Der Internetkonzert durchdringt den Alltag der Menschen. Mit „Pay Places“ hat Amazon ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einem allumfassenden Einkaufserlebnis geschaffen.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Freunde wollen eine Grillparty veranstalten. Sie kommunizieren über den Messenger einen Ort und eine Zeit. Diese werden vom digitalen Assistenzsystem angelegt. Ebenso eine Einkaufs- und To-Do-Liste. Der eine kauft beim Metzger – hat keine Lust bar zu bezahlen und scannt mit seinem Smartphone die Waren, die digital bezahlt werden. Der andere lässt sich mittels Lieferdienst die frischen Lebensmittel direkt an eine Paketstation nahe der Party liefern. So ähnlich könnte es in Zukunft für Nutzer der Amazon-App aussehen.
Zumindest sehr gut möglich ist dies mit einem Blick auf die verschiedenen Schritte, die der Internethändler in vergangener Zeit gemacht hat: Amazon arbeitet immer weiter daran, die Online- und Offline-Welt beim Einkaufen zum Verschmelzen zu bringen und eine Amazon-Umgebung zu schaffen, aus der der Nutzer im Idealfall nicht mehr hinaustreten muss. Vergangene Woche hat der Onlinekonzern das neue Feature „Pay Places“ gelauncht. Dieses soll den Nutzern der Amazon-App die Möglichkeit geben, in Läden und Restaurants bargeldlos nur mittels Smartphone zu zahlen. In den USA läuft dieses Modell bereits mit der Restaurantkette TGI Fridays.
Das Amazon-Universum
Was an Komponenten noch fehlt, um die verschiedenen Puzzelteilchen zusammenzuführen ist ein Messenger, über den die Kunden mittels digitalem Assistenzsystem kommunizieren können und der alle Vorgänge für sie abwickelt. Gerüchten nach arbeitet Amazon derweil an „Anytime“, der von seinen Funktionen her mit Multi-Chat und Emoticons dem Messenger „Whatsapp“ sehr ähnlich ist.
Durch diese Chat-App kann es Amazon möglich werden, seine verschiedenen Produkte (Alexa, Pay Places, Amazon Fresh, etc.) zusammenzuführen und andere Player auf dem Markt zu verdrängen. Dadurch, dass die verschiedenen Services geballt im Messenger verfügbar wären, wäre trotz dem späten Eintritt in den Markt Amazons Messenger eine Bedrohung für die anderen Player.
Werbetreibende würden immer mehr an Amazon gebunden, damit sie ihre Produkte überhaupt noch sichtbar platzieren, wenn immer mehr Amazon-Nutzer nur noch über das Amazon-Universum erreichbar sind. Mit „Amazon Spark“ kopiert der Internetriese gekonnt die Instagram-Optik, um seine Kunden auch visuell an sich zu binden.
Blick nach China zeigt Amazons mögliche Strategie
Ein Blick in den Einzelhandel in China lässt erahnen, was Amazon vorhaben könnte: Dort experimentieren die Unternehmen mit unterschiedlichen Modellen, die Online- und Offline-Welten zusammenbringen. Amazons Pendants in China, Alibaba und JD.com, bieten ihren Kunden Möglichkeiten, via QR-Codes und dem Messanger „WeChat“ (in Deutschland vergleichbar mit Whatsapp) zu bezahlen.
Vor einem Monat hatte Amazon mit dem Kauf der weltweit größten Supermarktkatte „Whole Foods“ (mit Standorten in USA, Kanada und Großbritannien) für 13,7 Milliarden Dollar den Alltag von vielen Kunden auch räumlich betreten. Und hat nun die Möglichkeit, das Einkaufsverhalten seiner Kunden nicht nur digital, sondern auch im Laden zu studieren.
Amazon hat alle Komponenten, die ein umfassendes Einkaufserlebnis ermöglichen können. Das digitale Assistenzsystem „Alexa“ soll in der kommenden Woche allen Amazon-App-Nutzern mit Android zur Verfügung stehen. Der Internetkonzern arbeitet aktuell daran, dass die künstliche Intelligenz des Systems sich noch schneller entwickelt und für die Nutzer so hilfreich wie möglich wird.
Chatbots als nächste Stufe der Kundenkommunikation
Das eingangs beschriebene Szenario der digital geplanten Grillparty ließe sich ideal mit einem Chatbot abwickeln. Amazon ist als Online-Händler genau in der Gruppe der Unternehmen, bei denen sich die Kunden die Kommunikation mit einer künstlichen Intelligenz am ehesten vorstellen könnten. Wie unsere Forschung zeigt, können sich zwei von fünf Befragten (42 Prozent) vorstellen, mit einem Chatbot zu kommunizieren.
Die Motive der Nutzung eines Chatbots passen ebenfalls zu den Interessen Amazons. Über die Hälfe der Nutzungsbereiten (55 Prozent) kann sich vorstellen, Bestellungen in kleinerem Rahmen aufzugeben (z.B. Essen bestellen). Hier ist das finanzielle Risiko nicht so hoch und die Personen sind es bereits gewohnt, auf persönliche Kontaktpersonen zu verzichten. Ebenfalls interessant ist für 59 Prozent die Bewertung von Produkten und Dienstleistungen und für 58 Prozent die Terminvereinbarung.
Wenn diese Vorteile richtig eingesetzt werden, indem die Bedenken der jeweiligen Zielgruppen ausgeräumt werden, könnte ein Chatbot verbunden mit Messenger für Amazon ein weiterer Schritt Richtung Vorherrschaft im Markt sein. Player im Bereich Einzelhandel und Messenger sollten in jedem Fall Amazons Schritte genau beobachten, um nicht überrumpelt zu werden.
Der YouGov Report Kommunikation per Chatbot kann unter diesem Link heruntergeladen werden.
Bild: dpa