Serviceplan-Debüt für die Telekom: Zu viel Meta im besten Netz

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Juli 26, 2016, 10:08 vorm. GMT+0

Mitte Juli fiel der Startschuss für die erste Telekom-Kampagne aus dem Hause Serviceplan. Ob der Auftritt bei den Zuschauern ankommt oder durchfällt, zeigt der YouGov Werbecheck.

Das Internet ist wohl nicht das Erste, was einem zum Opern-Sänger Andrea Bocelli einfällt. Besonders jenen, denen Opern eher ein Graus als ein Vergnügen sind, dürfte er auch dem Namen nach nicht auf Anhieb bekannt sein. Stimmt man allerdings die ersten Takte von „Time to Say Goodbye“ an, wird, zumindest älteren Semestern, eine bekannte Referenz zur Einordnung geboten. Daher überrascht es zunächst, dass die Telekom in ihrem aktuellen Werbespot auf den Tenor setzt. Der dann auch nicht singt, sondern mit geschlossenen Augen durch die Großstädte Europas schreitet und über das unsichtbare aber doch fühlbare Internet sinniert. Dass die Wahl des Testimonials durch die Agentur Serviceplan dabei durchaus eine tiefere Bedeutung hat, bleibt Zuschauern, die Bocelli nicht kennen und nicht um dessen Blindheit wissen, verschlossen. Für alle anderen hingegen öffnet der Spot hierdurch eine weitere sinnliche Ebene, die den gezeigten Bildern weitere Emotionalität verleiht. Ob die Zuschauer diese verstehen und wie der Spot bei ihnen ankommt, zeigt der YouGov Reel Werbecheck.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt. So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 14. bis 18. Juli 2016 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 226 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Alpro, VHV, 8x4 und Nivea/DLRG getestet. Positiv zu vermerken ist hierbei, dass der Alpro und Nivea/DLRG-Spot sehr gut wahrgenommen werden.

Echtzeitbewertung: Stärke durch mitreißende Dynamik

Die Reel-Echtzeitbewertungskurve gleicht beim Telekom-Spot einer sanften Hügellandschaft. Dies deutet zumeist auf wenig aufregende aber solide Spots hin. Tatsächlich steigt der Reel-Score mit der Einblendung verschiedener Stadtpanoramen zunächst langsam auf einen ersten Peak-Score von 56 an. Es folgt ein Abfall des Scores auf 53, der erst mit der zunehmenden Geschwindigkeit im Spot und dem Einsetzen der mitreißenden Musik wieder an Fahrt aufnimmt und zu Beginn der Szene mit Klarinette und Straßenmusikern, die dynamisch gegenüber dem Restspot noch einmal deutlich zulegt, bei einem Score von 60 in dem höchsten Peak der Bewertungskurve mündet. Mit einem durchschnittlichen Reel-Score von 56 und einem Reel-Score@Branding von ebenfalls 56 liegt der Spot damit genau im Benchmark. Der Involvement-Score erreicht mit 36 den Benchmark nicht. Vor dem Hintergrund der Testimonialwahl ist interessant, dass der Spot besonders gut in der jungen Zielgruppe der 18- bis 29-Jährigen ankommt. Bei ihnen fallen der höchste Peak-Score und das Branding bei einem Wert von 65 fast perfekt zusammen.

