Die eigentliche Konkurrenz von Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht das Internet

Philipp SchneiderHead of Marketing
Juli 06, 2020, 12:10 nachm. GMT+0

Millionen Deutsche kaufen bei Galeria Karstadt Kaufhof ein – und wollen das auch weiterhin tun. Filialschließungen und Onlinehandel zum Trotz. Viele Kunden unterstützen sogar bewusst Geschäfte vor Ort.

Direkte Wettbewerber hat Galeria Karstadt Kaufhof eigentlich nicht – es ist die letzte verbliebene Kaufhauskette in Deutschland. Aber das Konzept, von der Bratpfanne bis zum Anzug alles unter einem Dach anzubieten, wurde von Malls bereits auf ein anderes Level gebracht. Und Online-Warenhäuser bieten längst noch mehr Bequemlichkeit. Nun kommt Corona noch hinzu und bedroht die Existenz des Konzerns. Doch viele Kunden, das zeigen YouGov-Daten, würden Galeria Karstadt Kaufhof aus verschiedenen Gründen vermissen.

Gut drei Monate ist es her, dass Galeria Karstadt Kaufhof unter einen Schutzschirm schlüpfte, um das Unternehmen vor einem Insolvenzverfahren zu bewahren. Die Häuser waren geschlossen, Mieten sollten trotzdem gezahlt werden. Die treuen Kunden des Konzerns mussten ihr Geld anderswo ausgeben.

Negative Schlagzeilen stören Verbraucher nicht

Dass sie gerne weiter zu Galeria Karstadt Kaufhof gegangen wären, zeigt unser Markenmonitor BrandIndex. Seit Anfang April sagen zwar immer mehr täglich repräsentativ Befragte, dass sie Negativ-Nachrichten über die Kaufhauskette gehört hätten. Unser Buzz-Score, der zwischen -100 und +100 Punkten liegen kann, hat sich um 17 Punkte verschlechtert und liegt inzwischen bei -19 Punkte. Aber das hat, anders als es sonst oft der Fall ist, keine negativen Auswirkungen auf die Kauflaune: Über die vergangenen zwölf Monate haben relativ konstant 15 bis 21 Prozent der Verbraucher angegeben, dass ein Einkauf bei Galeria für sie in Betracht käme. Corona und das Taumeln des Konzerns haben daran nichts geändert. Auch der Anteil der Deutschen, die konkret einen Einkauf in einem der Kaufhäuser planen, liegt auf dem Vorjahresniveau.

Das Virus wird hoffentlich irgendwann besiegt sein, Abwärtstrends könnten sich wieder umkehren, aber vieles wird Galeria Karstadt Kaufhof kaum ändern können. Etwa das Durchschnittsalter der Kunden: Laut YouGov Profiles ist nahezu jeder zweite Kunde 55 Jahre oder älter. Nur 17 Prozent der Kunden sind zwischen 18 und 35, während diese Altersgruppe etwa 25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung stellt. Dass das Unternehmen Menschen auf dem Land noch schlechter erreicht, wird sich auch nicht bessern, wenn jetzt Dutzende Häuser geschlossen werden. Vermissen werden die Filialen vor allem Stadtbewohner, die nahezu die Hälfte der Kundschaft stellen und die Kaufhäuser aus ihrem gewohnten Umfeld kennen.

Bewusst offline einkaufen

Die Ankündigung der Schließungen hat auch auf politischer Ebene Sorgen ausgelöst. Die betroffenen Städte sehen die Vitalität ihrer Innenstädte bedroht. Selbst der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, äußerte sich dazu besorgt: „Mit diesen Kaufhäusern geht ein Ort der Versorgung und Begegnung verloren.“

Wer einen Einkauf bei Galeria Karstadt Kaufhof erwägt, wird dem wahrscheinlich zustimmen. 85 Prozent dieser Gruppe finden es schade, wenn kleinere Unternehmen vor Ort von großen Online-Versendern verdrängt werden. Während in der Gesamtbevölkerung inzwischen eine knappe Mehrheit lieber online einkauft als in Geschäften, kaufen potenzielle Galeria-Kunden überwiegend lieber offline ein. Seltener als der Bevölkerungsdurchschnitt suchen sie beim Einkaufen nach dem niedrigsten Preis, dafür haben Beratung, eine große Auswahl und die Möglichkeit, Produkte vor dem Kauf in den Händen zu halten, für sie einen höheren Stellenwert.

Das Konzept von Galeria Karstadt Kaufhof lässt sich schnell als Auslaufmodell abstempeln. Aber selbst wenn die Mehrheit lieber online einkauft, kann es nicht in einer Nische weiter existieren?

Immerhin wurden zuletzt sechs der 62 zur Schließung vorgesehenen Filialen doch noch gerettet. Vielleicht hilft es der Kette, dass an Galeria interessierte Verbraucher bisher besser durch die Krise gekommen sind als die Gesamtheit der Deutschen und somit eine potente Käufergruppe bleiben: Sie machen sich deutlich seltener Sorgen, dass sie Rechnungen oder ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Gleichzeitig sorgen sie sich häufiger um lokale Unternehmen. Eine große Mehrheit der an Galeria interessierten Verbraucher kauft gezielt offline ein, um Geschäfte vor Ort zu unterstützen. Die wahren Konkurrenten dürften deshalb kleine Fachgeschäfte sein, die noch bessere Beratung und persönlicheren Kontakt bieten.

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.