Mit Strauß in neue Sphären

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Mai 15, 2017, 6:55 vorm. GMT+0

Über wohl kaum einen anderen Technologiekonzern ist in den letzten Monaten so viel geschrieben und gesagt worden wie über Samsung nach dem in Flammen aufgehenden Galaxy Note 7.

Nach einer Phase der Aufarbeitung meldet sich der südkoreanische Elektronikriese in den letzten Wochen mit neuem Smartphone und begeisternden Werbespots wie „Ostrich“ und „The New Normal“ aus dem Hause Leo Burnett zurück. Ersteren Spot rund um einen Strauß, der als flugunfähiger Laufvogel mit Hilfe einer Samsung Gear VR-Brille und zu Elton Johns „Rocket Man“ über sich und seine Grenzen hinaus wächst und das Fliegen lernt, haben wir dem YouGov Reel Werbecheck unterzogen.

Mit vollem Schub über den Benchmark hinaus

Der erste Blick auf die Reel-Kurve zeigt es direkt – das Rocket-Man-Motto der Hintergrundmusik ist passend gewählt. Denn nicht nur beim Strauß, auch beim Spot selber handelt es sich um eine Rakete: Von Anfang an steigt die Reel-Echtzeitbewertungskurve kontinuierlich auf einen hohen ersten Peak von 75. Der Höhenflug wird lediglich durch den Sturz des Strauß ganz leicht gebremst. Anscheinend ist die emotionale Verbindung zwischen dem Strauß und den Zuschauern trotz der kurzen Laufzeit des Spots schon so innig, dass dessen Bruchlandung mitgefühlt wird und eine leichte Delle in der Reel-Kurve hinterlässt. Doch ähnlich wie bei einer mehrstufigen Rakete handelt es sich hier nur um ein kurzes Aussetzen der Schubkraft nach Abwerfen der Booster. Unter Volllast der Hauptstufe, beziehungsweise der Straußenflügel, schwingt sich der Clip zu einem Peak-Score von 79 auf, passend zur Einblendung des Hashtags #DoWhatYouCant. Perfekt getimt schließt sich das Branding an, was zu einem hervorragenden Reel-Score@Branding von 78 führt. Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 70 gehört Samsungs „Ostrich“ dabei zu den am besten durch die Zuschauer bewerteten Spots der letzten zwölf Monate. Auch ein Blick in die Subgruppen zeigt: Egal ob alt oder jung, Mann oder Frau: Der Spot kommt an. Und unter Spot-Kennern knackt er im letzten Drittel mit einen Peak von 84 sogar die 80er-Score-Marke und lässt damit das Gravitationsfeld des Benchmarks weit hinter sich.

Strauß stiehlt Samsung die Show

Dass Story und Inszenierung gut ankommen, zeigt sich auch in den Bewertungen einzelner Spot-Dimensionen. Fast zwei Dritteln der Zuschauer (64 Prozent) gefällt der Spot sehr gut und auf den meisten der abgefragten Dimensionen lässt er den Vergleichsbenchmark hinter sich. Darunter Brand Fit (85 Prozent), Sympathie (88 Prozent) oder Uniqueness (89 Prozent). Und natürlich werden dann auch die Darsteller, in diesem Falle die Strauße, von mehr als einem Drittel (69 Prozent) als sehr gut bewertet. Optische Umsetzung und die Handlung gefallen jeweils 68 Prozent sehr gut. Für 89 Prozent vermittelt das Gesehene ein positives Bild der Marke und bei einem Fünftel (22 Prozent) hat sich das Bild der Marke im Anschluss verbessert. Im Benchmark liegen die Bewertungen für Product Fit und die Verständlichkeit. Mit 67 Prozent Zustimmung liegt der Spot über einen Vogel Strauß, der per VR-Brille fliegen lernt, auch in Punkto Glaubwürdigkeit im Benchmark. Die Zuschauer nehmen es Samsung also scheinbar ab, das Unmögliche möglich zu machen. Etwas kurios ist es, dass sich trotz der guten Echtzeitbewertung nur 85 Prozent der Befragten daran erinnern konnten, einen Spot von Samsung gesehen zu haben. Dies mag auf den ersten Blick viel sein, doch liegt dieser Wert unterhalb des Benchmarks. Im Kontext von lediglich fünf nacheinander getesteten Spots deutet es darauf hin, dass der Strauß Samsung die Show stiehlt und dass das Fehlen eines expliziten Produktbezugs zu Gunsten einer guten Story Aufmerksamkeitspotenzial verschenkt hat.

The sky is no limit

Hierfür sprechen auch die offenen Nennungen. Zwar wird der Spot samt Strauß und Story wahrgenommen, Samsung als Marke wird allerdings nicht immer in diesem Zusammenhang genannt. Bei der Frage nach der Kernbotschaft überwiegen allgemeine Nennungen im Sinne von „Man kann alles erreichen“, aber es finden sich vereinzelt auch Aussagen mit konkretem Markenbezug, wie: „Die Technik von Samsung macht ungeahntes möglich“. Direkt nach Positivem gefragt gefallen der Witz, der Strauß und die als sehr passend wahrgenommene Musik. In der Kritik stehen der fehlende Realismus und vereinzelt auch der Tierschutz. Wie oben vermutet, wird der Sturz des Strauß von den Zuschauern nachempfunden und findet sich so auch in den negativen Nennungen. Allerdings nicht ohne Verständnis für die Notwendigkeit in der Handlung, wie ein Kommentar beweist: „Dass der Strauß erst mal auf den Boden fällt, tut mir ein bisschen leid. Passt aber zur Absicht des Films.“ Die Kurze Einblendung „Images Simulated“ zu Beginn des Clips scheint bei den Zuschauern unterzugehen.

Wer hinfällt muss wieder aufstehen

Auf der in diesem Werbecheck getesteten sowie den anderen nach dem Fiasko rund um das Galaxy Note 7 geschalteten Werbekampagnen von Samsung liegt eine große Bürde. Nach dem Debakel muss das verlorene Kundenvertrauen wiedergewonnen und das angeschlagene Image wieder aufgebaut werden. Dass die Marke auf einem guten Weg ist, zeigt ein Blick auf den YouGov BrandIndex. Zwar ist das Image von Samsung noch nicht wieder ganz auf Vor-Galaxy-Note-7-Niveau, doch geht die Reise in die richtige Richtung. Es scheint sich zu bewahrheiten, was die Handlung des Spots analog zur jüngeren Firmengeschichte nachempfindet: Nachdem Samsung hart auf die Nase gefallen ist, startet das Unternehmen nun wieder durch. Einen Beitrag hierzu leistet der getestete Spot ganz deutlich.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 18. bis 21. April 2017 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 240 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für BMW, Hakle, Der General und das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ getestet.

So erschienen auf Horizont.net

Bild: dpa