Deutsche sehen Rechtsextremismus immer mehr auch als ostdeutsches Problem

Oktober 13, 2016, 3:08 nachm. GMT+0

Vor fünf Jahren sah das noch anders aus. Im Westen und im Osten unterscheidet sich die Wahrnehmung des Problems deutlich.

Ist der Rechtsextremismus vor allem ein ostdeutsches Problem? Aufgrund der Ereignisse der letzten Monate könnte sich ein solcher Eindruck aufdrängen. Es waren sächsische Orte wie Heidenau und Bautzen, wo Flüchtlingsgegner Jagd auf Flüchtlinge machten, nur in Dresden lockt Pegida jeden Montag Tausende auf die Straße. In Mecklenburg-Vorpommern saß die NPD jahrelang im Landtag, nun zieht dort die AFD mit 20,4 Prozent als zweitstärkste Kraft in den Landtag ein. Im Bericht der Bundesregierung zur Deutschen Einheit hatte die Ostbeauftragte Iris Gleicke vor Kurzem vor Rassismus und Rechtsextremismus in Ostdeutschland gewarnt. Und offenbar sehen immer mehr Deutsche Rechtsextremismus vor allem als ostdeutsches Problem.

Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage sagen vier von zehn Deutschen (39 Prozent) der Rechtsextremismus ist „eher“ ein gesamtdeutsches Problem. Doch fast gleich viele meinen er ist eher ein ostdeutsches Problem. Das sagen 37 Prozent der Befragten. Fast keiner der Befragten sieht das Problem im Westen (2 Prozent).

In den letzten fünf Jahren hat sich damit die Wahrnehmung des Rechtsextremismus deutlich geändert. 2011 hatten bei einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Zeit nur wenige Befragte Rechtsextremismus als eher ostdeutsches Problem genannt. Damals sagte das nur knapp ein Viertel der Deutschen (23 Prozent) und eine große Mehrheit von 70 Prozent sah Rechtsextremismus als gesamtdeutsches Problem. Vielleicht wäre der Unterschied sogar noch größer ausgefallen, weil es bei der aktuellen Umfrage eine weitere Antwortkategorie gab. Demnach halten 8 Prozent den Rechtsextremismus nicht für eine Bedrohung.

Die Befragung aus diesem Jahr zeigt auch: Die Wahrnehmungen von Westdeutschen und Ostdeutschen unterscheiden sich deutlich. Fast doppelt so viele Westdeutsche wie Ostdeutsche sehen das Problem eher im Osten Deutschlands (41 Prozent zu 23 Prozent). Ostdeutsche sehen rechten Extremismus eher als gesamtdeutsches Problem.

Zeigt die Umfrage westdeutsche Vorurteile oder ostdeutsche Realitätsverleugnung? Das kann mit den vorliegenden Daten nicht gesagt werden. Einen Hinweis auf die zweite These lieferte jüngst aber Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Der Politiker, der seinen Wahlkreis im Prenzlauer Berg in Ostberlin hat, wies daraufhin, dass bezogen auf die Bevölkerungszahl die rechtsextremistische Gewalt in Ostdeutschland etwa vier- bis fünfmal so hoch sei wie im Westen Deutschlands und mahnte mehr „Selbstkritik“ bei Ostdeutschen an.

Sowohl der Linksextremismus als auch der Islamismus werden übrigens nicht als spezifisch west- oder ostdeutsches Problem wahrgenommen. Ein gesamtdeutsches Problem ist der Linksextremismus für 47 Prozent, während 73 Prozent der Deutschen das über den Islamismus sagen. Allerdings sieht ein kleiner Teil der Befragten den Linksextremismus und den Islamismus eher als westdeutsches Problem. Das sagen 13 Prozent bzw. 8 Prozent der Deutschen. Nur halb so oft wird der Islamismus dabei als ostdeutsches Problem gesehen (3 Prozent).

Auf Basis des YouGov Omnibus wurden 1021 Personen im Zeitraum vom 30. September bis 4. Oktober 2016 repräsentativ befragt.

Foto: Jens Meyer/AP/Press Association Images