Der neue SEAT Ibiza tanzt sich in die Köpfe

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Juli 13, 2017, 6:31 vorm. GMT+0

Die Automobilindustrie hat es nicht immer leicht, wenn es um die Schaltung von uniquen Fernsehwerbespots geht. Anders als in anderen Branchen werden Autos in der Regel nicht impulsiv und unüberlegt gekauft. In der Regel geht dem Kauf eine lange Phase der Überlegungen von Für und Wider voraus, bis der Kunde sich schließlich für ein Auto entscheidet. Wichtig ist es daher, durch Werbespots die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden zu gewinnen, um in der Entscheidungsphase für ein neues Auto präsent zu sein.

Hierzu setzt SEAT in der neuen Kampagne „Start Moving“ für den komplett überarbeiteten Ibiza auf ein neues, bewusst unkonventionelles Werbekonzept. Dieses setzt sich aus verschiedenen Sequenzen zusammen, die in einem Reigen 25 Tänzer und Tänzerinnen an mehr als 15 Locations in Barcelona und Umgebung zeigen. Zwischendurch taucht immer wieder ein rotes Exemplar des neuen SEAT Ibiza auf, der sich mühelos und fast schon tänzerisch durch die nächtlichen Straßen bewegt. Ob der Spot in den Köpfen der Betrachter bleibt und wie die zum Teil extravaganten Tanzszenen ankommen, zeigt der neue YouGov Reel Werbecheck.

Und tanzt dem Benchmark davon

Die Echtzeitbewertung zeigt schon bei der ersten flüchtigen Betrachtung einen guten Kurvenverlauf mit nur wenigen Einbrüchen. Der Spot macht den Befragten Spaß! Mit einem Reel-Score von 60 kommt der Spot überdurchschnittlich gut an. Der ruhige, mit Klaviermusik unterlegte Einstieg spricht die Zuschauer sofort an, was sich durch einen Spitzen-Reel-Score von 66 äußert. Der Übergang in einen schnelleren Schnitt und der Rhythmus von „Mas que nada“ in der Version der Black Eyed Peas lässt den Reel-Score zwar zunächst auf knapp 60 sinken, durch das Einsetzen des Gesangs kommt es jedoch wieder zu einer Erholung. Die im weiteren Verlauf gezeigten untypischeren und extremeren Tanz-Moves und Verrenkungen, welche in den offenen Nennungen zum Teil als „grotesk“ oder „unnatürlich“ bezeichnet werden, führen jedoch wiederum zu einem Abfall der Kurve bis zu einem Minimum-Wert von 57. Hier liegt die Kurve zwar weiterhin im Benchmark-Bereich, sie hat jedoch ihr spitzes Einstiegsniveau eingebüßt. Die eleganten Drehungen von Fahrzeug und Tänzern sorgen dann gegen Ende für einen erneuten Aufschwung auf den die Einblendung des Branding folgt. Belohnt wird der gelungene Abschluss mit einem sehr guten Reel-Score@Branding von 59, der oberhalb des Benchmarks liegt.

Das spanische Temperament hebt den Spot von anderen ab

Wie die anschließende Befragung zeigt, gelingt es SEAT sich mit dem bunten, lebensfrohen Spot in den Köpfen der Betrachter zu verankern. 94 Prozent, also nahezu jeder Befragte, erinnern sich gestützt an den Werbespot. Damit liegt die gestützte Werbeerinnerung deutlich über dem Durchschnitt. Auch hebt der Spot sich mit 69 Prozent deutlich von anderen ab. Die Gesamtbewertung liegt mit 31 Prozent genau im Durchschnitt.

