Tag der Deutschen Unterschiedlichkeit

Philipp SchneiderHead of Marketing
Oktober 01, 2018, 12:17 nachm. GMT+0

Die Westdeutschen interessieren sich mehr für Fußball als die Ostdeutschen. Die wiederum finden die Olympischen Spiele besonders gut. Wo Ost und West sich nach 28 Jahren immer noch unterscheiden.

Am 3. Oktober 2018 feiert die Bundesrepublik Deutschland zum 28. Mal den Tag der Deutschen Einheit. 28 Jahre sind eine lange Zeit, und je nach Alter und Sozialisation haben viele Deutsche heute vermutlich nur noch eine schwache Vorstellung davon, dass Deutschland überhaupt einmal geteilt war. Und doch gibt es noch immer teils sehr deutliche Unterschiede zwischen Ost und West.

Manche dieser Unterschiede sind Teil der öffentlichen Politikdebatte, etwa die Einkommens- und Rentenunterschiede. Andere Unterschiede sind weniger augenscheinlich und zeigen sich oft erst in Datenanalysen. Etwa wenn sie persönliche Einstellungen und Alltagsgewohnheiten betreffen. Genau diese haben wir uns mit unserem Zielgruppen-Analyse-Tool YouGov Profiles einmal näher angeschaut.

Auffällig ist zum Beispiel die Einstellung zum Essen: Signifikant mehr Westdeutsche (in Relation zur Einwohnerzahl) als Ostdeutsche geben an, ein allgemeines Interesse an Essen, Trinken, Ernährung, Gastronomie und Nahrungsmitteln zu haben. Ostdeutsche dagegen nehmen häufiger jeden Tag etwas zu Essen von zuhause mit und betrachten Essengehen eher als etwas Außergewöhnliches. Dazu passt die Aussage, gerne für sich selbst und andere zu kochen, die Ostdeutsche öfter äußern, als Westdeutsche.

Wer für das Essen mit Verwandten und Freunden einkauft, geht im Westen eher zu Lidl, Edeka und Rewe, im Osten dagegen eher zu Kaufland und Netto. Auch werden dort teilweise unterschiedliche Produkte gekauft. So landen in ostdeutschen Einkaufswagen Rotkäppchen, Selters, Valensina, Spee, Lätta, Rügenwalder, Almette, Jacobs, Goldmännchen und Mon Chéri bemerkenswert häufiger (in Relation zur Einwohnerzahl) als in Westdeutschland. Umgekehrt sind Coke Zero, Coca Cola, Thomy, Heinz, Freixenet, Paulaner und Snickers im Westen weiter verbreitet.

Westen konservativer, Osten einwanderungskritischer

Dass es bei der politischen Einstellung teilweise große Unterschiede zwischen dem Osten und Westen Deutschlands gibt, zeigen nach jeder Wahl die Wahlanalysen. Interessante Erkenntnisse lassen sich aber auch anhand von konkreten Aussagen treffen, deren Zustimmung beziehungsweise Ablehnung der BrandIndex erhebt.

Dass zum Beispiel im Westen bezogen auf die Einwohnerzahl deutlich mehr Menschen der Aussage zustimmen, es gehöre sich zu heiraten, bevor man Kinder bekommt, zeigt, dass der Westen bei gesellschaftlichen Themen tendenziell konservativer eingestellt ist als der Osten. Auch befürwortet ein deutlich höherer Anteil der Westdeutschen ein Grundgesetz „auf Basis christlicher Wurzeln“ und lehnt eine Frauenquote in Firmenvorständen eher ab als es im Osten es Fall ist.

In Ostdeutschland ist dagegen die Meinung weiter verbreitet als im Westen, Deutschland sollte „weniger“ oder „gar keine“ Einwanderer aufnehmen. Zudem ist der Osten signifikant EU-kritischer, und der Islam wird hier eher verantwortlich für Terrorismus gemacht als das in Westdeutschland der Fall ist.

Trotz Unterschieden: Generell sind alle mit dem Leben zufrieden

Neben den großen politischen Themen sind es auch diverse Kleinigkeiten, die die Ost- und Westdeutschen nach wie vor trennen. Fußball ist eher die Leidenschaft von Westdeutschen, sie sind eher Nachtmenschen und häufiger in der Lage, Reifen selbst zu wechseln. Außerdem haben sie tendenziell mehr Freizeit als die Menschen im Osten. Diese wiederum interessieren sich eher für die Olympischen Spiele, halten sich häufiger für gut gekleidet und haben etwas häufiger Flugangst.

Trotz aller Unterschiede ist der Tag der Deutschen Einheit ein passendes Fest. Denn mit 78 beziehungsweise 79 Prozent geben nicht nur annähernd gleich viele, sondern auch die überwiegende Mehrheit der Ost- und Westdeutschen an, generell mit ihrem Leben zufrieden zu sein.

Man könnte ihn aber auch als Tag des Aufbruchs und des Loslegens verstehen – auch das würde passen. Denn sowohl im Osten als auch im Westen wünschen sich rund die Hälfte aller Deutschen mehr Gemeinschaftsaktivitäten mit den Nachbarn. Wer in einem Wohnhaus mit zehn Parteien alle Nachbarn fragt, dürfte im Schnitt also fünf finden, die Lust auf gemeinschaftliche Aktivitäten haben. Man könnte die Nachbarn aber auch einfach einladen – auch damit würde man sich selbst einen Wunsch erfüllen, den mehr als die Hälfte aller Deutschen hat, egal, wo sie leben: Sie laden gerne Menschen zu sich nach Hause ein. Gespräche ergeben sich dann automatisch: über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und die Zukunft.

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.