
Zwar gibt es unter den Befragten jene, bei denen der Spot gut ankommt. Die Mehrheit empfindet ihn jedoch als abstoßend – zu schrill, zu laut, zu lang, zu hektisch und sogar aggressiv. Zudem wird die Darstellung der gelbgewandeten "Rubber Cowboys" von einigen Befragten als rassistisch und diskriminierend wahrgenommen. Die geringen Bewertungen hinsichtlich der Verständlichkeit und auch der Kurvenverkauf zeigen deutlich, dass die Zuschauer hier zu lange im Unklaren gelassen wurden. Hätten sie etwas eher verstanden, dass es sich um die Stressverarbeitung bei der Gartenarbeit dreht, wären die Urteile sicherlich besser ausgefallen.
Alles in Allem tut sich Hornbach dieses Mal keinen Gefallen mit seiner Experimentierfreudigkeit und schießt über das Ziel hinaus. Für die nächste Kampagne wäre es ratsam, etwas weniger auf Arthouse und dafür etwas mehr auf das Vermitteln der Kernbotschaft zu setzen. Allerdings ohne dabei den eigenen Stil zu verraten. Als bekennender Hornbach-Werbe-Fan bin ich zuversichtlich, dass dies gelingen wird.
Methode
Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 03. bis 06. April 2018 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 432 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Douglas, Shop Apotheke, Schwäbisch Hall und Ovomaltine getestet.
So erschienen auf HORIZONT.
Bild: dpa