Die Deutschen zu Mauerfall und Wiedervereinigung – Große Ost-West-Unterschiede

November 06, 2019, 1:18 nachm. GMT+0

YouGov-Studie zu 30 Jahre Mauerfall (9. November 2019) in Kooperation mit dem SINUS-Institut

Das Jahr 1989 stand im Zeichen des Umbruchs, in Berlin fiel die Mauer und der Eiserne Vorhang in Europa öffnete sich. Deutschland und Europa haben sich seither stark verändert. Doch wie sieht die deutsche Bevölkerung das vereinte Land heute? 30 Jahre nach dem Mauerfall bewertet die Mehrheit der Deutschen das Ereignis positiv: So halten 61 Prozent der Bevölkerung den Fall der Mauer für einen Glücksfall für Deutschland. Weiterhin hat die Wiedervereinigung nach Meinung von 43 Prozent der Deutschen diesem Land Vorteile gebracht, deutlich weniger (19 Prozent) sehen Nachteile für Deutschland. Das ist das Ergebnis einer aktuellen YouGov-Umfrage in Kooperation mit dem SINUS-Institut.

Ostdeutschland hat stärker vom Mauerfall profitiert als Westdeutschland

Hauptsächlich den neuen Bundesländern weisen die Deutschen Vorteile durch den Mauerfall zu: 60 Prozent sind der Meinung, die Wiedervereinigung hätte der ehemaligen DDR Vorteile gebracht. 29 Prozent vertreten die Ansicht, die alten Bundesländer hätten von der Wiedervereinigung profitiert.

Sowohl Ost- als auch Westdeutsche weisen jeweils dem Landesteil größere Vorteile durch den Mauerfall zu, in dem sie nicht leben: Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Westdeutschen erkennen Vorteile für die neuen Bundesländer, nur 47 Prozent der Ostdeutschen sehen Vorteile für Ostdeutschland. Dass der Westen profitiert hat, finden knapp weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Ostdeutschen, wohingegen nur 25 Prozent der Westdeutschen dieser Meinung sind.

Fragt man die Ostdeutschen, ob es ihnen zu DDR-Zeiten besserging als heute, bejaht dies knapp weniger als ein Drittel (28 Prozent). Auch findet knapp die Hälfte (47 Prozent) der in Ostdeutschland Lebenden, dass der Westen die osteuropäischen Länder nach der Wiedervereinigung stark ausgebeutet hat. 46 Prozent der Westdeutschen sind hingegen der Ansicht, dass die osteuropäischen Länder die Hilfsbereitschaft des Westens nach 1989 ausgenutzt hätten.

Gegenüberstellung Ost-West

Ost-West-Klischees bestehen nach wie vor

Die Mauer existiert noch in den Köpfen der Deutschen: 43 Prozent der Westdeutschen und 35 Prozent der Ostdeutschen finden, dass Deutschland seit der Wiedervereinigung zu einer Nation zusammengewachsen ist.



Auch sieht man das Trennende stärker als das Gemeinsame: Während 27 Prozent der Deutschen der Ansicht sind, dass die Unterschiede zwischen West und Ost überwiegen, sehen nur 18 Prozent die Gemeinsamkeiten im Vordergrund. Der Großteil von 41 Prozent sieht jedoch Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Waage.

Alte Ost-West-Klischees bestehen weiterhin: Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Westdeutschen ist der Ansicht, Ostdeutsche würden nach wie vor mehr jammern als Westdeutsche. Umgekehrt vertreten 68 Prozent der Ostdeutschen die Meinung, Westdeutsche täten immer noch so, als wüssten sie alles besser.


Westdeutsche sehen sich eher als „Gesamtdeutsche“

Insgesamt steht das Selbstbild der Deutschen allerdings stärker im Zeichen der Wiedervereinigung, sehen sich doch immerhin 49 Prozent aller Deutschen als gesamtdeutsch. Allerdings wahrt ein nach wie vor großer Teil der Ostdeutschen eine ostdeutsche Identität (41 Prozent), 43 Prozent von ihnen sehen sich als gesamtdeutsch. Bei den Westdeutschen überwiegt das gesamtdeutsche Selbstbild (51 Prozent), verglichen mit 39 Prozent, die sich als Westdeutsche sehen.

Nach 30 Jahren Mauerfall hat sich also die Sicht des Ostdeutschen auf sich und seine Mitbürger nach wie vor nicht zu einem homogenen Bild geformt. Dass sich ein Großteil der Ostdeutschen immer noch als ostdeutsch wahrnimmt, zeigt, dass die Einheit zwar politisch, jedoch immer noch nicht in den Köpfen vollzogen wurde.

Michail Gorbatschow hatte größten Anteil an Wiedervereinigung

Fragt man die Deutschen, wer oder was den größten Anteil an der Wiedervereinigung hatte, fällt die Wahl mit 43 Prozent klar auf Michail Gorbatschow. Deutlich dahinter folgen Helmut Kohl (27 Prozent), die Montagsdemonstrationen in Leipzig (23 Prozent), die Bürgerrechtsbewegung in Ostdeutschland (22 Prozent) und die Öffnung des Eisernen Vorhangs in Polen und Ungarn (22 Prozent).



Über die Studie

Die verwendeten Daten beruhen auf einer Umfrage des internationalen Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov, für die 2.098 Personen zwischen dem 01.10. und 09.10.2019 mittels standardisierter Online-Interviews befragt wurden. Die Ergebnisse sind gewichtet und repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.