Lichterketten sind kein Ersatz für eine gute Story

Philipp SchneiderHead of Marketing
Dezember 17, 2018, 12:57 nachm. GMT+0

Die Weihnachtskampagnen der großen Werbungtreibenden Ikea, Otto, Aldi Süd, Samsung und Zalando sind seit einigen Wochen on air. Doch kommen die Markenversprechen darin rüber? Diese Frage weiß Philipp Schneider zu beantworten. Der Marketing-Manager von Yougov hat mit dem Yougov Reel getestet, wie die Auftritte für die besinnliche Zeit bei den Zuschauern ankommen.

Weihnachten steht vor der Tür und vielleicht hat der ein oder andere auch schon einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt getrunken, um sich im Schein der Lichter auf die besinnlichen Tage einzustimmen. Zumeist besinnlich geht es auch in unserem diesjährigen Weihnachts-Werbecheck-Special zu. Zusammen mit der Horizont Redaktion haben wir die Spots von Ikea, Otto, Aldi Süd, Samsung und Zalando für eine Analyse mit YouGov Reel ausgewählt. Während sich die Analyse der Werbeumfeld-Spots von Ikea, Otto, Aldi Süd, Samsung auf die Beschreibung der Reel-Kurve und damit auf das Gefallen der visuellen Komponente der Spots beschränkt, gehen die an die Echtzeitbewertung anschließenden Umfrageergebnisse zum Zalando Testspot weiter in die Tiefe. Dabei gehe ich der Frage nach, ob Lichterketten in Werbespots, ähnlich wie auf dem Weihnachtsmarkt, eine essenzielle Rolle bei der Vermittlung weihnachtlicher Gefühlswelten spielen.

Lichterketten sind nicht wichtig, um Spaß zu haben

Ikea: "Neues Weihnachten"

Ganz klassisch stellt Ikea die Familie in den Mittelpunkt des aktuellen Weihnachtsspots. Das einigen schon aus der Ikea TV-Werbung "Neues Zuhause" bekannte Vater-Sohn-Gespann stellt am 23. verwundert fest, dass die Wohnung noch nicht ausreichend für das anstehende Fest mit Familie und Freunden hergerichtet ist. Wir begleiten die beiden zu dynamischer Musik durch die perfekt choreografierte Vorbereitung, bei der der obligatorische Ikea Hot Dog nicht fehlen darf. Der schwedische Möbelgigant setzt beim Spot nicht auf besinnliche Stimmung, sondern gute Laune. Und das kommt an. Die Reel-Kurve steigt schnell auf einen Wert über 60 und verbleibt die gesamte Zeit auf hohem Niveau, sodass der durchschnittliche Score am Ende bei hervorragenden 62 liegt. Auch die fröhlichen Familienbilder zeigen Wirkung und halten die Kurve bis zum Branding auf Niveau, womit ein ebenfalls sehr guter Reel-Score@Branding von 65 erreicht wird. Eine Lichterkette findet sich auch im Spot, allerdings lediglich in beleuchtender Funktion. Ein erster Hinweis darauf, dass in Reihe geschaltete Leuchtmittel nicht essentiell für gelungene Weihnachtsspots sind.

Ikea setzt beim Spot nicht auf besinnliche Stimmung, sondern gute Laune. Und das kommt an

Not saved by Lichterkette

Weihnachten ist alles drin – Festessen, den Weihnachtmann treffen und Liebe.

Im letzten Jahr überzeugte Otto mit der Kurzversion der Weihnachtskampagne "Gemeinsam wird's Weihnachten" und belegte Platz 1 des Werbecheck-Weihnachts-Specials 2017. Dieses Jahr setzt Otto im getesteten Spot seiner "Alles drin" Kampagne wie Ikea auf Humor. Allerdings wirkt der sich an Weihnachtsklischees abarbeitende Spot weniger überzeugend als der Spot der Schweden – und spricht in der Detailanalyse eher Männer an. Die schnell geschnittenen, ohne erkennbare Story arrangierten Szenen werden mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 53 eher lau bewertet. Entsprechend liegt der Reel-Score@Branding lediglich bei 54. Auch die kurze Szene der Familie, die die Weihnachtsbeleuchtung des Wohnmobils einschaltet, kann die durchgehend eher flache Reel-Kurve nicht zu einem Aufschwung bewegen.

