Die Hälfte der Wahlberechtigten wusste bereits im Februar 2017, welche Partei sie bei der Bundestagswahl 2017 wählen wird. Die Linke, Die Grünen und FDP haben die Mehrheit ihrer Wähler jedoch erst im Wahlkampf überzeugt.
Die Bundestagswahl hielt einige Überraschungen bereit. So rechneten beispielsweise nur wenige mit derart schlechten Ergebnissen der großen Parteien. Davon profitiert haben die sog. kleinen Parteien. Die Entscheidung, Die Linke, Die Grünen oder auch FDP zu wählen, haben Wähler häufig später getroffen als die Entscheidung für eine Stimme an die großen Parteien oder die AfD. Wie die Entwicklung im Zeitverlauf genau verlief und welche Faktoren diese getrieben hat, zeigt die Auswertung der Daten aus dem YouGov Längsschnittpanel zur Bundestagswahl 2017.
50 Prozent aller Wähler wussten bereits im Februar 2017, welche Partei sie bei der Bundestagswahl im September wählen werden („Gebundene Wähler“). Die andere Hälfte entschied sich in den sechs Monaten vor der Wahl noch mindestens einmal um („Flexible Wähler“). Dabei war der Anteil der Frühentschlossenen bei der CDU/CSU sowie bei der SPD mit jeweils etwas über 60 Prozent weitaus höher als bei den kleineren Parteien (Die Linke: 44 Prozent, Die Grünen: 40 Prozent, FDP: 25 Prozent). Nur die AfD hatte mit 63 Prozent einen höheren Anteil an Frühentschlossenen.
Die Linke, Die Grünen und die FDP hatten einen höheren Anteil an flexiblen Wählern als an gebundenen Wählern. Diese Parteien haben einen Großteil ihrer Wähler noch während der letzten sechs Monate vor der Wahl überzeugt.
Ein Drittel der flexiblen Wähler der Linken, der Grünen oder der FDP haben noch im Februar 2017 angegeben, die SPD wählen zu wollen. Von den in den Folgemonaten sinkenden Werten der SPD bei der Sonntagsfrage profitierten die kleinen Parteien direkt: Zwischen Februar und Mai verlor die SPD neun Prozent der flexiblen Wähler an kleine Parteien, im September kurz vor der Wahl noch einmal ganze 13 Prozent.
Flexiblen Wählern, die kleine Parteien gewählt haben, fiel es deutlich schwerer, eine Wahlentscheidung zu treffen als anderen Wählern: 60 Prozent stimmen der Aussage zu, dass ihnen die Wahlentscheidung leicht fiel; unter anderen Wählern liegt die Zustimmung zu dieser Aussage bei 78 Prozent. Flexible Wähler haben sich außerdem stärker mit der Wahl auseinandergesetzt: 53 Prozent der flexiblen Wähler, die kleineren Parteien ihre Stimme gegeben haben, geben an, sich kurz vor der Wahl noch einmal aktiv mit Parteien und Programmen beschäftigt zu haben (andere Wähler: 43 Prozent). Zudem geben sie weniger häufig an, ihre Entscheidung von den Spitzenkandidaten abhängig gemacht zu haben als andere Wählern. Flexible Wähler versuchen häufiger, aktiv ihre Unsicherheit abzubauen: Jeder Vierte (24 Prozent) hat bei seiner Entscheidung die Ergebnisse eines Online-Wählerhilfe-Tools berücksichtigt (andere Wähler: 15 Prozent).
Die große Mehrheit aller Wähler gibt an, dass schlussendlich das Programm der von ihnen gewählten Partei überzeugt hat (81 Prozent). Auch bei flexiblen Wählern, die sich für kleine Parteien entschieden haben, wird dies im Zeitverlauf deutlich. In den Themenbereichen, die für die jeweilige Wählergruppe am wichtigsten waren, wird der gewählten Partei insbesondere gegen Ende des Wahlkampfs nochmals größere Kompetenz zugeschrieben als in den Monaten zuvor. CDU/CSU und SPD verlieren in dieser Wählergruppe hingegen in der Regel an zugeschriebener Kompetenz. So gewinnt Die Linke unter flexiblen Die Linke-Wählern zwischen Juli und September 15 Prozentpunkte bei der Kompetenzzuschreibung zum Thema „Soziale Sicherung“. Die Grünen gewinnen bei ihren flexiblen Wählern in diesem Zeitraum 6 Prozentpunkte beim Thema „Umwelt“. Und auch die FDP gewinnt bei den Themen „Ausländerpolitik“ und „Innere Sicherheit“ jeweils knapp sechs Prozentpunkte an zugeschriebener Kompetenz unter den flexiblen FDP-Wählern.
Zur Methode
Im YouGov Längsschnittpanel zur Bundestagswahl 2017 wurden regelmäßig dieselben 2.050 Wahlberechtigten zu Themen rund um die Wahl befragt. Im Februar 2017 ist das Panel mit n=3883 Wahlberechtigten gestartet; insgesamt wurden 5 Befragungen von jeweils ca. 10 Minuten im Längsschnittpanel durchgeführt. Die Befragungen umfassten unter anderem eine Stimmungsmessung zum Wahlkampf, die Sonntagsfrage, Bewertungen von Politikern, Parteien und Koalitionen, sowie die Relevanz bestimmter Themen. Das Ausgangssample wurde bevölkerungsrepräsentativ (Deutsche ab 18 Jahren) nach Alter, Geschlecht, Bildung und Region gezogen, die Ergebnisse weiterer Befragungswellen wurden jeweils repräsentativ nach den gleichen Kriterien gewichtet. Der Längsschnitt ermöglicht die Beobachtung von Entwicklungen im Wahlverhalten über die Zeit und auf Individualebene.
Bild: Timo Klostermeier / pixelio.de