Spielerfrauen spalten die Geschlechter

Holger GeißlerBis Dezember 2017 Head of Research bei YouGov Deutschland
Juni 20, 2016, 11:01 vorm. GMT+0

Es hat begonnen: Die modernen Gladiatoren messen sich auf den Fußballfeldern Frankreichs. Wie bei jedem sportlichen Großereignis läuft das Thema schon Wochen, teilweise auch Monate zuvor in den Werbekampagnen heiß. Verspricht doch die Werbung mit und rund um fußballrelevante Themen Aufmerksamkeit und, bei der Wahl des richtigen Testimonials, durchaus einen Imagegewinn. Klassisch kommen einem hier zunächst die Protagonisten selbst in den Kopf: So sind die Spieler der Nationalelf die Werbeträger der Stunde. Die Elektronikfachmarktkette Media Markt durchbricht dieses Schema. Das ist ja schon mal gut.

In den EM-Spots der von der Hamburger Agentur Zum roten Hirschen verantworteten Kampagne „Hauptsache ihr habt Spaß“ sind es nicht die Spieler selber, die als Werbeträger fungieren. Das Motiv des Sommermärchens aufgreifend, stehen die Lebensgefährtinnen der Spieler im Mittelpunkt. Im Ambiente einer schummrigen Fankneipe, umgeben von fiebernden Fußballfans, bringen uns Cathy Hummels, Ann-Kathrin Brömmel und Scarlett Gartmann, die Partnerinnen von Mats Hummels, Mario Götze und Marco Reus, in drei unterschiedlichen Spots als Märchenfeen in Paarreimen verpackte Leistungen und Produkte des Elektroriesens nahe. Für den aktuellen Werbecheck haben wir uns den Spot mit Cathy Hummels mit YouGov Reel einmal genauer angeschaut.

Methode

Die Analyse des Werbespots findet mit der YouGov Reel Echtzeitbewertung statt. Ausgewählte Befragte bewerten hierbei den Werbespot kontinuierlich, indem sie stufenlose Mausbewegungen nach rechts (positiv) oder nach links (negativ) ausführen. Am Ende steht so für jede Sekunde eines Werbeclips (oder Trailers, Imagefilms, Hörfunkspots etc.) ein Reel-Score zwischen 0 (negativ) und 100 (positiv), der anzeigt, ob der Zuschauer bei der betrachteten Szene eher positive oder negative Assoziationen entwickelt.

So können Stärken und Schwächen genau dargestellt werden. Zudem werden alle Umfrageteilnehmer nach dem Spot zu weiteren Werbewirkungsdimensionen befragt. Anhand eines Referenz-Benchmarks lässt sich die Wirkung des Werbeclips mit den Durchschnittswerten anderer Spots vergleichen. Für den Spot-Test wurde vom 01. bis 03. Juni 2016 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von 215 Personen aus dem YouGov-Panel Deutschland befragt. Der Spot wurde im Umfeld mit aktuellen TV-Spots für Lascana, Mercure Hotels, Vita Coco und Lufthansa getestet.

Es war einmal: Ein guter Start

Das in der Eröffnungsszene gezeigte Märchenbuch weckt zunächst das Interesse der ZuschauerInnen und lässt den Reel-Score schnell auf 54 – bei den Frauen sogar auf 57 - ansteigen. Die Männer reagieren verhalten. Knapp vier Sekunden im Spot ist dies mehr als passabel, da sich die Zuschauer in den ersten Sekunden orientieren müssen. Leider handelt es sich bei dem hier erreichten Score schon um den Peak der Echtzeitbewertung aus Sicht der Frauen. Ab der Einblendung von Cathy Hummels Namen fällt die Bewertung des Spots, mit leichten Wellenbewegungen, beim weiblichen Geschlecht durchgehend ab. Dadurch wird der neutrale Score von 50 für die Gesamtstichprobe nur noch einmal an der Stelle erreicht, an der Cathy Hummels mit dem Rezitieren des lyrisch etwas fragwürdigen Gedichts beginnt.

Entsprechend liegt der durchschnittliche Reel-Score des Spots bei 48 und der wichtige Reel-Score@Branding bei niedrigen 44. Beide Werte befinden sich deutlich unter dem Benchmark. Wenig überraschend bei der Themen- und Testimonialwahl gefällt Männern der Spot viel besser als den Frauen. Bei den Männern fällt der Reel-Score nicht unter 50 und erreicht einen Peak von 54 zu Beginn von Hummels Vortrag als die schöne Cathy relativ lang im Bild zu sehen ist. Auch ist der Spot eher etwas für die Älteren. Unter den 18-bis 29-Jährigen schneidet der Spot noch einmal deutlich schlechter ab. In dieser Zielgruppe erfolgt das Branding in einem Moment, in dem der Reel-Score auf dem Niveau von 30 rangiert.

