Lovables sind für die Revolution ungeeignet

Philipp SchneiderHead of Marketing
März 01, 2018, 12:34 nachm. GMT+0

Ende Januar gab Henkel den Startschuss für seine Lovables-Kampagne. Die Messlatte liegt hoch: Schließlich will der Konsumgüterriese mit der Wäscheparfümserie der Procter & Gamble-Marke Unstoppable das Wasser abgraben. Ob die Kampagne wesentlich dazu beiträgt, darf bezweifelt werden. Im Werbecheck, den Yougov wieder exklusiv für HORIZONT Online erstellt hat, kann die von TBWA Düsseldorf entwickelte Kampagne nicht wirklich überzeugen. Warum das so ist, erklärt Yougov-Marketer Philipp Schneider in seiner Kolumne für HORIZONT Online.

Die Düsseldorfer Agentur TWBA hat sich zur Markteinführung der Waschmittel- und Wäscheparfümproduktreihe Perwoll Lovables aus dem Hause Henkel etwas Großes vorgenommen: Mit der Kampagne "Meine Kleider, meine Schätze" soll nichts weniger als die Beziehung zwischen Mensch und Kleidung revolutioniert werden. Im Mittelpunkt dieser Revolution: eine junge Frau, die in Indiana-Jones-Manier auf einem orientalisch anmutenden Markt, im Dschungel und in der Wüste Kleider entdeckt, jagt, ja gar um sie kämpft. Der Kleiderschrank fungiert in der Bildsprache als Schatztruhe, deren Inhalt durch die Pflege mit Perwoll Lovables langfristig erhalten bleibt. Ob der Spot rund um die Schatzjagd und die richtige Kleiderpflege tatsächlich zum Auslöser einer Revolution taugt, zeigt unser YouGov Reel Werbecheck.

Revolutionäre Dynamik Fehlanzeige

Revolutionen sind dynamische Prozesse, die von einem stetigen Hin und Her geprägt sind. Hierauf liefert die Reel-Kurve zunächst keine Hinweise. Betrachtet man die Spot-Bewertung über alle Zielgruppen hinweg, so verbleibt die Kurve während der Kleiderjagdszenen zwischen einem Score von 50 bis 52. Ab der Einblendung des Produktes etwa zur Spotmitte schlängelt sich die Bewertungskurve rund um einen Wert von 47. Im Schnitt reicht das für einen nicht besonders aufregenden und im Benchmark unterdurchschnittlichen Gesamt-Score von 49. Entsprechend niedrig fällt der für die Marke wichtige Reel-Score@Branding aus. Mit 48 liegt er, wenn auch knapp, unter dem neutralen Wert von 50. Etwas spannender wird es, wenn wir uns die Reel-Echtzeitbewertungskurven nach Zielgruppen getrennt anschauen.

Mit Blick auf die Produktkategorie und die erzählte Story ist es dabei wenig überraschend, dass der Spot von Frauen besser bewertet wird als von Männern. Aber auch wenn in der weiblichen Zielgruppe die Kurve etwa bei der Einblendung der verschiedenen Kleider auf dem Markt und im Dschungel kurzfristig einen Wert von knapp 57 erreicht, kann man nicht von plötzlichen Begeisterungsstürmen bei den Zuschauerinnen sprechen. Passend zur Gesamtkurve liegt bei den Frauen der Reel-Score@Branding ebenfalls bei einem im Benchmarkvergleich tendenziell unterdurchschnittlichen Wert von 53.

Kleiderschrank ersetzt kein Steindepot

Die gestützte Abfrage zur Einschätzung verschiedener Spot-Dimensionen zeigt, dass eine Schatzkiste voller Kleider ein strategisch platziertes Steindepot im revolutionären Prozess nicht ersetzen kann. Nur jeder zehnte Befragte (11 Prozent), und damit deutlich weniger als im Benchmark, bewertet den Spot als ausgezeichnet oder sehr gut und nur zwei von drei (67 Prozent) können sich überhaupt daran erinnern, den Spot von Lovables im Test gesehen zu haben. Ungestützt wird die weitgehend bekannte Marke Perwoll wesentlich häufiger genannt als der Produktname. Im Vergleich zum Benchmark schneidet der Spot nur in den Bereichen Exklusivität (57 Prozent) und Internationalität (61 Prozent) besser ab. Im Benchmark liegt der Spot hinsichtlich der Einschätzung der Markenpassung (80 Prozent) und Modernität (74 Prozent) sowie der Passung zur Produktkategorie (75 Prozent). Für zwei Drittel (68 Prozent) vermittelt das Gesehene ein positives Bild der Marke und ein Drittel (35 Prozent) will sich näher über das Produkt informieren. Leider hapert es gleichzeitig bei essentiellen Dimensionen, etwa der Glaubwürdigkeit (45 Prozent), und auch die einzelnen Gestaltungsmerkmale wie beispielsweise Farben, Musik, Orte und Darsteller werden im Schnitt von weniger als einem Drittel der Befragten mit ausgezeichnet oder sehr gut bewertet.