Dieses Jahr setzt Otto im getesteten Spot seiner "Alles drin" Kampagne auf Humor

Lichterkette an, Versöhnung ab

ALDI SÜD Weihnachtsspot 2018: Weihnachtsbeleuchtung | #aldibrauchtbass

Discounter Aldi Süd setzt das weihnachtliche Thema Versöhnung in den Mittelpunkt. Auch hier spielt Licht eine wichtige Rolle. Durch schwungvolles Anschalten weihnachtlicher Außenbeleuchtung inklusive Lichterkette wird im Handumdrehen ein anscheinend schon lange währender Nachbarschaftsstreit um das Wegerecht beigelegt – wenn es doch auch in der Realität so einfach wäre. Kurz, knackig und ohne große Gefühlsduselei im Vorfeld erreicht der Spot einen im Durchschnitt guten Reel-Score von 57. Das Branding kommt passend im Anschluss an den Peak-Score. So erreicht der ReelScore@Branding einen überdurchschnittlichen Wert von 60. Besonderes Potenzial entfaltet der Spot bei den Zuschauerinnen. Diese bewerten das Gesehene deutlich besser und der Score@Branding liegt in der Zielgruppe bei selten erreichten 64.

Auch im weihnachtlichen Aldi-Auftritt spielt Licht eine Rolle

Smarte Lichterkette, gleiche Werte

Samsung "Be together" 2018

Im Gegensatz zu Aldi spielt Samsung von Beginn an die klassische Gefühlsklaviatur. Fokus: Familie und Zusammengehörigkeit. In gedeckten, stimmungsvollen Bildern und unterlegt mit "Somewhere Only We Know" von Keane im Elsa Roses Cover werden Personen gezeigt, die dank neuester Kommunikationsgeräte an Weihnachten geografische Grenzen überwinden und zueinander finden. Auch hier spielt eine Lichterkette die Hauptrolle, zumindest was das Storytelling angeht. Allerdings wird diese smart vom Südpol aus per Samsung-Gear-Smartwatch gesteuert – sorry, Aldi und Otto. Trotz der längeren und gefühlvolleren Geschichte kommt der Spot wie der zuvor Beschriebene von Aldi auf einen "nur" durchschnittlichen Reel-Score von 57. Auch bei Samsung ist das Branding passend (wenn auch nicht so perfekt wie bei Aldi) nach dem Peak-Score gesetzt, was ebenfalls einen respektablen ReelScore@Branding von 60 einbringt. Der mit Hinblick auf die bisher getesteten Werbespots des Elektronikriesen niedrige Durchschnittsscore ist in diesem Falle eher dem langsamen, zur Musik passenden Einstieg geschuldet, der sich in Relation viel Zeit lässt, um auf den Höhepunkt hinzuarbeiten.

Im Samsung-Spot steht Familie und Zusammengehörigkeit im Fokus

Gesang statt Lichterkette

Zalando: Immer in Mode - Weihnachten 2018

Der eigentliche Test-Spot dieses Weihnachts-Specials kommt ganz ohne Lichterkette aus und fällt damit aus dem Rahmen. Nicht aus dem Rahmen fällt hingegen das Setting. Zalando setzt auf leise Töne und lässt einen altersgemischten Chor in verschiedenen Sprachen "Stille Nacht" singen. Das Einblenden der Anzahl der bisherigen Weihnachten der gezeigten Personen vom ersten bis zum 107. Weihnachtsfest verstärkt die Emotionalität des Gesehenen. Ähnlich wie der Spot von Samsung nimmt Zalandos Werbung durch die ruhige Umsetzung nur langsam Fahrt auf. Daher reicht es insgesamt nur für einen durchschnittlichen, genau im Benchmark liegenden Reel-Score von 55. Das Branding erfolgt punktgenau an der am besten bewerteten Stelle des Spots, sodass der Reel-Score@Branding auch hier bei überdurchschnittlichen 61 liegt. Entsprechend der gespielten Klaviatur wird der Spot im Vergleich zum Benchmark häufiger als traditionell, bodenständig und, wenig verwunderlich im Kontext des mehrsprachig vorgetragenen Liedes, als überdurchschnittlich international wahrgenommen. Nicht so gut bewertet werden Brand- und Product-Category-Fit. Ein Drittel (34 Prozent), und damit mehr als im Benchmark, gibt an, der Spot passe nicht zur Marke. Auch trägt der Spot nur geringfügig zur Verbesserung des Markenbilds bei den Befragten bei.