Märchenfee verschlechtert Markenbild

Die Reel-Bewertung gibt auch hier einen Vorgeschmack auf die Ergebnisse der quantitativen Befragung. Hier werden die Schwächen des Spots im Benchmarkvergleich verdeutlicht. Fast ist es so, als hätten die Zuschauer das wohl ironisch gemeinte „langweilig“ des rot-behörnten Kneipenbesuchers zur Mitte des Clips hin wörtlich genommen. Nur ein Drittel von ihnen (35 Prozent) findet den Spot spannend, nur die Hälfte (47 Prozent) findet ihn sympathisch und 58 Prozent bewerten den Clip als unangenehm. So verwundert es nicht, dass nur 39 Prozent den Spot als interessant erachten. Auch bei der Glaubwürdigkeit hapert es. Mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) findet den Spot unglaubwürdig. Und dass, wo es um die Bewerbung des Express-Lieferservices geht. Da hilft es wenig, dass immerhin zwei Drittel (63 Prozent) die Werbeaussage verständlich finden.

Auch was die Spot-Gestaltung angeht, fällt er bei den Zuschauern durch. Am schlechtesten kommen aber die gesprochenen Inhalte weg: Nur 12 Prozent der Befragten gefällt das gehörte Gedicht und die Dialoge. Und selbst Cathy Hummels kann es nicht herausreißen, obwohl sie die Zeilen gekonnt vorträgt. Die Darsteller gefallen nur jedem Fünften (21 Prozent). Nicht viel besser sieht das Bild für die Marke Media Markt selber aus. Für fast ein Fünftel der Befragten (19 Prozent) hat der Clip das Markenbild verschlechtert, nur für vier Prozent hat es sich verbessert. Und auch, wenn zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) sagen, dass der Spot zur Marke passt, so vermittelt er doch nur für die Hälfte ein positives Bild der Marke. In allen genannten sowie weiteren Dimensionen bleiben die Werte der gestützten Befragung hinter dem Vergleich zurück. Mit zwei Ausnahmen die jedoch nur ein mageres Trostpflaster sein dürften: Zwei Drittel (66 Prozent) halten den Spot für unique und fast ebenso viele (63 Prozent) finden ihn humorvoll. Beide Werte liegen hier über dem Benchmark.

Langatmiger Spaß-Express

In den Antworten der offenen Befragung zeigt sich, dass Kernbotschaft und Claim ankommen: „Media Markt hat eine Expresslieferung“ und „Hauptsache Ihr habt Spaß“ werden fast von allen Befragten in der ein oder anderen Form genannt. Durchwachsener sieht es bei der Frage danach aus, was am Spot gut oder schlecht gefallen habe. Was gut ankommt: Cathy Hummels, die Helium-Pieps-Stimme und – nichts. Was schlecht ankommt: Cathy Hummels, „der Depp mit dem Luftballon“ und – der ganze Rest. Ein Befragter fasst das Gesehene so zusammen und trifft damit den Kern des Groß der negativen Aussagen: „Das war bisher der schlechteste Spot von Media Markt, den ich je gesehen habe - ehrlich! Nicht witzig, ausdruckslos und total nervig.“ Vor dem Hintergrund der Reel-Bewertung und der gestützten Abfrage war es zu erwarten, dass auch in den offenen Nennungen viel Kritik genannt wird. So deutlich wie in diesem Fall geschieht dies allerdings selten.

Die schöne Dichterin überzeugt nur die Männer

"Die Reimer und die Dichter, die ham die schensd´n G´sichter", heißt es in einem Sprichwort mit wohl fränkischem Ursprung, das angesichts der schönen Dichterin allerdings auch auf „Hax´n“ enden könnte. Unabhängig der Endung rettet in den Augen der Betrachter allerdings beides den aktuellen Spot der Media Markt Kampagne zur EM nicht vollständig. Die Idee einmal nicht die Spieler, sondern deren Partnerinnen in den Mittelpunkt zu stellen ist, besonders aufgrund deren gegenwärtiger Allpräsenz, an sich etwas Erfrischendes. Tolle Idee vom Media Markt. Mit ihrer Bildschirmerfahrung für verschiedene Lifestyle- und Sportformate ist Cathy Hummels hierfür eine passende Wahl. Mit dem Spot holt Media Markt deshalb vor allem die älteren Männer ab, und es ist zu erwarten, dass wegen der großen Ähnlichkeit auch die anderen Clips der Reihe im Werbecheck nicht deutlich anders abschneiden würden. Das dürfte für Media Markt passen. Die im Spot vorhandene Ironie in der Selbstreferenz und auf das Klischee der Spielerfrau dringt allerdings nicht bis zum Zuschauer durch. Bei den Männern überzeugt immerhin die schöne Cathy, bei den Frauen nur das schöne Märchenbuch am Anfang.

So erschienen auf Horizont Online.