Warum Oldenburg das neue Bangkok ist

Simon KlugeBis Juli 2018 Head of Data Products.
Juli 13, 2018, 10:38 vorm. GMT+0

Während die Politik vor der Sommerpause heftig über die Flüchtlingspolitik streitet, stellt sich deutschen Urlaubern eine einfache Frage: Geht’s ins Ausland oder nicht? Scheinbar alles nur eine Frage der Inszenierung.

Die Deutsche Bahn wirbt derzeit mit überraschenden Motiven, die optisch ein Reiseziel aus der weiten Ferne einem zum Verwechseln ähnlichen Ort innerhalb Deutschlands gegenüberstellen, selbstverständlich erreichbar für ein deutlich geringeres Urlaubsbudget. Wäre für die dabei gezeigte Hängebrücke zum Beispiel nicht klar hervorgehoben, dass sie sich im heimischen Hunsrück befindet, könnte man tatsächlich meinen, sie sei in Costa Rica oder Thailand abgelichtet. Oder wie im vorliegenden Fall am vergleichbaren Ort in Kanada. Und logo: Im rheinland-pfälzischen Hunsrück ist man natürlich deutlich schneller vor Ort als im ansonsten so verlockenden Nordamerika, vor allem dank der bundesweiten Bahnverbindungen.

Mit diesen erstaunlich gut gemachten Vergleichsbildern - ein anderes Motiv lässt Santos und Berlin zum Verwechseln ähnlich aussehen - werben die Eisenbahner dafür, doch mal wieder oder häufiger Urlaub in Deutschland zu machen. Und die Kampagne belegt: Auch heimische Reiseziele können genauso stark zum Träumen anregen, wenn sie entsprechend inszeniert sind. Ergebnisse aus unseren kontinuierlichen Umfragen von YouGov belegen zudem: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Reisende zu Inlandszielen dann auch mit der Bahn unterwegs sind.

Inwiefern Inlandsurlauber anders ticken

Werden reisefreudige Familien aus Deutschland deswegen im Sommerurlaub nun auch wirklich spontan vom Ferienflieger auf den Fernverkehr der Bahn umsteigen? Oder vermittelt dieser Ansatz nicht vielmehr denjenigen ein gesteigertes Selbstwertgefühl, die ohnehin schon die Entscheidung getroffen haben, im vermeintlich günstigeren „Ländle“ zu bleiben? Abschließend können wir dies nicht beantworten, doch solche Fragen haben uns zu einem Sommer-Special dieser Kolumne veranlasst, mit einem etwas anderen Blick als sonst auf die Ergebnisse unserer Befragungen für den YouGov BrandIndex und Co. Konkret beschäftigte uns diese Frage: Worin unterscheiden sich eigentlich Inlandsurlauber von denjenigen Deutschen, die ihren Sommerurlaub lieber im Ausland verbringen?

Inwiefern diese beiden Gruppen anders ticken, lässt sich am besten offenlegen, wenn wir eine vergleichbare Zielgruppe herausgreifen: Urlaubsplanende Familien mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt. Wer von diesen im Sommerurlaub lieber im Inland bleibt, wohnt merklich häufiger in den östlichen Bundesländern, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Sachsen. Andererseits sehen wir innerhalb dieser Zielgruppe auch einen etwas höheren Anteil an Einwohnern aus Niedersachsen. Ins Ausland zieht es auffällig stärker Menschen aus Baden-Württemberg, Bayern sowie Nordrhein-Westfalen.

Und ja, wer sich sinnbildlich für die Ferienunterkunft im Fichtelgebirge entscheidet, gehört häufiger zu den Haushalten mit geringerem Nettoeinkommen, vor allem bis 2.500 Euro netto monatlich, statt zu den Besserverdienern mit 4.000 Euro oder mehr im Monat, die es sich auf ihrer Finca auf Mallorca oder dergleichen gutgehen lassen. Doch nein, Inlandsurlauber sind mitnichten eher AfD-Wähler, in diese Ecke lassen sie sich nicht schubladieren: In Punkto Wahlverhalten sehen wir über alle Parteineigungen hinweg keine auffälligen Unterschiede. Die stärkere Heimatverbundenheit zeigt sich eher im alltäglichen Konsumverhalten: 63 Prozent der Inlandsurlauber achten darauf, bei deutschen Unternehmen zu kaufen, unter den Auslandsurlaubern sind es etwas weniger. Und Produkte „made in Germany“ stehen ebenfalls bei Inlandsurlaubern höher im Kurs.

Reiselust statt Lebensfrust?

Wer sich in den Ferien nicht über die Landesgrenzen wagt, den packt irgendwie einfach weniger Fernweh. Zumindest geben deutlich weniger Inlandsurlauber an, dass auf der Wunschliste für ihr Leben das Erreichen eines bestimmten Reiseziels steht. Im Vergleich zu den Auslandsurlaubern geben sie dagegen häufiger an, besonders gerne Urlaub in der Natur oder als Camper zu machen. Es zieht sie vor allem an die Ostsee und - mit spürbarem Abstand, aber immer noch auf Platz zwei folgend - an die Nordsee. Doch auch Unterkünfte in Bayern oder Baden-Württemberg sind beliebt. Auffällig ist noch, dass uns mit mehr als jedem Vierten etwas mehr Inlandsurlauber zurückspielen, dass sie Flugangst haben. Und der Anteil an Partymenschen unter ihnen fällt auch etwas geringer aus.

Bei zwei von drei Familien mit Kindern, die sich während den Sommerferien lieber im Ausland aufhalten, steht der ohnehin von den Deutschen so geliebte Badeurlaub andererseits noch höher im Kurs. Und nahezu jeder Zweite aus dieser Gruppe hat das Erreichen von Reisezielen auf der Wunschliste für das eigene Leben. Folgerichtig gibt auch jeder Fünfte von ihnen mit Lufthansa eine Airline als Marke unter den Mobilitätsdienstleistern an, die man am ehesten wählen würde. Die Deutsche Bahn erreicht hier 16 Prozent aller Stimmen.

Unter den Inlandsurlaubern hingegen liegen Lufthansa und Deutsche Bahn als Mobilitätsdienstleister, den man grundsätzlich am ehesten wählen würde, im Übrigen gleichauf. Wer lieber die Hängebrücke im Hunsrück besucht, braucht hierzu schließlich auch kein Flugzeug. Und statt nach Bangkok zu fliegen, ist vielleicht eben die Zugreise nach Oldenburg angesagt. Wo auch immer nun Sie Ihren Urlaub lieber oder in diesem Sommer verbringen: Schöne und erholsame Ferien!

So erschienen auf WirtschaftsWoche Online.