Warum Fernet-Branca (noch) nicht Jägermeister ist

Philipp SchneiderHead of Marketing
August 06, 2018, 9:20 vorm. GMT+0

Mit seiner aktuellen „Life is bitter “-Kampagne versucht Fernet-Branca eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Doch noch trifft die Marke den Massengeschmack bei weitem nicht so gut wie Jägermeister.

Schrieb sich Fernet Branca bis vor wenigen Jahren noch magische Kräfte zu, gibt sich die Marke nun deutlich realitätsnäher – und zwar mit dem Slogan der aktuellen Kampagne: „Life is bitter.“ Verglichen mit anderen Spirituosen-Marken setzt der italienischen Magenbitter nicht darauf, Alkoholgenuss mit den schönen Seiten des Lebens zu verbinden, sondern spricht eine Lebensrealität an, die spätestens mit 30 wohl jeder schon einmal empfunden hat. Offensichtlicher Grund: die Verjüngung der Zielgruppe. Die Daten des YouGov-Markenmonitors BrandIndex zeigen, wo Fernet-Branca gegenwärtig auf diesem Weg steht.

Welche Verbraucher Fernet-Branca ansprechen will, macht die Kampagne ziemlich klar. „Du bist wunderschön. Dank der Face-Tune App“, lautet einer der Werbesprüche. „Du führst ein Jetset-Leben. Auf Instagram“, ein anderer. Jeweils gefolgt von der Erkenntnis „Life is bitter.“ In der Tat zeigt der BrandIndex, dass die Kampagne überdurchschnittlich stark von Verbrauchern bis 30 wahrgenommen wird. Dennoch steht die Marke erst am Anfang des Imagewandels. Aktuell würden nicht mehr junge Menschen in Betracht ziehen Fernet-Branca zu trinken als vor einem halben Jahr.

Snapchat- statt Tchibo-Zielgruppe

Das Vorbild für den Imagewandel ist klar. Auch ein anderer Kräuterlikör hat vor ziemlich genau 20 Jahren angefangen, seine Zielgruppe zu verjüngen: Jägermeister ist vom Altherrenschnaps zum Trend-Drink geworden, der sich pur oder als Mischgetränk nicht nur in Kneipen, sondern Land auf Land ab auch in Clubs und Bars sowie auf Privatpartys findet. Beim Vergleich der Verbraucher, die Jägermeister kaufen würden, mit den Kaufinteressenten von Fernet-Branca anhand unserer YouGov-Profiles-Daten zeigt sich, wie weit der Weg noch ist, bis die Italiener vielleicht eines Tages genauso hip sind wie der Likör aus Niedersachsen. Potenzielle Fernet-Branca-Kunden sind deutlich öfter als Jägermeister-Interessenten Kunden von Kaufhof, Tchibo oder Telekom, während umgekehrt die Jägermeister-Zielgruppe häufiger Facebook und Snapchat nutzt oder Nike trägt. Dieser Ausschnitt einiger favorisierter Marken zeigt deutlich den Unterschied in der Altersstruktur der jeweiligen Kunden.

Auch wenn wir die Trinkgewohnheiten analysieren, zeigt sich, dass Fernet Branca bisher nicht den Massengeschmack trifft. Unter Jägermeister-affinen Verbrauchern ist im Vergleich zu potentiellen Fernet-Branca-Kunden beispielswiese die Zahl derjenigen deutlich höher, die sagen, dass sie Schnaps gegenüber Bier oder Wein bevorzugen. Dafür ist die aktuelle Fernet-Branca-Zielgruppe eher der Ansicht, dass es sich lohnt, für gutes Bier oder guten Wein mehr Geld auszugeben.

Gefestigtes Markenimage

Die Ausgangssituation von Fernet-Branca ist für das gesteckte Ziel dabei durchaus gut. Verbraucher haben einen überwiegend positiven allgemeinen Eindruck von der Marke. Die Qualität wird als besser wahrgenommen als etwa die von Kuemmerling. Kenner der jeweiligen Marke würden Fernet-Branca häufiger weiterempfehlen als Underberg. Und bei den Bis-30-Jährigen Markenkennern liegt Fernet-Branca in unserer Gesamtbewertung des Markenimages an Platz drei unter den Magenbittern. Vom Zweitplatzierten Ramazzotti trennen Fernet-Branca dabei weniger Punkte als von Kuemmerling auf Platz vier.
Insofern wird es spannend sein zu beobachten, wie sich die Marke in den kommenden Jahren einer jüngeren Zielgruppe weiter nähert – und wie die Wettbewerber darauf reagieren werden.

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.