Was Deliveroo mit Amazons Geld anstellen könnte

Philipp SchneiderHead of Marketing
Juni 04, 2019, 11:10 vorm. GMT+0

Amazon hat Deliveroo eine kräftige Finanzspritze gegeben. Der Lieferdienst wird damit sein Kerngeschäft ausbauen. Welche zusätzlichen Angebote in Deutschland Potenzial hätten.

Alles, sofort, on Demand. Diesem Ziel kommt Amazon Schritt für Schritt näher, zuletzt durch ein Millionen-Investment in den Online-Lieferdienst Deliveroo. In einer YouGov-Studie haben wir schon einmal ermittelt, wie deutsche Verbraucher auf mögliche Zukunftsszenarien reagieren, die sich aus einer Zusammenarbeit der beiden Unternehmen ergeben könnten.

Umgerechnet mehr als eine halbe Milliarde Euro hat Amazon in den britischen Lieferdienst Deliveroo gesteckt. Es ist unklar, wie viele Unternehmensanteile dafür an Amazon gingen, aber das Investment macht mehr als ein Drittel des gesamten Kapitals aus, das Deliveroo bisher eingesammelt hat. Nach Angaben des Unternehmens arbeiten 60.000 Fahrer und Fahrerinnen in 500 Städten und Gemeinden für Deliveroo, verteilt auf 14 Länder in Europa, Ost-Asien sowie den Golfstaaten und Australien.

Es ist leicht vorstellbar, wie Amazon diese Infrastruktur für sich nutzen könnte – nämlich zum Ausbau seines Rundum-Sorglos-Pakets für Prime-Kunden, in dem es in den USA schon länger mit Restaurant-Lieferungen experimentiert.

Express-Pakete für die Generation On-Demand

Etwas weiter gedacht bietet Deliveroo aber noch weitaus mehr interessantes Potenzial für Amazon: Die Botinnen und Boten könnten nicht nur Bestellungen von Restaurants ausliefern, sondern auch von Supermärkten – ein Markt, in dem Amazon auch dringend Fortschritte machen will und in den USA mit der Übernahme von Whole Foods und der Integration dessen Sortiments in PrimeNow schon gemacht hat. Außerhalb der Stoßzeiten für Essenslieferungen könnten die Deliveroo-Kräfte außerdem andere Blitzlieferungen durchführen. Bisher gibt es die Lieferung innerhalb von zwei Stunden für deutsche Prime-Kunden nur in Berlin und München.

Verbraucher scheinen dafür bereit zu sein. Immerhin zwei von fünf Deutschen sagen schon heute, sie könnten sich vorstellen, Pakete von Restaurant-Lieferdiensten wie Deliveroo zu empfangen. Jüngere zeigen sich der Idee gegenüber offener als Ältere. Daten aus unserem Zielgruppen-Analyse-Tool YouGov Profiles zeigen, dass es genau die Zielgruppe von PrimeNow, die On-Demand-Generation ist, die sich mit diesem Szenario am ehesten anfreunden kann.

Wer der Paketauslieferung durch Deliveroo offen gegenüber steht, der ist überdurchschnittlich oft schon Kunde von Lieferando oder Lieferheld, oder nutzt auch digitale On-Demand-Angebote wie YouTube oder Netflix. Den deutlichsten Unterschied zwischen der Gesamtbevölkerung und denjenigen, die sich eine Paketlieferung von Restaurant-Lieferdiensten vorstellen können, sehen wir ausgerechnet bei Prime-Kunden. Wer Pakete auch von Deliveroo entgegennehmen würde ist sehr viel öfter auch Nutzer von Amazon Prime Video als der Durchschnittsverbraucher.

Drohnen-Lieferung könnte Realität werden

Treiben wir das Gedankenspiel noch etwas weiter. Wie fänden Verbraucher eine Lieferung per Drohne? Schließlich fördert das Bundesverkehrsministerium entsprechende Startups mit 15 Millionen Euro, das Szenario könnte also bald Realität werden. 38 Prozent der von YouGov repräsentativ Befragten stehen dem positiv gegenüber. Dieser Bevölkerungsausschnitt hat im Vergleich zum Durchschnitt

  • weniger Zukunftsangst (geringere Zustimmung zu Aussagen wie: „Das Leben ist ungewisser im Vergleich zu vorherigen Generationen“ oder „Die zunehmende Abhängigkeit von digitalen Assistenten kann für das Miteinander gefährlich werden.“)
  • mehr Fortschrittsglaube (stärkere Zustimmung zu Aussagen wie: „Ich glaube, dass künstliche Intelligenz den Menschen im Alltag helfen wird.“)

Deliveroo will das Investment von Amazon nutzen, um nach einem Teil-Rückzug in Deutschland wieder zu expandieren. Unserer Analyse zufolge muss das Unternehmen dabei keine Angst vor Experimenten haben. Während die Deutschen Amazon häufig skeptisch sehen, gilt das erst recht für viele Paketlieferanten. Vielleicht werden neue Optionen auch deshalb von vielen begrüßt.

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.