Im Samsung-Spot steht Familie und Zusammengehörigkeit im Fokus

Unabhängig davon gefällt der Spot insgesamt jedem fünften Befragten (22 Prozent) sehr gut oder besser, selbst wenn der Blick in die gestützt abgefragten Gestaltungsdimensionen zeigt, dass auch hier das Rad nicht neu erfunden wurde – aber das muss es ja auch nicht. Hauptsache die Kernbotschaft kommt an. Und das tut sie. Auch wenn der im Englischen auch als Wortspiel funktionierende Slogan "Christmas. Never out of fashion" lediglich zwei Mal im Wortlaut in der offenen Abfrage nach der Kernbotschaft wiedergegeben wurde, finden sich zahlreiche Umschreibungen wie: "Zalando kommt, genau wie Weihnachten, nie aus der Mode" und "Zalando hat für jeden was zu Weihnachten, egal welchen Alters". Bei der direkten Frage, was gefallen hat, steht die Inszenierung des Chors im Vordergrund. Großen Zuspruch findet zudem der Aufbau der Werbung - der Anfang mit dem Baby, die Staffelung vom Jüngsten zum Ältesten und besonders der Abschluss in der Totalen samt Baby im Arm des 107-Jährigen. Ebenfalls positiv erwähnt wird die Diversität der Darsteller. Wenn es darum geht, was nicht gefallen hat, dann ist es die Länge des Spots und, wie sich schon die gestützte Abfrage zeigte, der Brand Fit. "Es reduziert mir Weihnachten zu sehr auf Mode" und "Kann den Bezug zu Zalando nicht finden" stehen hierfür beispielhaft. Die Länge sollte jedoch im Alltag keine Herausforderung darstellen. Der Spot wird schon in einer deutlich gekürzten Version im TV ausgespielt.

Weihnachtsspots gelingen auch ohne Lichterkette

Im direkten Vergleich der getesteten Spots konnte Ikea mit dynamischer Gestaltung und energiegeladenem Duo am meisten überzeugen. Zalando, Samsung und Aldi liegen trotz unterschiedlicher Herangehensweisen in der Bewertung nah beieinander. Was diese Spots gemeinsam haben ist, dass sie eine Geschichte erzählen. Diese muss nicht originell oder komplex sein, aber der Zuschauer bekommt etwas geboten, in das er sich hineinversetzten kann. Etwas hintenan steht dieses Jahr Otto. Hier sind die Bilder zu schnell geschnitten und es fehlt eine über den Humor hinaus erkennbare Story. Die szenische Klammer des misslingenden Familienfotos in Weihnachts-Pullovern macht den Spot nicht rund. So kann der Versandhändler nicht an den Werbecheck-Erfolg der letztjährigen Kampagne anschließen. Was der Werbecheck auch zeigt: Lichterketten mögen zwar für viele ein notwendiges Weihnachtsaccessoire sein, Weihnachtswerbespots kommen aber auch gut ohne sie aus. Nachdem somit die Eingangsfrage geklärt ist: Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Methode

Die Analyse der Werbespots fand mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei die Werbespots kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 16. bis 19. November 2018 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 214 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Die Spots von Ikea, Aldi, Zalando, Otto und Samsung wurden getestet.

So erschienen auf Horizont Online.