Flüchtlingsunterbringung: Beschlagnahme ist umstritten

Oktober 13, 2015, 12:00 vorm. GMT+0

45 Prozent der Deutschen finden, leerstehende Gewerbeimmobilien sollten beschlagnahmt werden können, um Flüchtlinge unterzubringen. Bei Privatwohnungen sagen dies deutlich weniger.

Ein umstrittenes Gesetz hat die Hamburgerische Bürgerschaft Anfang des Monats beschlossen. Seitdem können in der Hansestadt leerstehende Gewerbeimmobilien beschlagnahmt werden, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Privatwohnungen sollen von dem Gesetz allerdings nicht betroffen sein.

Und auch die deutsche Bevölkerung sieht einen Unterschied zwischen leerstehenden Gewerbeimmobilien und Privatwohnungen. Denn während es für die Möglichkeit der Beschlagnahme von Geschäftsräumen, die nicht genutzt werden, in etwa gleich viele Befürworter und Gegner gibt, ist die Ablehnung einer möglichen Beschlagnahme von Privatwohnungen deutlich größer. Das ist das Ergebnis einer aktuellen YouGov-Umfrage.

Dabei wurden die Befragten zuerst gefragt, ob sie ein Gesetz wie jenes in Hamburg, die die Beschlagnahme von leerstehenden Geschäftsräumen erlaubt, auch in ihrem Bundesland befürworten oder ablehnen würden. Ein eindeutiges Ergebnis gab es dabei nicht: 45 Prozent der Befragten wären für ein solches Gesetz, 46 Prozent dagegen.

Unterschiede gibt es dabei unter anderem zwischen den Wählern der unterschiedlichen Parteien. Während die Anhänger von Union (51 Prozent) und Linkspartei (54 Prozent) mehrheitlich gegen ein solches Gesetz sind, sind SPD- und Grünen-Wähler dafür. Bei den Grünen fällt mit 72 Prozent Befürwortern und nur 19 Prozent Gegnern das Urteil sehr deutlich aus, bei der SPD etwas knapper (59 Prozent dafür, 35 Prozent dagegen).

Etwas einiger sind sich die Anhänger der im Bundestag vertretenen Parteien bei der Frage, ob es auch eine Möglichkeit geben sollte, leerstehende Privatwohnungen für die Flüchtlingsunterbringung zu beschlagnahmen. In allen vier Wählergruppen ist jeweils mehr als die Hälfte der Befragten dagegen – von den Anhängern von CDU und CSU (80 Prozent) sowie der Linkspartei (81 Prozent) allerdings deutlich mehr als von denen der Grünen (55 Prozent). Entsprechend eindeutig ist auch das Verhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern in der Gesamtbevölkerung: Jeder fünfte Befragte (21 Prozent) fände eine solche Möglichkeit unterstützenswert, knapp drei von vier Befragten (72 Prozent) wären dagegen.

Dort, wo es kein Gesetz wie jenes in Hamburg gibt, ist die Beschlagnahme grundsätzlich nur im Fall eines „polizeilichen Notstandes“ zulässig – und auch dort nur unter strengen Vorraussetzungen. Auch dank dieser Regelung konnten in der Nachkriegszeit trotz zerbombter Innenstädte zwölf Millionen Flüchtlinge in Deutschland untergebracht werden.

Auf Basis des YouGov Omnibus wurden in Deutschland 1166 Personen im Zeitraum vom 6. bis 9. Oktober 2015 repräsentativ befragt.

Foto: Michael Sohn/AP/Press Association Images

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