Durch seine spritzige Art, die sich durch das Zusammenspiel von Musik und Tänzern ergibt, wird der Spot von den Befragten als besonders „modern“ (85 Prozent) und „aktiv“ (88 Prozent) wahrgenommen. Das ist sicherlich auch der Songauswahl des fröhlichen Covers von Sergio Mendes „Mas que nada“ geschuldet. Die Musik wird mit 43 Prozent überdurchschnittlich gut bewertet. Farben, Darsteller, gezeigte Schauplätze und die optische Umsetzung liegen mit guten Bewertungen im Benchmark. Durch die Schauplätze in Barcelona und Umgebung hebt der Spot sich in Punkto Internationalität mit 83 Prozent deutlich vom Benchmark ab. Zudem wird der Werbespot von den Befragten als „stark“ (63 Prozent) und „spannend“ (55 Prozent) wahrgenommen.

Die bunten, farbenfrohen Tanzszenen lassen das Auto etwas verblassen

Die Verständlichkeit (67 Prozent) und Glaubwürdigkeit (59 Prozent) liegen unterhalb des Benchmarks. Hinzu kommt, dass der Spot unterdurchschnittlich gut zur Produktkategorie und tendenziell auch weniger gut zur Marke passt. Das überrascht insofern nicht, da der Spot ja gerade versucht dem Einheitsbrei der Auto-TV-Spots einen anderen Twist gegenüberzustellen. Ein Blick in die offenen Nennungen verrät, dass die Kernbotschaft rund um Dynamik, Bewegung, Sportlichkeit, Lebensfreunde und generell Spaß am Fahren ankommt, der Bezug zum Fahrzeug jedoch in einigen Fällen vermisst wird. Die wenig aufdringliche Platzierung des Fahrzeuges wird zwar auch positiv herausgestellt, jedoch werden Detailinformationen in einigen Fällen vermisst. Im Vordergrund stehen klar Tanz, Bewegung und Temperament sowie der Bezug zur spanischen Herkunft des Fahrzeuges. Einige Befragte kritisieren zudem den etwas hektischen Szenenwechsel und die zum Teil übertriebenen, unnatürlichen Bewegungen, die von einigen wenigen Befragten unästhetisch genannt werden. Gut gefallen hingegen vor allem die Szenen, in denen sich das Fahrzeug elegant dreht und der rote glänzende Lack in Nahaufnahme gezeigt wird.

Ein Blick in die Subgruppen-Analyse zeigt, dass der Spot insbesondere die junge Zielgruppe bis 29 Jahre abholt. Und auch Frauen fühlen sich mit 37 Prozent (Top2Box) eher von dem Spot angesprochen als Männer – vermutlich durch die tänzerische Eleganz. Anders als Männer, finden Frauen den Spot auch passender zur Marke und zur Produktkategorie.

Fazit

Auch wenn die Botschaft des Werbekonzeptes für einige Zuschauer abstrakt bleiben wird, schafft es SEAT sich mit dem Spot im Gedächtnis zu verankern. Und das ist doch schon mal was.

Zudem hebt sich der Werbespot durch seine unkonventionelle Art von anderen Spots deutlich ab und spricht damit vor allem die junge moderne Zielgruppe an. Das erreicht längst nicht jeder Auto-Spot, der im Vorfeld von Sportsendungen ja zumeist im direkten Wettstreit mit den Spots der Konkurrenz steht. Somit kann man sagen, dass der Spot für SEAT in dieser Hinsicht seine Aufgabe erfüllt hat. Der Spot vermittelt Dynamik, Innovation, Lebensfreude und spanisches Temperament und lädt dadurch dazu ein, mit dem Auto eine Tour durch Barcelona und Umgebung zu machen. Und wer möchte nicht mit spanischer Musik, Freude und bei gutem Wetter eine Spritztour in einem Auto machen, das Fahrspaß und die Leichtigkeit des Seins vermittelt?

Gibt es ein Haar in der Suppe? Es ist manchmal ein schmaler Grat und schlauer ist man immer hinterher: Aber anstelle der weniger positiv bewerteten besonders ausgefallenen Tanzszenen hätte der Spot das Design und die technologischen Innovationen des neuen Ibizas noch stärker in den Vordergrund rücken dürfen. Doch das ist Jammern auf einem hohen Niveau.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 26. bis 28. Juni 2017 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 220 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Eilles, Betway, Babbel und ARAG getestet.

So erschienen auf HORIZONT Online.