Unauffällig und international

Betrachtet man die Ergebnisse der gestützten Abfrage verschiedener Spot-Dimensionen handelt es sich bei der aktuellen Telekom-Werbung um einen soliden Vertreter der Zunft, der allerdings in wichtigen Punkten schwächelt. So empfindet die Mehrheit (58 Prozent) der Zuschauer den Spot als exklusiv, stark (69 Prozent) und international (86 Prozent). Vor dem Hintergrund der in mehreren Ländern geschalteten Kampagne sind dies sicher erfreuliche Stärken. Allerdings können sich in der Befragung nach der Spotexposition nur 85 Prozent der Befragten an den Spot erinnern, der dann auch nur jedem Fünften Spoterinnerer (20 Prozent) „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“ gefällt. Beide Werte bleiben damit unter dem Benchmark. Und auch wenn die gezeigten Szenen bei den Themen Modernität (77 Prozent) und Spannung (49 Prozent) tendenziell gut abschneiden, so ist dies in Sachen Markenpassung (76 Prozent) und Glaubwürdigkeit (65 Prozent) im Vergleich zum Benchmark nicht der Fall. Bei den Gestaltungsmerkmalen sind es nur die Schauplätze sowie die optische Umsetzung, die der Hälfte (49 Prozent bzw. 46% Prozent) der Zuschauer sehr gut gefallen. Die Bewertung von Farben, Musik, eingeblendeten Texte, gesprochenen Inhalte und Story bleibt deutlich hinter dem Benchmark zurück. Bocelli als Testimonial selbst wird zwar von einem Drittel der Zuschauer als sehr gute Wahl bewertet, kommt damit im Vergleich zu anderen Testimonials allerdings ebenfalls unterdurchschnittlich an. Betrachtet man den Marken-Impact des Spots, zeigt sich, dass es kaum in diesen einzahlt. Was bei einer so bekannten Marke auch schwer ist. Für den Großteil der Betrachter (82 Prozent) bietet er keinen Mehrwert für das Markenimage. Für 7 Prozent hat er das Bild der Marke Telekom verbessert, für praktisch gleichviele (6 Prozent) verschlechtert.

Bocelli kommt an, auch wenn der Spot langweilt

„Die Telekom hat das beste Netz das alle verbindet“, so und ähnlich wird die Kernaussage des Spots zumeist zusammengefasst. Das ist gelernt und damit kommt die Botschaft auch an. Ebenfalls häufig finden sich Hinweise darauf, dass der Spot die sofortige Abschaffung der (Daten-)Roaming-Gebühren innerhalb Europas bewerbe – obgleich dies gar nicht erwähnt wird. Hier äußern bestehende und potenzielle Kunden klare Erwartungen an das Unternehmen und die Telekommunikationsbranche. Unter den Antworten auf die offene Frage, was am Spot gut gefallen hat, findet sich u.a. eine Aussage, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten: „Die Beschreibung des Menschlichen, das die Musik jeder versteht, einfach, dass die Werbung nicht nur wirbt, sondern auch zum Teil berührt. Und das macht gute Werbung aus“. Hier zeigt sich, dass die emotionale Komponente der Werbung stellenweise durchaus wahrgenommen wird. Auch Bocelli und die gezeigten Schauplätze werden häufig positiv erwähnt, was sich mit der gestützten Abfrage deckt. Wenn Kritik aufkommt, so steht in deren Mittelpunkt die spannungslose Story. Einige Zuschauer scheinen beim Anblick der Bilder spontan von Ennui überfallen worden zu sein.

Zu viel Meta

Auch wenn es sich bei dem Spot nicht um den Benchmark-Killer handelt, so soll dies nicht davon ablenken, dass er im Großen und Ganzen gelungen ist. Leider scheint die emotionale Komponente weniger gezündet zu haben, als beabsichtigt. Ein möglicher Grund mag darin liegen, dass hier zu viel Metaebene im Spiel ist, die durchaus Stoff für Promotionen in den Medienwissenschaften liefert: Über den blinden Tenor, der nicht sehen kann und durch Musik Menschen in einer sinnlichen Erfahrung verbindet, wird das unsichtbare Internet, das sich dennoch sinnlich erfahren lässt und ebenfalls Menschen miteinander verbindet, zur „Sprache die alle Menschen sprechen“ hochstilisiert. Eine tolle Story, mit der das virtuelle Hin und Her von Datenpaketen über Serverknoten ans Endgerät, emotional aufgeladen wird. Wirkt aber vielleicht etwas zu dick aufgetragen und erschließt sich auch nicht jedem Betrachter unmittelbar. Vielleicht eher was fürs Kino-Vorprogramm bei Arthaus-Filmen. Auch die durchaus originelle Idee, Bocelli in verschiedenen Szenerien mit ausgebreiteten Armen gleichermaßen ein Freiheitsgefühl wie das Markenlogo symbolisieren zu lassen, wird auf den ersten Blick nicht in ihrer Kreativität gewürdigt werden. Vielleicht hätte dem Spot etwas weniger Pathos und Mehrschichtigkeit besser gestanden.

So erschienen auf Horizont Online.

Bild: dpa

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