Erster Einsatz des YouGov Wahlmodells in Deutschland – wie war‘s?

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Peter MannottHead of Custom Research
September 25, 2017, 3:40 nachm. GMT+0

Der erste Test des YouGov Wahlmodells ist mit der gestrigen Bundestagswahl zu Ende gegangen. Was gut lief, und wo Verbesserungspotenzial besteht, zeigt eine erste vorläufige Analyse.

In der vergangenen Woche haben wir unser erstes Wahlmodell in Deutschland für die Bundestagswahl 2017 veröffentlicht. Dabei betonten wir, dass alle Modellschätzungen einen statistischen Fehler haben und es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt. Auch wenn vergleichbare Modelle bei vergangenen Wahlen in den USA und in Großbritannien bereits gute Vorhersagen lieferten, brachte die Übertragung des Modells auf die Bundestagswahl einige besondere Herausforderungen mit sich. Wir haben schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass die Ausgangsvoraussetzungen für den Erfolg des Modells in Deutschland schlechter waren, vor allem aufgrund der nicht-öffentlichen Verfügbarkeit entsprechender Datenbestände, sowie des vergleichsweise komplexen deutschen Wahlsystems. Mehr zu diesen spezifischen Hürden erfahren Sie hier.

Eine erste vorläufige Analyse nach der gestrigen Bundestagswahl zeigt wo Licht und Schatten des ersten Modelleinsatz in Deutschland lagen.

Schwierig für das Modell vorherzusagen waren die Zweitstimmen-Anteile: Hier lag das Modell in Bezug auf CDU und SPD zu hoch, während wir die Grünen und die FDP unterschätzt haben (jeweils um 2-4 Prozentpunkte). Worin genau die Ursachen dafür lagen, werden ausführlichere Analysen in den nächsten Tagen zeigen. Den Befund werden wir hier publizieren – so wie wir bereits den erstmaligen Einsatz unseres innovativen Modells transparent vorgestellt haben. Die Vermutung liegt nahe, dass es daran lag, wie das Zusammenspiel zwischen Erst- und Zweitstimme in das Wahlmodell aufgenommen wurde.

Die Schätzungen der Erststimmen auf Wahlkreis-Ebene waren dagegen – wie auch bei den Einsätzen in den USA und UK – deutlich genauer. Alle Schätzungen der Parteien lagen hier in einem Intervall von zwei Prozentpunkten. Um den Wahlausgang aber annährend korrekt vorherzusagen, muss allerdings auch die Zweitstimme richtig geschätzt werden. Übergreifend lässt sich sagen, dass die Projektion der Zweitstimme zu ähnlich der Projektion für die Erststimme war, wodurch die kleineren Parteien unterschätzt wurden.

ParteiErgebnis(Erststimme)Schätzung(Erststimme)Abweichung(Erststimme)Ergebnis(Zweitstimme)Schätzung(Zweitstimme)Abweichung(Zweitstimme)

CDU/CSU

37,3

39

1,7

32,9

35,8

2,9

SPD

24,6

26,3

1,7

20,5

24,7

4,2

Die Linke

8,6

9,3

0,7

9,2

10,2

1

Grüne

8

5,9

-2,1

8,9

6,5

-2,4

FDP

7

5,7

-1,3

10,7

7,4

-3,3

AfD

11,5

10,6

-0,9

12,6

11,6

-1

Sonstige

3,1

3,3

0,2

5

3,8

-1,2

Andere Aussagen des Modells trafen dagegen ins Schwarze: Das Modell hat die AfD als drittstärkste Kraft ausgewiesen und auch den Stimmanteil – sowie das gute Abschneiden besonders im Osten Deutschlands - relativ genau geschätzt. Auch wenn die Anteile der Linken in Ost-Deutschland überschätzt und die der AfD sogar noch unterschätzt wurden, waren die Schätzungen in vielen Bundesländern relativ nah am jeweiligen Wahlausgang.

Herauszuheben ist die Leistung des Modells in Bezug auf die Schätzung der Größe des Bundestags und der Anzahl der Überhangmandate. Das liegt in der guten Schätzung der Erststimmen-Anteile in den Wahlbezirken begründet: 276 von 299 Wahlbezirken hat das Modell richtig vorhergesehen (92%). Damit war die Berechnung der Überhangmandate relativ nah am Wahlausgang – auch wenn die Zweitstimmenanteile der CDU überschätzt wurden. Das Modell schätzte die Größe des Bundestages auf 686 Sitze – mit einem Intervall von 656 bis 728 Sitzen – und liegt damit recht nah an der voraussichtlichen Größe des Bundestags von 709 Sitzen.

Insgesamt sehen wir das aktuelle Modell als einen vielversprechenden Start, welcher uns die aktuellen Grenzen und Herausforderungen des Wahlmodells für Deutschland augenscheinlich gemacht und uns die Aufgaben für eine Modellverbesserung deutlich aufgezeigt hat.

Bild: dpa