Normalerweise ist rege Konkurrenz von Vorteil für Verbraucher. Oder auch für Anbieter, die ihre Prozesse besser im Griff haben. Doch obwohl bei Ryanair viele Flüge ausfallen, halten Bestandskunden der Airline die Treue.
Es lief gut für Ryanair – eigentlich: neue Abflughäfen und Verbindungen in Deutschland und Europa machten die Airline für mehr Passagiere interessant. Die Pleite von Alitalia, das Straucheln von Airberlin und zuletzt das Ende der britischen Billigairline Monarch, all das sollte Ryanair um so stärker machen. Chef Michael O’Leary polterte gar, dass auch Norwegian Air Shuttle noch dieses Jahr in die Insolvenz gehen würde – und wollte damit wohl betonen, wie gut Ryanair im Gegensatz dazu aufgestellt sei. Was O’Leary damit auf jeden Fall gelingt, ist wahrgenommen zu werden. Die allgemeine Aufmerksamkeit für Ryanair ist im BrandIndex konstant deutlich höher als bei anderen Billigfliegern.
In den täglichen repräsentativen Umfragen für unser Markenperformance-Monitoring von YouGov sagen Verbraucher also, dass sie von Ryanair mehr wahrnehmen als von direkten Wettbewerbern – und zwar nicht nur in Krisenzeiten. Doch aktuell ist Krise: In zwei Wellen hat Ryanair tausende Flüge bis weit ins nächste Jahr hinein gestrichen. Offiziell werden Fehler bei der Dienstplanung der Crews als Grund genannt. Branchenexperten vermuten jedoch, dass den Iren schlicht das Personal ausgeht. Es herrscht Pilotenmangel, denn auch andere Fluggesellschaften wollen wachsen.
Arbeitgeber-Image wieder am Boden
Diese Einschätzung kommt auch bei den Verbrauchern an. Das Image von Ryanair als Arbeitgeber bewerten sie im BrandIndex zwar schon immer überwiegend schlecht, doch die aktuelle Personalkrise beim Billigflieger hat das Arbeitgeberimage wieder absacken lassen. Bei allen anderen Fluggesellschaften, zu denen wir Daten erheben – von Turkish Airlines über die österreichische Niki bis hin zur von Pilotenstreiks gebeutelten Lufthansa an der Spitze der Rangliste – geht es dem Personal besser als bei Ryanair, so die Verbrauchermeinung.
Kommen die Piloten zur gleichen Einschätzung und eröffnet der anziehende Wettbewerb ihnen anderswo neue Jobchancen, dürfte das ein ernsthaftes Problem für Ryanair darstellen. Erst am Freitag hat O’Leary versucht gegenzusteuern und Gehaltssteigerungen versprochen. Außerdem habe das Unternehmen in den vergangenen drei Monaten mehr als 200 Piloten neu eingestellt. Und 200 Piloten hätten in den vergangenen Wochen ihre Ausbildung bei Ryanair abgeschlossen.
Vielleicht kann sich Ryanair damit die Loyalität der Crews sichern. Aber die Treue der Kunden steht dann weiterhin noch auf dem Spiel. Das stärkste Argument für eine Buchung bei Ryanair sollte das Preis-Leistungs-Verhältnis sein. Doch schon vor den aktuellen Flugstreichungen hat es Verbraucher nicht wirklich überzeugt. In ganz Europa fragen wir regelmäßig, ob Ryanair in dieser Hinsicht eher positiv oder eher negativ einzuschätzen ist. Schweden, Dänen und Norweger sagen überwiegend „negativ“, Finnen und Briten sind unentschlossen, und nur Deutsche und Franzosen bewerten es überwiegend positiv. Abgesehen davon, dass Ryanair seinen Flugplan wieder in den Griff bekommen muss, muss das Unternehmen also auch darauf achten, die richtige Balance zwischen niedrigen Preisen und angemessener Leistung nicht zu verlieren.
Anteil an treuen Bestandskunden auf gleicher Flughöhe
Aber Verbraucher zeigen auch nach wie vor reges Interesse an Ryanair. Sie sagen beispielsweise, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis besser sei als bei AirFrance oder Turkish Airlines. Immerhin 11 Prozent der Deutschen, die Ryanair kennen, würden die Fluggesellschaft bei der nächsten Reise in die engere Wahl nehmen. Easyjet und Niki, aber auch Swiss und British Airways erreichen vergleichbare Werte.
Ryanair ist also immer noch konkurrenzfähig – und mehr als das: Verbraucher, die schon mal mit Ryanair geflogen sind, würden weiterhin zu gleichen Anteilen eine erneute Buchung bei der Airline in Betracht ziehen. Bestandskunden halten Ryanair also die Stange. Allein damit weiter wachsen werden die Iren allerdings nicht. Um neue Passagiere zu gewinnen, muss Michael O’Leary sich mehr einfallen lassen, als mit Verbalattacken andere Fluggesellschaften in ein schlechtes Licht zu rücken.
So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.
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