Mehr ernüchternd, weniger erfrischend

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
August 14, 2017, 7:41 vorm. GMT+0

Viele Deutsche mögen bei alkoholfreiem Bier nicht sofort in Begeisterungsstürme ausbrechen. Dabei hat die alkoholfreie Variante des flüssigen Golds durchaus Vorteile. Zum Beispiel wenn man noch Autofahren will. Mit der neuen Kampagne „Erfrischend nüchtern“ betont die Marke Clausthaler in kurzen, minimalistisch inszenierten Werbespots die Vorzüge von alkoholfreiem Bier. Und Clausthaler hat ja durchaus eine erfolgreiche Werbehistorie, wenn man sich z.B. den Slogan „Nicht immer, aber immer öfter“ in Erinnerung ruft, der durch einen Clausthaler-Spot zum Allgemeingut geworden ist. Wir haben den „Erfrischend nüchtern – Radio“-Spot dem YouGov Reel Werbecheck unterzogen und getestet, ob der Spot die Geschichte erfolgreicher Spots für Clausthaler fortschreiben kann.

Spot lässt nicht zum Clausthaler greifen

Der Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass es Clausthaler mit dem Spot trotz Verzicht auf visuellen Schnickschnack und aufwändige Inszenierungen durchaus gelingt, sich als Marke in den Köpfen der Menschen zu verewigen. Die gestützte Webeerinnerung der Befragten liegt bei 93 Prozent und damit tendenziell über dem Benchmark.

Bei der Bewertung des Spots zeigt sich jedoch schnell, dass ein erfrischender Effekt eher ausbleibt: Der Spot wird zwar als durchschnittlich angenehm (68 Prozent), passend zur Produktkategorie (76 Prozent) und glaubwürdig (68 Prozent) beurteilt, aber nur 14 Prozent gefällt der Spot sehr gut, was weit unter dem Benchmark liegt. Auch bei Sympathie (63 Prozent), Spannung (31 Prozent) und Interessantheit (43 Prozent) kann der Spot nicht mit dem Benchmark mithalten.

Dies mag vor allem an der nüchternen Gestaltung des Spots liegen. Hier schneiden alle gemessenen Dimensionen, wie z.B. die Musik (18 Prozent), die Story (21 Prozent) und die optische Umsetzung (19 Prozent) unterdurchschnittlich ab. Im Hinblick auf das ausgestrahlte Image wird der Spot vorwiegend als traditionell (61 Prozent) und bodenständig (71 Prozent) bewertet. Die Kategorie Humor jedoch, mit der Clausthaler eigentlich punkten wollte, liegt mit 55 Prozent allenfalls im Durchschnitt aller bisher getesteten Spots. Bei Uniqueness (49 Prozent) und Verständlichkeit (74 Prozent) erreicht der Spot ebenfalls Werte deutlich unterhalb des Vergleichskorridor.

So zahlt der Spot dann auch nicht auf die Marke ein: zwar schadet der Spot dem Markenbild nicht, verbessert es aber auch nicht. Außerdem verspürt nach dem Anschauen des Spots nur ein kleiner Teil der Zuschauer (26 Prozent) den Drang, sich weiter über die Produkte von Clausthaler und die Marke selbst zu informieren.

Spot Genuss ohne Folgen: Die Zuschauer bleiben ernüchtert

Bei der Echtzeitbewertung wird ebenfalls deutlich, dass die Zuschauer den Spot sehr nüchtern betrachten. Der Reel-Score (51) liegt unterhalb des Benchmarks. Die Reel-Kurve zeigt kaum Ausschläge während des Spots und bewegt sich während des gesamten Verlaufs nur knapp über der neutralen Mittellinie: Zu Beginn des Spots mit Einspielen der lauten Musik sinkt die Reel-Kurve zunächst minimal ab, steigt dann mit dem Einsetzen des Erzählers kurzzeitig wieder etwas an, um nach einem erneuten leichten Absinken im Verlauf der Witzeinleitung, mit der Pointe wieder leicht anzusteigen. Beim Branding kommt es dann wieder zu einem leichten Absinken. Insgesamt bewegt sich die Kurve jedoch mit einer Schwankung von unter 2%.

Der Witz wird nicht von jedem verstanden

Der Blick in die offenen Nennungen zeigt, dass der Spot zumeist als Werbung für ein alkoholfreies Bier verstanden wird, das nüchtern und erfrischend sein soll. Der Zusammenhang mit der Einpark-Anekdote bleibt zum Teil jedoch unklar. Aussagen wie „Das Bier im Glas wird immer weniger. Warum, habe ich nicht verstanden.“ oder „Irgendwas mit Rückwärtsfahren und leiser machen, sehr irre führend“ zeigen, dass der Spot nicht immer verstanden wird. Einige Befragte sind sogar der Ansicht, dass Clausthaler extra für Autofahrer gemacht wurde „Alkoholfrei für Autofahrer“, was an dieser Stelle gegebenenfalls ungewollt überzogen rüberkommt.

Positive Aussagen zum Spot sind insgesamt eher selten, nicht zuletzt weil vielen Befragten schlichtweg nichts im Gedächtnis geblieben ist. Die Betrachter, denen es gefallen hat, heben die prägnante und unaufdringliche Darstellung hervor. Der Slogan sei sehr passend für das Produkt - witzig und humorvoll. Sie amüsieren sich über den Spruch „bei dem Lärm was sehen“ und loben die Darstellung des lecker aussehenden Bieres, das ohne Folgen genossen werden kann.

Das Gros der Befragten findet den Spot jedoch eher langweilig. Er sei zu unauffällig und hat zu wenig Handlung und Aktion. Auch hält ihn ein großer Teil nicht für lustig und humorvoll, sondern eher für unverständlich „Was hat Clausthaler mit Rückwärtseinparken und leisem Radio zu tun?“. Außerdem wird von einigen der Zusammenhang von Alkohol und Autofahren als unpassend kritisiert.

Jetzt mal nüchtern betrachtet…

… bleibt der Spot im Kopf und Clausthaler als Marke ist präsent. Das ist doch schon mal was. Eine weniger nüchterne Gestaltung des Spots könnte jedoch die positive Verbindung mit der Marke stärken. Ironie und Humor sind zudem Elemente die in Spots wohldosiert und sehr vorsichtig eingesetzt werden sollten. Denn: Humor ist eine sehr individuelle Sache, wie sich immer wieder in unseren Werbechecks zeigt. Nicht außer Acht gelassen werden darf hier allerdings, dass dieser Spot nur ein Teil der neuen Kampagne ist. Eine Betrachtung mehrerer der zusammengehörenden Spots oder weiterer Elemente wie z.B. Plakate der Kampagne, wird gegebenenfalls zu einem besseren Verständnis der Gesamtkampagne führen.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 24.07.-26.07.2017 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 234 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Spotify, Tele.ring, Spee (Henkel) und Lieferando.de getestet.

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