Wirft man einen Blick auf die Antworten der weiblichen Befragten, schneidet der Spot in vielen Dimensionen etwas, aber nicht viel, besser ab. Lediglich in einigen Fällen liegt die Bewertung des Spots bei den Frauen so deutlich über jener der Männer, dass in dieser Zielgruppe der Benchmark zwar nicht übertroffen, aber doch erreicht wird. So geben etwa drei Viertel (74 Prozent) der Frauen an, der Spot vermittle ein positives Bild der Marke und 91 Prozent sind der Ansicht, der Spot passe zu Marke. Und ein Fünftel (20 Prozent) der befragten Frauen gibt an, das Produkt wahrscheinlich kaufen zu wollen.

Ein Schlachtruf ist schnell gefunden

Mindestens einen Aspekt teilen sich Werbung und revolutionäre Bewegungen: Beide benötigen klare, einfach zu merkende Aussagen, die im Gedächtnis hängen bleiben und bei Nachfrage leicht zu reproduzieren sind. Im Falle der Lovables Werbung ist es eindeutig gelungen, die Produkteigenschaften deutlich und reproduzierbar zu transportieren, wie sich in den offenen Nennungen zeigt. "Wenn man seine Kleidung liebt, soll man sie mit Perwoll Wäscheparfüm pflegen, damit sie lange gut duftet" schreibt einer der Befragten und fasst so archetypisch die schriftlichen Äußerungen zur Kernaussage zusammen.

Die Frage danach, was am Spot gut gefallen hat, bleibt im Vergleich mit anderen Werbechecks deutlich häufiger unbeantwortet. Gelobt werden zumeist die Farben auf Basar und im Dschungel sowie die Jagdszene in der ersten Hälfte des Spots. Gleichzeitig wird hier deutlich, dass der Übergang mit der anschließenden Produktwerbung nicht gelungen ist. Das Dilemma äußert einer der Befragten so: "Die Bildsequenzen, die das Verhältnis der Besitzerin zu ihren Kleidungsstücken zeigten, waren gut gemacht. Die Werbesequenzen für das Produkt selbst standen dazu in krassem Gegensatz und waren außerordentlich konventionell und langweilig". Womit auch schon ein Großteil der offen genannten Kritikpunkte zusammengefasst wäre. Allerdings finden sich noch zwei weitere Punkte häufiger unter den kritischen Nennungen. Zum einen wird an der Sinnhaftigkeit des Produkts an sich gezweifelt, etwa, weil kein Unterschied oder Mehrwert zur klassischen Waschmittel und Weichspüler-Kombination gesehen wird. Zum anderen steht das vermittelte Frauenbild in der Kritik. Vor allem das "Klischee, dass Frauen komplett von Kleidung besessen sind" stößt auf.

Die Revolution zwischen Mensch und Kleidung bleibt erstmal aus

Eines zeigt der Lovables-Spot deutlich: Wäsche-Shampoo und Parfum- & Pflege-Conditioner eignen sich nicht als Grundstoff für Molotov-Cocktails. Dennoch handelt es sich, insbesondere, wenn man die Zielgruppe der Frauen betrachtet, um einen soliden, wenn auch wenig begeisternden Spot. Perwoll wird als Marke erkannt und das Produkt Lovables als exklusiv wahrgenommen, auch wenn sich die Befragten selten an den Produktnamen erinnern. Die Reel-Analyse lässt vermuten, dass der Übergang zwischen Story und Produktteil ab der Spotmitte nicht optimal geglückt ist. Den einzelnen Schatzsuche- und Modejagdepisoden hätte etwas mehr Platz eingeräumt werden können, um die Erwartungshaltung der Zuschauer zu steigern und mit einer kurzen, prägnanten Produktplatzierung die Story aufzulösen. Einen Bruch von Kategorie-Codes wie von TWBA beabsichtigt oder gar der Funken, der eine Revolution im Verhältnis zwischen Mensch und Kleidung entzündet, lässt sich anhand unserer Analyse jedenfalls nicht entdecken. Dafür werden, zumindest im getesteten Spot, die althergebrachten Klischees, wenn auch mit schönen Bildern, noch zu deutlich bedient.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 01. bis 06. Februar 2018 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 200 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Xing, Booking.com, PurinaDentaLife und DrückGlück getestet.

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